Inhalt der Printausgabe

August 2004


Kaischi, Du Liebes-Schuft!

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Sensationelle Exklusivbilder enthüllen Kai Diekmanns Vergangenheit als Schürzenjäger und Genußmensch
Der Bild-Chef intim

Hey, Mr. Reporter,
How 'bout talking about yourself?
Do you like what you're doing,
Or is it that you can do nothing else?
The Kinks

Es gehört sich nicht, anderer Leute Unterhosen an die große Glocke zu hängen und laut auszurufen: "Alle mal herkucken! Ich habe den Slip der neuen Freundin von Oliver Kahn aufgestöbert!"
Einer, der so was Schmutziges trotzdem tut, jeden Tag, ist der Bild-Boß Kai Diekmann. In einem Verfahren, das er selbst angestrengt hatte und das als "Penis-Prozeß" in die Annalen einging, urteilte das Berliner Landgericht, daß Kai Diekmann das Verletzen von Persönlichkeitsrechten zu seinem Beruf gemacht habe. Kai Diekmann kann einfach nicht anders: Er wühlt die Bettwäsche auf, die nicht die seine ist. Er tauscht bei Lumpen und Kretins Bargeld gegen Schweineferkelfotos ein, wenn sie die Klempnerfalte eines Filmstars auf seiner Segelyacht zeigen oder Caroline von Monacos Ausschnitt beim Mülleimerleeren, und er reibt sich die Hände und vielleicht noch andere Organe, wenn er die Fehlgeburt einer Botschaftersgattin auf Seite eins breittrampeln kann ("Sex-Schock - Baby verloren - Sorgen um Frau des Botschafters - Wird sie nie wieder glücklich?"). Ein toller Typ, dieser Kai Diekmann! Mit Reportagen über Jürgen Drews' Po-Lifting, Frank Zanders Hörsturz und die Seitensprünge von Bundesligaspielern hat er sich einen großen Namen gemacht in der internationalen Po-Lifting-Szene. Kein Wunder also, daß sowohl Altkanzler Helmut Kohl als auch der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher zu Diekmanns engsten Vertrauten zählen. Wenn er sein Haupt aus dem verdreckten Hals der Kloschüssel emporreckt, die er "Boulevard" nennt, empfinden Kohl und Schirrmacher, die beiden tonangebenden Söhne Deutschlands, keine Berührungsangst. Im Gegenteil: Sie fühlen sich dazugehörig, busseln den Lokusfischer ab und schmieden gemeinsame Urlaubspläne.
Wie aber hat sich der Schlüpferstürmer Diekmann selbst in seinen Formationsjahren aufgeführt? Wen hat er geküßt, was hat er getrunken, und wie hat er dabei ausgesehen?
Licht ins Dunkel der Vergangenheit von Kai Diekmann bringen einige Fotos aus seiner Jugendzeit, die uns zugespielt worden sind und eine redaktionsinterne Debatte entfesselt haben: Darf man diese Bilder zeigen? Werden dadurch Nachwuchskräfte zum Kloakenjournalismus im Stile Diekmanns verführt? Oder ist die abschreckende Wirkung stärker? Nach reiflicher Erwägung aller Argumente haben wir uns für die Veröffentlichung der Fotos entschieden. Das letzte Wort hatte morgens um halb zwei, am Ende einer schwierigen und turbulenten, von den Redaktionsräumen ins traditionelle Wirtshausumfeld hinübergesuppten Diskussion, unser Senior Editor Chief Peter Knorr: "Also, wenn ich jetzt auch mal was sagen darf, ich finde, der mündige Bürger hat das Recht, sich ein eigenes Bild von diesem ›Herrn‹ zu machen, der mir jeden Morgen seine Zeitung auf die Straße scheißt." Sehen Sie selbst.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick