Newsticker

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

Pfirsich, Spargel, Sommerloch

Letzte Woche versah eine gesetzliche Krankenkasse die Internetgemeinschaft mit dem Tipp, bei Einschlafschwierigkeiten zum Hausmittel der Masturbation zu greifen. Und obwohl diese fühlbar kalkulierte Meldung vermutlich für weit mehr als 90 Prozent aller Facebookberechtigten den Neuigkeitswert des Vorschlags hatte, bei hitzebedingtem Durst mal ein Glas Wasser zu trinken, entfachte die mit einem gurkenfarbigen Ehehygieneartikel illustrierte Botschaft einen Sturm im Frotteehandtuch: Sie wurde vieltausendfach geteilt und kommentiert, und falls es nicht schon längst ein Emoji gibt, das mit pubertär geröteten Wangen verlegen in die vorgehaltene Hand kichert, dies wäre die Stunde gewesen, die nach seiner Erfindung geschrien hätte. Da war viel kumpeliges Anschlussgezote in den Kommentaren zu lesen, aber auch echter Bürgerzorn brach sich Bahn, etwa gehüllt in die Frage, ob man das Informationsmaterial der Krankenkasse künftig vor kleinen Kindern verstecken müsse? Kennen wir schließlich alle noch: Aus dem Vorschulkindergarten kommen, das Burberry-Mäntelchen und die Bento-Box in die Ecke pfeffern und erst mal die Infobroschüren von der Gesetzlichen durchstöbern. Und spätestens ab der zweiten Fremdsprache ist man ja eh fürs Leben versaut. Nein, das Problem wurzelt tiefer: Gut 50 Jahre nach Entdeckung der Geschlechtsteile durch die Kolle-Sommer-Expedition droht das Wissen der Altvorderen erneut verloren zu gehen in einer Kultur der Krampfigkeit, die mit den sozialen Medien auch gleich den puritanischen Geist ihrer überseeischen Entwickler aufsaugt. Einerseits schreitet die kommunikative Verrohung voran, die wundgeschürfte Volksseele eitert aus allen Kanälen, doch nur, solange das digitale Gegenüber taktwahrend als A****loch tituliert wird. Und diese Sternchensetzung setzt sich fort in allen Lebensbereichen – eine kaum gedeckelte Sehnsucht nach Aggression und Vulgarität, für das Recht auf Galgenattrappen und die tägliche "Bild"-Brust, doch möge man bitte nicht den Spaten einen Spaten nennen, und Selbstbefleckung als Gesundheitsvorsorge, sind wir denn schon so weit gekommen? Davon abgesehen, dass diese Fragestellung wieder einmal 51 Prozent der Bevölkerung ausschließt, schießen da längst so manche auf ganz anderen Kanälen über das Ziel hinaus. Und das sind jene, die einen neuen Sexualstau einklagen wollen mit Schlagworten wie Frühsexualisierung und Genderwahn, sie stehen schon in den Löchern, die sich bildenden Abszesse der Enthaltsamkeit zu öffnen, mit Sternchen, Storch und Kornblume, Regression im stets etwas zu eng sitzenden Gewand der Keuschheit, keine Hotpants in der Schule, aber bitte auch kein Burkini im Schwimmbad, nein, irgendetwas zwischen McKinsey-Kostüm und Dirndl, ein verklemmter Stammtischreigen, der uns in den Schlaf wiegen will, die Hände schön über der Bettdecke, und wenn wir aufwachen, sind wir alle gef***t.

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Life & Style mit Antonia Stille

Style: Tattoos 

Brrrrr … Bssss … Auuutsch … Kennt ihr diese Geräusche? So klingen nur zwei Dinge: Wespen und Tattoos. Und um Letztere geht's heute. Tattoos sind nämlich nicht nur IN, sondern auch eine tolle Möglichkeit, den inneren Fakir rauszulassen. Es muss nicht immer Heroin sein. Im Tattoo-Store meines Vertrauens ("Zum kleinen Stecher") hole ich mir regelmäßig neue kluge Sprüche, die unter die Haut gehen. Dabei sind natürlich Klassiker wie "Carpe Diem" (Handgelenk) oder "Live, Laugh, Love" (Leiste). Mein absoluter Favorit ist aber mein selbst erdachtes Lebensmotto, das ich mir direkt quer über beide Pobacken habe stechen lassen: "Liebe ist wie ein Puzzle: Es ist perfekt, wenn alles passt". Goethe kann einpacken! Aber genug von mir. Das Tolle an Körperkunst ist ja, dass jede Person sich ihr ganz individuelles Hautimage/-bild zusammenstellen kann. Wichtig ist nicht, wie man geboren wird, sondern was man aus sich macht … Ich kenne auch einige, die sich die Namen geliebter Menschen (z.B. Malte, Chico, Mama) auf den Arm nadeln lassen, damit sie im Zweifelsfall unauffällig spicken können. Das ist einfach mal praktisch und auch schlau. Mein bester Freund hat sich inzwischen den ganzen Körper mit verrückten Motiven, Runen und Symbolen vollmalen lassen und muss jetzt nie wieder Klamotten tragen. Das finde ich schon sehr nachhaltig. Und noch ein Pluspunkt: Die Tinte wurde nicht von Kindern aus Bangladesch genäht. Nur die Anklage wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und der Darstellung "verfassungsfeindlicher" Symbole nervt da natürlich nur. Manchmal ist die Welt einfach noch nicht bereit für Fortschritt.

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Inside TITANIC (5)

Brisante Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Moritz Hürtgen bringt Licht ins Dunkel.

Es gibt in der TITANIC-Redaktion einen Ort, an dem man sicher ist vor der feinen Beobachtungsgabe und dem groben Spott der Kolleg/innen, und dabei handelt es sich freilich um das Klo. Nun ist es aber so, dass an der neuen Adresse – TITANIC bezog 2018 neue Räumlichkeiten, weil der Verlag mehr Geld für Miete zahlen wollte (Steuertricks, fragen Sie nicht!) – eines von zwei Klos direkt an die Kaffeeküche anschließt und nur über diese zugänglich ist. Küche und Klo, Herd und Po – die Witze sind alle gemacht, darum geht es hier auch nicht.

Zum Verhängnis wurde mir auf dieser Toilette bereits mehrfach, dass sich das fensterlose "Örtchen" einen Lichtschalter mit der Küche (in der Küche!) teilt, was sich nur ein grundperverser Architekt ausgedacht haben kann. Zwei Dinge: 1) Wenn "besetzt" ist, meide ich die Küche, aus Respekt vor dem Refugium, auch aus Anstand usw. Daraus folgt für mich 2), dass ich das bescheuerte Licht in der Küche selbstverständlich nicht ausschalte, wenn jemand sein Geschäft … Doch den Kolleg/innen "leuchtet" das wohl nicht ein! Schon mehrfach wurde mir auf der Toilette eiskalt das Licht ausgeknipst! Aus Boshaftigkeit, als Attentat auf mich, als Scherz oder einfach aus Blödheit? Ich weiß es nicht! Zum Glück gehe ich nirgends ohne Smartphone hin. Dann browse ich Reddit-Posts bei Stern.de oder irgendeinen Scheiß beim "Arschfocus" und bringe Licht ins Dunkel.

 

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Meditation und Markt mit Dax Werner

Unter der Sonne

Ich erinnere mich noch ziemlich gut an diesen Mittwoch: Cherno Jobatey war noch Moderator im Morgenmagazin, Twitter noch nicht erfunden und meine Klassenkameraden und ich liefen uns gerade für den Sportunterricht warm. Uns beschäftigte eine bestimmte Sache, nämlich dass die Klettverschlussschuhe, Pullover und T-Shirts unserer Kindheit, die einfach nur ganz basic das Wort "US"  in rot, weiß und blau trugen, verschwunden waren. Merkwürdig! Was früher noch als Symbol für Power und Energy stand, war inzwischen von anderen Motiven verdrängt worden. "Vielleicht wird man ja irgendwann auch mal von den 'ehemaligen USA' sprechen so wie jetzt von der 'ehemaligen Sowjetunion'?" warf unser Klassenkamerad Ralle, der nicht gerade die hellste Leuchte unter der Sonne war, im Lauftempo ein. Ziemlich spannender Ansatz, dachte ich.

An diese Anekdote musste ich irgendwie häufiger denken, als zur letzten Bundestagswahl 2017 plötzlich dieses Meme aufkam, dass es Menschen in Deutschland gibt, die so jung sind, dass sie nie eine andere Bundeskanzlerin als Angela Merkel erlebt haben. Dieses Meme wurde plötzlich in jeder Radio-Morning-Show und Paneldiskussion gearbeitet, es faszinierte die Menschen so sehr, dass ich es manchmal in der Regionalbahn hörte. Ein schönes, geschmeidiges Shareable.

Diese Woche gab es auf der journalistischen Plattform T-Online.de, wo es vor allem um starke Meinungen und Videos geht, die auf meinem Huawei P10 Lite nie richtig laden, ein anderes Shareable, nämlich einen Text von Raphael Thelen, der Text heißt "Verdammt, die Welt geht unter". Darin geht es um den Klimawandel und dass es fünf nach 12 ist, aber auch um Ferienhäuser in Brandenburg und nachhaltige Hochzeitsfeiern mit lieben Freunden. Mit dem Text geschah genau das, womit man rechnen kann, wenn man einen Text mit solchen Features ins Internet hochlädt: Es wurde gescreenshotted, beschimpft, kommentiert, retweetet und angezeigt. Twitter hat getan, was Twitter tun muss. Ich fand das Opinion Piece vom Thelen wegen der genannten Features sehr lustig, aber es erinnerte mich auch an die beiden Anekdoten in den beiden Absätzen hier oben drüber: Was wäre eigentlich, wenn es das Klima, so wie wir es kennen, wirklich nicht mehr gibt? Wenn es plötzlich echt 2, 4 oder 10 Grad wärmer wird? Ich glaube, dem Klima ist egal, wie cool ein Text geschrieben ist.

Heute besonders nachdenklich: Dax Werner

 

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Nur kein Gedäh! – von Martin Knepper

The circus is in town

In dieser Zeit des Jahres, die nur floskelstumpfe Seelen immer noch die Saure-Gurken-Zeit nennen, fraktalisiert sich in der Medienlandschaft – das ist die Welt, in der wir alle wohnen – jene Berufsgruppe, die wir auch niemals wieder als schreibende Zunft bezeichnen wollen: Ein Teil schreibt über Rockfestivals. Der andere Teil schreibt nicht über Rockfestivals. Der über Rockfestivals schreibende Teil hinwieder splittet sich in solche, die über die dort zu hörende Musik, sogenannte Acts, schreibt, und jenen Teil, der nicht über die dort zu hörende Musik, vielmehr über Chemietoilettenschlangen, Körperschmucktrends und Pfandsammeln als Lebensmodell schreibt. Die Musikschreibenden nun teilen sich auf in jene, die die dargebotene Musik ganz töfte (siehe auch: schnafte) finden und jene, die die dargebotene Musik nicht so töfte (siehe oben) finden. Hier unterscheiden wir wieder zwischen musikalischen und außermusikalischen Gründen wie unzureichender Instrumentenbeherrschung oder klanglicher Aussteuerung einerseits und Boykott- sowie Boykottboykottfragen andererseits. Verbleibender Zeilenraum kann dann mit sogenannten Setlists gefüllt werden, der Klassikwelt entlehnten Auflistungen der dargebotenen Musikstücke, welche auch dem rückwirkenden Wiedererkennen bei besagter unzureichender klanglicher Aussteuerung dienen. Und tief im Herzen nährt ein Gutteil der aufgrund der physikalischen Gegebenheiten dieser Welt parallel zu den Darbietenden (Acts, z. T. Stars) alternden Schreiber den Wunsch, man möge sie doch auch dieses Jahr wieder über das 'Sommerhaus der Stars' (RTL & anderswo) berichten lassen, da sie die vom heimischen Mediaset betrachtete Sendung in den Stand versetzt, zwischendurch die fest installierte Heimtoilette benutzen zu können.

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Life & Style mit Antonia Stille

Life: Auf dem Dixi-Klo sind wir alle gleich 

Hey Lebemänner, -frauen und alle, die welche werden möchten! Die wichtigste Saison des Jahres hat begonnen und ich spreche nicht von der Spargelsaison, die ist vorbei (für die besten Spargelrezepte folgt mir auf Pinterest). Nein, meine Lieben, ich meine natürlich die Festivalsaison. Für mich heißt es nämlich nicht Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sondern Festival – ja oder nein? Endlich wird die UE-Boom-Box durch brummende Bässe und babelmäßige Lautsprechertürme ersetzt, die einen vom Boden abheben und alle alltäglichen Sorgen vergessen lassen, wie zum Beispiel die Frage, welche Musik man heute hören soll. Vom Couch-Chiller zum Coachella! Falls der ein oder andere Geldbeutel zu klein für dafür ist: Mit crazy Veranstaltungen wie dem Emmendinger "I Em Music!" oder dem Drebberner "Freakquency Roundup" habe ich auch schon tolle Erfahrungen gemacht, denn die versprühen, abstrakt betrachtet, nahezu die gleichen Gute-Laune-Vibes. Und lokal und regional ist ja eh immer besser. Hauptsache, ich darf mit meinen Mädels das Tipi aufschlagen (Abenteuerfaktor), den Camping-Schaukelstuhl auspacken (Design & Komfort) und um 9 Uhr die erste Runde Bierpong mit 5,0er (Export) spielen. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt ist, dass ich neben dem Dosenbier meine komplette körperliche Versorgung (Peeling, Nahrung etc.) für mehrere Wochen auf Glitzer, Staub und Glitzerstaub reduzieren kann, da ich und meine Körperöffnungen (insbesondere die Nasenlöcher, Zwinker) sowieso zu fünfzig Prozent aus geilem Gekrümel bestehen. An der Stelle möchte ich mich daher gerne öffentlich für ein Forschungsprojekt zum Thema Abbau von Mikroplastik im menschlichen Körper anbieten. Wir sind ja schließlich nicht nur zum Spaß hier …

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Inside TITANIC (4)

Indiskrete Einblicke in das Innere der TITANIC-Redaktion und ihrer Mitglieder. Heute: Ein Rail Trip mit Paula Irmschler.

Während ich noch auf dem Weg in die "Redi" bin, begehen die anderen Redakteur/innen schon längst ihren sinnvollen Tag. Sie wälzen Zeitungen, wechseln Windeln, waren bereits auf dem Markt oder in einer Ausstellung, haben schon wieder drei geniale Ideen für einen angespitzten Habeck-Titel gepitcht, einen alten Zeitungsheini auf Twitter beleidigt, mit einer herrlichen Aktion das deutsche Medienwesen vorgeführt und normal vorgeglüht.

Ich verpasse drei ICEs, weil ich in "Köllefornia" wohne und mich, neben solchen Wortwitzen, mit den "Launen" "unserer" "allseits" "geliebten" "Bahn" herumplagen muss, vom ÖPNV ganz zu schweigen. Im Zug kennt man mich schon. "Ah, da ist wieder die Satire-Pendlerin", sagen die Mitarbeiter/innen, halten mir ein Handtuch hin, mit dem ich mir den errannten Zu-spät-Schweiß vom Gesicht reibe, geben mir einen dreifachen Espresso in die Hand, nehmen sich dafür eigenständig einen Zehner aus meinem Portemonnaie, wollen mir ein ekelhaftes Ciabatta andrehen. Ja, sie lernen es nie. Süß. Ich schlüpfe in meine Flip-Flops, die am Sitz 64 des Wagens 21 im Stuhlnetz stecken, ziehe meinen Bademantel an, der oben im Gepäckfach liegt, mache mir eine Avocadomaske und lasse mir "Die Welt" kommen (lies: klaue sie aus der 1.Klasse (lies: lese in Wirklichkeit die "DB Mobil")). Jeden Morgen und jeden Abend immer das gleiche. Die ungeduschte, nur halb angezogene Ulknudel und die ordentlichen, beschäftigten Anzugtypen zwischen den Welten (Frankfurt, Montabaur, Limburg Süd, Siegburg/Bonn, Köln). Unsere Laptops berühren sich zärtlich, wir haben nichts gemeinsam als den Weg und das Ziel. Und fett bezahlten Comfort-Status.

Wenn ich dann mal ankomme, ist der Kaffee bereits weggetrunken und der Aschenbecher voll. Doch das Bier ... Ja, das hat genau die richtige Temperatur.

Tschüsseldorf!

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick