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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (98)

(Was bisher geschah)

"Ach komm", sagte Kurtchen wegwerfend, er mochte nicht mehr faseln. Der Abend war vorbei, kein Zweifel.

"Hm", machte Petra, es klang wie Schluckauf.

Als sehe er ein, daß es zwecklos war, hob Gernolf die Schultern und behielt sie oben; ließ sie schließlich wieder fallen. Es sah ergeben aus. "Su-per", sagte er noch, wie zu sich selbst, hörbar pro forma.

"Sollen wir gehen?" fragte Petra und sah Kurtchen an. Ihn, keinen sonst. Ein exklusiver Blick, wie Kurtchen auffiel.

Lächelnd hielt er stand und freute sich, daß sie taktvoll genug gewesen war, zwischen Gernolfs Kommunikationsgeruder und ihrer Frage Zeit verstreichen zu lassen, damit es nicht nach Flucht klang. Fred hatte noch geholfen und zu Heiner gesagt: "Das bessere Auto ist der bessere Kauf", ein Satz, der Kurtchen gut gefiel und als Rausschmeißer ja auch zweifellos taugte.

"Besser wär's", sagte er und lobte sich intern für diese perfekte Ant­wort: Korrekt in der Sache, und zwar auf allen sie betreffenden Ebe­nen, souverän im Ton, alle Möglichkeiten und Implikationen offenhaltend. Er war der Größte, zumal er Petra unverwandt in die Augen sah, gegen seine Überzeugung, daß das ein seit Jahrhunderten popularisierter Irrtum sei und es da nichts zu sehen gab, bei niemandem; aber das hatte, fiel ihm sofort auf, vor allem damit zu tun, daß er sich nicht traute, die Viertelkopfdrehung zu Gernolf zu machen und dessen Meinung einzuholen, von der er gar nicht wußte, ob sie über­haupt von Belang war.

Grad noch obenauf, gleich wieder in der Tinte. Wie das immer ging. Gottlob war er betrunken.

Mit der Geste eines Mannes, der weiß, wann es genug ist, sah Kurtchen wie­der in die Nacht; wußte aber, daß das die Frage, vor der er stand, nicht beantwortete; schwenkte über Petra hinweg zurück und war dankbar, daß der Freund nicht neben ihm saß, weil das die Nonchalance, mit der er ihn, prüfend zunächst, ins Blickfeld nahm, verunmöglicht hätte.

Gernolf hatte die Arme parallel zur Tischkante gestapelt und stierte vor sich hin, machte aber nicht den Eindruck, als seien Kurtchen oder Petra ihm was schuldig; und trotzdem behagte Kurtchen der Gedanke nicht, den Freund hier einfach sitzenzulassen. Ihn einfach mitnehmen ging aber auch nicht, sofern die beiden Kfz-Esel keine Anstalten machten, den Abend per Gruppenticket zu begraben; und heiß durchlief Kurtchen eine Erinnerung, zur der es gottlob keine präzisen Bilder mehr gab, die aber so ging, daß er Maik Meerbusch angerufen hatte, weil Ulrike aus Marburg ihn, Kurtchen, angerufen hatte, und also hatten sie den Tag zu dritt an diesem englischen Sprachurlaubsstrand verbracht, und wenn es eine glänzendere Art gab, das erste Rendezvous des Lebens so blitzartig wie treudoof zu vermasseln, ja nicht einmal zu kapieren, hätte Kurtchen gern von ihr erfahren. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (97)

(Was bisher geschah)

Besser würde es nicht werden.

Kurtchen sah wieder auf Petra, die auf die Tischkante starrte, und merkte nicht ohne Erstaunen, daß diese Momente nicht ausstarben. Er wäre jetzt gern gegangen, aber nicht ohne Petra, und als ihm das klar wurde, war nicht von der Hand zu weisen, daß er sich den ganzen Abend in dieser Gesell­schaft vor diesem Moment versteckt hatte und daß er, was das betraf, in den letzten dreißig Jahren nicht vorangekommen war. Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch – Kurtchen sah den Autorenkopf auf dem weißen laminierten Kinderbuchumschlag freundlich streng von links auf die­sen Satz blicken, der so furchtbar vielen Menschen, die in ihren kindchen­schemabedienenden Kleinwagen Tabaluga hörten, so furchtbar schlecht be­kam, und er erinnerte sich an einen anderen Dichter, der gesagt hatte, das Gegenteil von gut sei gut gemeint.

Kurtchen sah auf die Uhr und hoffte, es sehe absichtsvoll aus, aber Petra ließ das Starren nicht, und Fred, Gernolf und Heiner waren mit sich beschäftigt, es ging, warum auch immer, auf einmal um Gebrauchtwagen, bestimmt kam das von Heiner; und war jedenfalls ein Zeichen, daß die Nacht, auch wenn's noch gar nicht spät war, ihrem Ende zu sich neigte. Wenn aus einer Gruppe Teilgruppen wurden, die sich ernsthaft über Alltagsquatsch unterhielten.

"Rost", sagte Fred nebenan, und Kurtchen bekam es mit der Angst zu tun; vielleicht stand er einfach auf und ging, und wenn Petra mitkäme, um so besser. "Haben die doch alle."

"Kommt auf die Serie an", sagte Heiner, und es klang, als gebe er sich Mühe, das wie eine Selbstverständlichkeit klingen zu lassen. "Was'n das für'n Baujahr?"

"Dreiundachtzig", sagte Fred, und Gernolf, der von Autos ja nun gar nichts verstand, sah ins Leere.

"Da ist irgendwie die Seriengrenze", sagte Heiner, und Kurtchen drehte sich eine Zigarette. Er würde jetzt eine Zigarette rauchen und sich dabei Petra ohne Höschen vorstellen. Er war sechzehn, er durfte das.

"Die ist zweiundachtzig", korrigierte Fred milde, was ein bißchen herablas­send klang, aber das ließ sich bei Heiner sowieso schwer vermeiden.

"Die ist zweiundachtzig?" fragte Heiner, ernsthaft irritiert.

"Zweiundachtzig", bestätigte Fred väterlich. "Irgendwann im Sommer", füg­te er hinzu, eine Angabe, die, vage, wie sie war, seine Autorität relativierte.

"Im Fernsehn kommt jetzt wieder Magnum", wich Gernolf der Problematik aus und suchte Anschluß linkerhand. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (96)

(Was bisher geschah)

Still ruhte wieder alles, und halbbewußt bat Kurtchen, es möge dabei blei­ben; er hatte tatsächlich den Eindruck, er müsse beim nächsten Anfall von Humoristik sicher sterben. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an den Mann im Trikot, der unbeirrt seines Weges schritt, als sei dieser Weg als Ziel in toto völlig ausreichend, und wo der Mann schon so gewandet war, konnte Kurtchen nicht umhin, ihn ihm ein Sym­bol der nationalen Fußballauswahl zu sehen, die ja gleichfalls tadellos auf und ab lief, ohne dabei irgendwo anzukommen.

Wie einen Strudel spürte Kurtchen, was diese Erkenntnis barg, und unterdrückte aber den Impuls, in einer oft geübten, entsetzlich pathetischen Geste zum Glas zu greifen; denn diese Geste würde, wie alles, was er jetzt tat, falsch sein und sein dämlich halbfinales Leben als ein Arran­gement von Gesten, Gewohnheiten, Ressentiments und Strategien ausleuch­ten, und wie ein Kind sich die Augen zuhält in der Annahme, mit der ausge­sperrten Welt auch selbst zu verschwinden, saß Kurtchen still und heischte Stillstand; und erinnerte sich an eine universitäre Hausarbeit, in der er es ne­ben anderem um die Frage gegangen war, ob strenge Formlosigkeit nicht auch schon wieder strenge Form sei. Die Antwort hatte er vergessen.

Der Mann im Shirt hatte seine Route verlassen und kam in Richtung Tisch, und Kurtchen erschrak, weniger vor der Möglichkeit, der Trikotmann suche, da die erwartete ausgeblieben, Gesellschaft und zerstöre mit erwartbar schlimmstem Quatschgerede die so dringend nötige und endlich eingetretene Ruhe, als vor dem Bild, das er bot: Es war mittlerweile so dunkel, daß allein das Trikot auf sie zuzuschwimmen schien, und als der Rest der Figur aus dem Dämmer trat und sich wacklig materialisierte, hatte das fast etwas Epi­phanisches, als habe der Heiland sich entschieden, noch einmal auf Erden zu erscheinen, und zwar als dünnbeiniges Männlein mit Flacharsch und Plauze und einem Fuß­balltrikot, auf dessen Rückseite die Spielernummer 10 und der Spielername HOLGINHO geflockt waren.

Denn Holginho, dessen Gesicht nicht nur die Farbe, sondern auch die Form eines Backsteins hatte, hatte den Tisch ohne weiteres passiert, um im Lokal zu verschwinden, und schnürte aber zwei Minuten später wieder vorbei, es hatte wohl bloß an Zigaretten gefehlt, und Kurtchen las und staunte stramm; und wie auf höheren Befehl reagierte niemand auf dieses Wunder, nahm es gar nicht wahr, nicht einmal Heiner machte Krach, sondern brabbelte bloß Gernolf voll; Petra hatte sich auf ihre Hände gesetzt, Fred tippte ins Telefon, und Holginho, nicht wieder auf seinen Posten zurückkehrend, verschwand in der Nacht, und es war Kurtchen, als sei er der einzige Zeuge einer Erschei­nung und habe alles Recht, eine Religion darauf zu gründen. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (95)

(Was bisher geschah)

"Inzest", murrte Heiner versonnen und arbeitete sich Bein für Bein aus der Bank, er mußte wohl mal. Kurtchen sagte nichts, die Fäden lagen zu lose, er war betrunken.

"Ich hab nicht mal Cousinen", sagte Gernolf, sowohl bedauernd als auch an­erkennend, und nahm wie zur Bekräftigung sein Kinn aus der Hand. Fred brannte sich unbeeindruckt eine Zigarette an, blies dann Rauch in Richtung Petra, die sich, in einer Mischung aus Erschöpfung und Behagen, nach hin­ten Richtung Lehne fallen ließ, bevor sie, rechtzeitig, bemerkte, daß es keine gab und, mit den Fingern als Widerhaken an der Sitzkante, diagonal verharr­te, als wäre das der Plan gewesen.

"Tja", sagte Fred noch mal, als sei nun alles klar, und dann schwiegen sie alle so plötzlich und konzentriert, als sei das ein Punkt auf der Tagesord­nung.

Auf dem Platz, an dem die Kneipe lag, ging derweil alles seinen Gang. Ein Pärchen aß Eis, eine Mutter schob einen Kinderwagen durch den Abend, als wäre es ein Vorwand, ein leinenloser Dackel roch an einer Fährte, sein Herr­chen wartete geduldig, die Hände auf dem Rücken, und sah diskret wo­anders hin. Es hatte alles keine Eile. Der Dackel hob das Bein. Dann ging es lustig wackelnd weiter.

Kurtchens spürte Müdigkeit, und während er bedauerte, Freds Verwandtschaft nicht zu kennen, sah er nach Petra, die ihr Kinn ans Brustbein preßte und sanft den Oberkörper schaukelte, als halte sie dem Abendwind nicht stand. Halb, um die Szene nicht zu stören, halb aus Diskretion, die auch unter Bier­einfluß nie ganz verschwand, sah Kurtchen wieder weg und auf den Platz und beobach­tete einen mittelalten Mann in kurzen Cargoho­sen, der, was auch aus der Entfernung deutlich zu sehen war, das weiße Tri­kot der Fußballnational­mannschaft trug und, die Hände in den Taschen, zehn Meter auf und wieder zehn Meter ab ging, als warte er auf ein Rendezvous, in dieser Aufma­chung, warum nicht.

Der Kellner kam und brachte zwei Windlichter, und Heiner, der zur gleichen Zeit vom Klo zurückkam, griff sich eins, brannte es an und sagte: "Es werde Licht", und Fred griff sich das andere, brannte es an und sagte: "Advent, Ad­vent", und Gernolf nickte ironisch beifällig mit dem Kopf und sagte, als habe er den ganzen Abend nur darauf gewartet: "Die ganze soziale Welt ist jederzeit von einer Unzahl geistiger Kräfte erfüllt", und Kurtchen fühlte sich plötzlich fahl und schwach und fehl am Platz und klammerte seinen Blick an den Mann im Fußballshirt und freute sich, daß er da war. (wird fortge­setzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (94)

(Was bisher geschah)

Gottlob und bevor nämlich Petra sich in einer Weise äußern konnte, wie Männer sie erwarten müssen, die vergessen haben, daß Selbstmitleid kein Plus­punkt ist, hub Heiner an zu krähen, und Kurtchen sah sogleich nach links und bedachte die Frage, inwieweit hier Ausgleich möglich sei zwischen der Intimität am Tischrand und den gruppendynamischen Erfordernissen des Abends; und als sei (wie ihm ein Schalk sogleich einflüsterte) heute sozusa­gen Memorial Day, erinnerte er sich an das drängende Beigefühl seiner ers­ten, durchaus noch kindlichen Verliebtheit, deren er sich vor der Rotte seiner gleichfalls noch kaum sexualfähigen Bolz- und Freibadkameraden nämlich ziemlich geschämt hatte; was tatsächlich als Hauptgrund dafür gelten mußte, daß die Beziehung zu Carolin aus der 6b alsbald gescheitert war.

Ach komm!“ schrie Heiner jetzt geradezu, und Fred sagte leichthin: „Tja!“, und Gernolf hatte das Kinn in der aufgestützten Rechten abgelegt und verfolgte den fröhlichen Disput mit dem müden Wohlwollen eines Vaters, der nach ei­nem langen Tag im Büro noch gezwungen ist, sich die „Dreigroschenoper“ in der Bearbeitung für Oberschulen anzusehen.

Wenn ich es sage“, legte Fred nach und griff nach Kurtchens Tabak.

Das ist; das ist doch Inzest irgendwie“, sang Heiner jetzt schon fast seriös und sah halb fragend, halb beifallheischend um sich.

Ist kein Inzest“, sprach Gernolf aus der hohlen Hand. „Nur bei Verwandt­schaft ersten Grades oder in direkter Linie oder wie das heißt. Überhaupt ist das nicht einmal überall verboten, habt ihr das gewußt?“

China“, sagte Kurtchen, bloß um was zu sagen.

So ein Quatsch“, sagte Petra freundlich, und Kurtchen war (zum wievielten Male schon) froh, daß sie nicht auf der Intimität bestand und sich ohne wei­teres ins Geschehen einschaltete.

Stimmt“, sagte Kurtchen, „habe ich verwechselt. Ich meinte: Lesbos.“

Lesbischer Inzest“, tat Gernolf still empört und schüttelte den Kopf, soweit das in der Arretierung möglich war, das Handgelenk schaukelte sanft, „du schaust die falschen Filme.“

Wieso die falschen?“ fragte Fred mit der unschuldigsten aller seiner Mie­nen.

Mich müßt ihr nicht ansehen“, sagte Petra glänzend, „ich bin Einzelkind“, und entweder war sie ein Musterfall von Nervenstärke, oder an dieser Pornogeschichte war halt doch nichts dran, und während Kurtchen schon wieder sein Bier austrank, war er sich schon wieder nicht sicher, ob er das nun gut fand oder nicht. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (93)

(Was bisher geschah)

"Hab ich natürlich nie gemacht", sagte Kurtchen und sagte es so, daß es weniger selbstkritisch als – wie eigentlich klang? Zufrieden?

"Kannst es ja noch machen", sagte Petra, und ihre Wangen glühten, und ihre Augen, in der langsam sinkenden Dämmerung, wirkten größer als sonst, wie die einer Manga-Figur.

"Kann ich noch machen. Muß ich mir bloß einen gebrauchten Bus kaufen, dann muß ich diesen Bus in Ordnung bringen lassen, denn von Autos versteh ich nichts, dann muß ich diesen Bus versichern und anmelden, aber wie ich mich kenne, und ich kenne mich gut, werde ich vorher auf den Gedanken kom­men, daß es auf die Dauer wahrscheinlich unbequem ist, auf einer Matratze in einem VW-Bus zu schlafen, und ich werde anfangen, nach einem Cam­pingbus Ausschau zu halten, und ich werde mir Magazine kaufen, in denen es um gebrauchte Campingbusse geht, und ich werde mich in VW-Camping­bus-Internetforen herumtreiben und lernen, daß man auf defekte Querlenker oder verrostete Ventilschaftdichtungen achten muß und daß die Aufstelldä­cher oder wie immer das heißt gerne reißen, und irgendwann werde ich dann nachsehen, ob man nicht mit der Bahn nach Bilbao kommt, und dann fällt mir ein, daß es schon mit zwanzig kein Spaß war, mitten in der Nacht einen Zwanzig-Kilo-Rucksack auf der Suche nach einer Herberge durch ein fran­zösisches, italienisches, türkisches oder sonstwie ausländisches Kaff zu tra­gen, und daß ich mir nicht vorstellen kann, daß es mit vierzig ein größerer Spaß ist, und daß ich vielleicht von vornherein mit dem Auto fahren sollte, aber auf meinem Auto steht Gas-Wasser-Scheiße, und ich will meine Arbeit nicht mit in den Urlaub nehmen, und dann überlege ich, vielleicht ein Feri­enhaus zu mieten und von da mit dem Mietwagen Ausflüge in die Umge­bung zu unternehmen, und dann sehe ich im Internet, daß so ein Ferienhaus für vier bis sechs Personen ist, und dann stelle ich mir vor, wie ich für 500 Euro die Woche allein in einem Sechspersonenferienhaus im Baskenland sitze, und dann denk ich mir, daß es viel billiger ist, zu­hause alleine zu sein, und bleibe einfach da und trinke Bier."

Kurtchen nahm, das Ende seines Vortrags wie die Plausibilität der Pointe anzuzeigen, einen Schluck und versuchte, es nicht pathetisch oder selbstmitleidig wirken zu lassen; aber er war sich ziemlich sicher, daß das Grinsen, das er aufsetzte, eher weh als souverän wirkte, einfach weil er es aufsetzte.

Petra sah ihn an, und Kurtchen überlegte, ob die staubige Jugendbuchmetapher jemanden forschend ansehen eigentlich noch Verwendung fand; bei Juli Zeh vielleicht. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (92)

(Was bisher geschah)

Sah auf das auf der Spitze stehende Dreieck Bierbank zwischen seinen Schenkeln; sah sich an einem Sommermorgen früh um fünf durch die Stadt fallen, nicht müde, aber elend, wie ausgewaschen von einem Fest, auf dem er nichts verloren gehabt hatte und auf dem er trotzdem ge­blieben war, erst aus Pflichtgefühl, dann aus Höflichkeit, zwischendurch des Bieres wegen; und schließlich, weil es irgendwann keine Rolle mehr gespielt hatte; oder vielleicht, weil ein halbes Unglück wertlos, ein ganzes aber we­nigstens Literatur ist; und weil es damals unbedingt darauf angekommen war, Haltung zu bewahren. Erst zu Hause, auf dem leeren Bett, in schönster Morgensonne und bei letzter Musik, war die Front dann nicht mehr zu halten gewesen; ein Weinkrampf, ein kleiner bloß, aber der letzte, an den Kurtchen sich erinnern konnte.

Don't waste this precious summer day, pfiff Petra;

– – –

pfiff sie natürlich nicht. Sie pfiff, absichtsvoll schlingernd: Wem Gott will rechte Gunst erweisen …

den schickt er in die weite Welt, fiel Kurtchen gleichartig ein, griff aber rasch zum Bierglas, weil er vermeiden wollte, daß Heiner oder sonst ein Esel mitmachte.

"Als ich jung war", sagte Kurtchen, ärgerte sich erst über diese albern geflis­sentliche Koketterie und dann darüber, daß Petra ihn nicht wenigstens zu­rechtwies, "so nach dem Abitur", verbesserte er sich, "sind wir eine Weile mit einem alten VW-Bus herumgefahren, ins Elsaß, an die See oder nach Franken. Es war nicht mal ein Bulli, es war schon so ein Kastenbus, den ein Freund von der Baustelle seines Vaters hatte, zwei Matratzen hinten rein, fertig. Immer ein Wochenende lang, Freitag los, Sonntag zurück. Das war natürlich immer dann furchtbar, wenn man abends das falsche Streichholz gezogen hatte und vorne schlafen mußte, was selbst besoffen so gut wie gar nicht ging, weil das Ding keine Liegesitze hatte und einen ewig langen Schaltknüppel, weswegen auch quer hinlegen ausfiel. Und trotzdem", Kurt­chen griff nach seinem Tabak, "zwei Kästen Bier, ein Campingkocher und ein Paar Dosen Ravioli, und war man der König der Welt. Und ich dachte immer, daß ich das mal machen will, mit so einem Bus los, immer an der Wand lang, immer rechts das Meer, Normandie, Bretagne, Nordspanien ..."

"Hast du natürlich nie gemacht", sagte Petra, und Heiner schrie schon wie­der irgendwas, und Kurtchen fragte sich, warum er sich über dieses natür­lich nicht ärgerte. (wird fortgesetzt)

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt