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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (41)

(Was bisher geschah)

"Na dann", sagte Kurtchen, der jetzt einfach nach Hause wollte, nicht zuletzt weil er fürchtete, das durchweg Angenehme des Abends durch die Fortset­zung eines schlimmstenfalls immer zäher werdenden Abschiedsgeplänkels einzutrüben. Er war nur sehr selten entschlossen, eigentlich so gut wie nie, er wußte ja meist auch gar nicht wozu, aber jetzt gelangte er zu der Überzeu­gung, daß es besser wäre, es vielleicht einmal zu sein, versuchsweise.

"Bis – später also –", sagte er und klang so unwahr wie einer, der versucht, Lässigkeit in seine Stimme zu zwingen, warf die Hand nach oben und wa­ckelte irgendwie ironisch damit herum, und Petra sagte: "Ich hoffe doch!" Und war verschwunden. Kurtchen sah ihr, ohne es recht zu wollen, noch eine Weile hinterher. Sie drehte sich nicht um.

Das tat jetzt Kurtchen. Indem er die Straße hinunterschnürte, überlegte er, ob er den Heimweg zu Fuß oder mit dem Taxi abwickeln sollte, und er beob­achte mit dem immer gleichen Erstaunen, wie sich die Gewichte pro und contra mit jedem verwackelten Schritt, den er tat, verschoben, nämlich weg vom Taxi und zugunsten der Füße, denn je näher er seiner Wohnung kam, desto weniger rentierte sich die Droschke, wobei es aber, überlegte er, einen Schritt vor den anderen werfend, weiter, einen Punkt gab, von dem aus sich das Verhältnis umkehren müßte, dann nämlich, wenn sein, Kurtchens, Nach­hauseweg so lang wäre, daß irgendwann mit jedem Schritt die Wahrschein­lichkeit, vor Erschöpfung ohnmächtig zu werden, stieg, was den rationalen Vorteil des Fußwegs (das gesparte Taxigeld nämlich) dann doch wieder auf­hob; aber so weit hatte er, Kurtchen, es nicht, und ohnmächtig war er auch noch nie geworden, nicht einmal, als Gernolf im Dampfbad diese Blähungen gehabt hatte.

Nach der Hälfte des Weges hörte Kurtchen, wie ihm jemand entgegenkam; er hörte es früher, als er es sah, weil er den Kopf unten hielt und seinen Blick wie Abblendlicht aus einem unerhört schlecht eingestellten Schein­werfer in fünf Metern Entfernung auf den Boden treffen ließ. Er hörte an der Schrittfolge, daß es mehrere waren, und um niemanden über den Haufen zu rennen, sah er auf und machte drei Mädchen aus, die allesamt Bomberjacken trugen, und die Überraschung über die Tatsache, daß es die­ses Kleidungsstück noch gab, mischte sich mit der jähen Erinnerung an Bis­kupek, den sie neulich zusammengehauen hatten, einfach so und ohne Ansa­ge. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (40)

(Was bisher geschah)

Und also standen sie, und Kurtchen war betrunken genug, sich zu entschlie­ßen, nichts zu sagen, jedenfalls nicht als erster. Er überlegte, wie schön es wäre, jetzt einfach zu gehen und diesen trefflich tarierten Rausch sicher ins Bett zu balancieren, ohne daß jetzt irgendwas passierte, zu dem man sich später irgendwie würde verhalten müssen. Eine Existenz der Folgenlosigkeit und frohen Unverbindlichkeit galt es immerhin anzustreben, ein Schweben zwischen den Möglichkeiten, ohne daß die Entscheidung für eine von ihnen so viele andere abschnitt, denn sicher, sicher war nur der Tod, und Kurtchen, auf dem Höhepunkt seines philosophischen Vermögens, merkte, daß er Sodbrennen bekam. Das würde er, wußte er, nicht lange aushalten, es wäre auch gar nicht gesund, und auf der Speiseröhrenkrebsstation wäre es mit dem Schweben Essig; und also war's, da Petra stand und schwieg, doch wieder an ihm, die Situation versiert zu entkrampfen und die Weichen zu stellen für eine Zukunft, die dann doch immer wieder von einem selbst abhing, es war, parbleu, zum Aufstoßen.

"Sodbrennen", sagte Kurtchen und legte zu Demonstrationszwecken die fla­che Hand aufs Brustbein. Er wußte, daß er sich bald fragen würde, ob es nicht doch Momente gibt, in denen das Bekenntnis, man habe Magensäure in der Kehle, die Dinge in eine Richtung ändern, die für falsch zu halten sich irgendwann anbieten muß; aber gesagt war gesagt, und er hatte ja wirklich Sodbrennen.

"Milch", sagte Petra, die nichts dabei zu finden schien, daß der Abend so en­dete. Wenn er denn so endete. "Mir hilft meistens ein Schluck Milch."

"Mir auch", sagte Kurtchen. "Obwohl mir mal eine Apothekerin erzählt hat, das sei Unsinn, das mit der Milch. Es war allerdings eine sehr dicke, sehr be­trunkene Apothekerin mit Liebeskummer, nicht meinetwegen, aber sie war ganz aufgelöst, aber warum wir über Sodbrennen gesprochen haben, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich welches."

"Hm", machte Petra, eine wiederum außerordentlich plausible Einlassung, wie Kurtchen fand.

"Ich muß da lang", sagte er schließlich und wies mit dem Kopf nach links, die Straße hinunter. Eines der schlechteren Enden für einen halbromanti­schen Abend, aber nach Sodbrennen hatte es wohl eh nicht mehr viel zu ge­winnen gegeben, was immer er, Kurtchen, auch gewinnen wollte; kein Wun­der, daß diese verbreitete Fehlfunktion in romantischen Komödien praktisch nie eine Rolle spielte. Kurtchen, so lavalampenhaft es in seinem Kopf auch zuging, sah sich in seiner Über­zeugung bestätigt, daß immer eins zum ande­ren führt. So blieb das All in Harmonie, und man wußte, woran man war.

"Ich muß da hoch", sagte Petra, unverbrüchlich lächelnd. (wird fortgesetzt)


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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (39)

(Was bisher geschah)

Kurtchen winkte noch dem Wirt, der aber bloß unangelegentlich zurücksah und so in seine ga­stropolitischen Visionen verstrickt schien, daß er den Aus­zug seiner beiden vorletzten Gäste nicht weiter kommentierte. Kurtchen wußte immer noch nicht, ob beim Verlassen eines Lokals nun der Mann oder die Frau die An­führerschaft übernehmen müßte, es gab durchaus Gründe für beides – der Mann geht vor, um das fremde und also erst einmal feindliche Terrain zu sondieren, die Frau geht vor, weil der Dame der Vortritt gebührt –, aber weil sich Petra, die nicht so aussah, als harre sie auf Beifahrersitzen aus, um sich die Wagentür öffnen zu lassen, längst ins Freie begeben hatte, vergaß Kurtchen die Frage und verharrte noch zwei Augenblicke an der Tür, um, weil das Glück stets zu dem kommt, der warten kann, vielleicht noch einmal das Wörtchen "Mittagstisch" durch den Raum segeln zu hören; aber nichts dergleichen geschah. Henner rauchte, quallte und wandte den Blick nicht von seinem Gesprächspartner, und der Kartentischler nickte so regelmäßig, daß es weniger bestätigend noch überhaupt gesprächsbegleitend wirkte als vielmehr vegetativ, geradezu hospitalistisch, vielleicht auch einfach schwer betrunken. Und also folgte Kurtchen Petra.

Die stand vor der Extra Bar und hatte, die Hände in den Hosentaschen, den schmalen Kopf in den noch schmaleren Nacken gelegt, als suche sie ein Sternbild; am Himmel war aber keines zu sehen, wegen Lichtsmog, Bewöl­kung oder ähnlich Unauslotbarem; und kaum hatte Kurtchen den Gedanken entwickelt, es handele sich hierbei um eine Verlegenheitsgeste, weil der Abend an einem Punkt war, wo er eine Entscheidung zwar nicht erzwang, aber doch in den Raum stellte, in den Raum zwischen ihm, Kurt­chen, und Petra, nahm Petra den Kopf zurück und tat etwas sehr Plausibles: Sie hob die Schultern. Und ließ sie wieder fallen.

Kurtchen hatte Jahre gebraucht, um den Unterschied zwischen Symbol und Allegorie zu begreifen, und jetzt stand er da und wußte es wieder nicht. Er wußte gerade überhaupt nicht viel, was nichts machte, weil ihm das meiste egal war. Es war ihm gelungen, sich an die Grenze heranzutrinken, hinter welcher die Wirrnis so groß wird, daß sie wiederum nötigt und alle alkoholb­edingte Freiheit ins Gegenteil verkehrt, und war so klug gewesen, sich bei Henner kein Visum zum Grenzübertritt zu verschaffen: Profiarbeit, zu der freilich das nötige Glück gehört. Und so stand Kurtchen in warmer Nacht und überließ sich einem sanften Schaukeln und wunderte sich, als Pe­tra ihn jetzt ansah, dann doch, wie es immer wieder sein konnte, daß kein Rausch der Welt unterhalb eines Systemab­sturzes das Peinliche, Verlegen­machende solcher Momente auffing. Er bekam ein bißchen Angst, aber diese Angst war schön, weil sie aufregend war und Kurtchen keine siebzehn mehr, be­weisen mußte er nichts, sich nicht und auch sonst niemandem. (wird fort­gesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (38)

(Was bisher geschah)

Jedenfalls kam Petra nicht zurück, und Henner hatte sich mit zwei Bieren in der Hand zu dem verstummten Kartentischler gesetzt und redete, nonchalant rauchend, auf ihn ein, auch deshalb, weil der sich, von der stundenlangen Raserei offenbar zutiefst erschöpft, nicht wehrte. Kurtchen überlegte, in wel­chem Maße die regelmäßigen Exaltationen, die da in der Nachbarschaft vor sich gingen, eben diesen, nämlich einen hygienischen Zweck hatten, die überschüssige Energie zu kanalisieren und ihr einen Weg ins Freie zu schaf­fen, damit man hernach in kreatürlicher Erschöpfung vor sich hin stieren konnte und selbst die halbrelevanten Geschichten irgendeines Wirtsmanns sich in das beruhigende Rauschen einer Eichendorffschen Quelle verwandelt­en. Es war wie Fernsehen nach dem Sport: Man hat gelie­fert, jetzt darf man aufgeben.

Endlich kam Petra doch zurück, und Kurtchen unterdrückte den Impuls, den Abend an der Quelle, nämlich im Rauschen der Tischgeschichten Henners versanden zu lassen, nein, das würde nichts bringen, darin lag kein Fort­schritt. Er hatte die letzte noch zu gut in Erinnerung, als es zum wiederholten Mal um ein neues Gastrokonzept gegangen war und Henner erklärt hatte, er wolle jetzt "endlich auch mal die Busineßidioten abgreifen" und "Mittags­tisch" anbieten, "ganz klein, ein Gericht, mit Suppe", ohne Mit­tagstisch nämlich laufe es gar nicht mehr, nicht daß er da extra was verdiene, "das zieht dir die Butter nicht vom Brot, verstehst du", aber es gehe hier halt und unabweisbar "um Kundenbindung", denn ohne Kundenbindung, da sei man "als Geschäftsmann im Arsch" usw., Kurtchen erinnerte sich haupt­sächlich daran, daß mehrfach, ja praktisch ständig das Wort "Mittags­tisch" gefallen war und er, Kurtchen, keine Sekunde den Eindruck gehabt hatte, es handle sich hierbei um mehr als eine vollkommene Schnapsidee. In die Extra Bar zum Mittagessen gehen, das taten wahrscheinlich nur Leute, die ihren Wo­chenendeinkauf im Hauptbahnhof tätigten; außerdem gab es über­haupt keine Büros in der Gegend, in denen Busineßidioten hät­ten tätig sein können, und Kurtchen fragte sich, wie oft er das, was aus Hen­ners Küche fiel, überhaupt schon mal in nüchternem Zustand verzehrt hatte. Es war ihm schleierhaft, wie Henner seine Küche in Richtung Busi­neßmittagstisch umzuorganisieren gedachte: Bislang gab es bloß angeko­kelte Hot Dogs und einen Hackauflauf unklarer Zusam­mensetzung, den Henner, wohl um mögliche Einwände von vornherein un­gültig zu stempeln, als "Fraß" annoncierte, in der reichlich un­begründeten Hoffnung, daß, wer eine Mahlzeit bestellt, sich freut, wenn Iro­nie serviert wird.

Kurtchen stand auf, damit Petra sich erst gar nicht wieder hinzusetzen brauchte, den Rechnungsbetrag hatte er, weil er Henner in seinen wahr­scheinlich gastrorevolutionären Überlegungen nicht stören, aber auch nicht noch länger warten wollte, unter den Bierfilz geklemmt, und zwar für Petra mit, es dauerte ihm jetzt alles zu lange. Außerdem hatte er auf diese Weise etwas gut, auch wenn er ahnte, daß ihn dies morgen als Verpflichtung er­schrecken würde.

"Nächstes Mal bist du an der Reihe", sagte Kurtchen und plänkelte mit der Rechten in Richtung Tischplatte. Petra war so umgehend einverstanden, daß Kurtchen den Gedanken ans Erwachen verdrängte und sich einfach freute, daß er etwas zur Zufriedenheit und nachgerade souverän geregelt hatte. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (37)

(Was bisher geschah)

Petra war noch nicht vom Klo zurück, werweiß war sie ertrunken; dies bzw. die Frage, was Menschen weiblichen Geschlechts immer so lange auf dem Lokus trieben, war immerhin ein Rätsel, um dessen Fortbestand sich Kurtchen nicht zu sorgen brauchte. Bei Männern war es einfach, die lasen auf dem Klo, ja, die meisten von ih­nen taten dies überhaupt fast nirgends sonst, jedenfalls nicht in der Öf­fentlichkeit, da fingerten sie lieber auf ihren Kom­munikationsgeräten herum, und daß sie darauf, wie die aktuelle I-Phone-Wer­bung suggerierte, "Die Ver­wandlung" lasen, schien Kurtchen abwegig, er wußte gar nicht wieso, wahr­scheinlich Vorurteil; der einzige, von dem Kurtchen wußte, daß er auf sei­nem I-Pad Bücher las, war der junge Dr. Mangold, den er, Kurtchen, mal in der Bahn bei der elektronisch gestützten Lektüre von "Lady Chatterley's Lover" angetroffen hatte; nicht ganz Kafka, aber doch fast. Ihn, Dr. Man­gold, hatte Dr. Mangold mit ironischer Herablassung, aber nicht unfreund­lich erklärt, interessiere am Bücherlesen nicht das Materielle, sondern bloß das Textuelle. "Und das Sexuelle", hatte Kurtchen genauso freundlich geant­wortet. Dr. Mangold hatte milde gelächelt und dargelegt, er sei zwar noch jung, aber nicht jung genug, um das in Rede stehende Buch – "den in Rede stehenden Text", erlaubte sich Kurtchen zu verbessern – um den in Rede ste­henden Text, übernahm Dr. Mangold unverbrüchlich lächelnd Kurtchens Korrektur, nicht eher im Hinblick auf Rezeptionsgeschichte, Formalästhe­tik und das Spannungsfeld von weiblicher Sexualität in männlicher Schilde­rung zu studieren, dies um so mehr, als er die Lektüre von als von ihm, Dr. Mangold, erotisierend empfundenen Texten "aus guten Gründen" niemals in den öffentlichen Raum hineintrage, Schamverlust und Schwachsinn beding­ten sich, wie jeder wisse, er, Dr. Mangold, lese "Lady Chatterley" durch die­selbe Focaultsche, "unter Umständen sogar Guattarische" Brille, durch die er auch "Die Geschichte der O." sowie "einiges, um nicht zu sagen alles von de Sade und Zwerenz" gelesen habe, "und zwar schon mit 13", und selbst damals habe er sich "nicht ein Jota" für die sexuellen Implikationen interessiert, oder jeden­falls nur sehr am Rande.

Andererseits war Kurtchen bei genügend Frauen auf dem Klo gesessen, um zu wissen, daß auch dort re­gelmäßig Stapel von Zeitschriften herumlagen, Frauenzeitschriften, aber trotzdem. Unvergeßlich war Kurtchen ein Brigitte-Dossier des Titels "Ich und mein Busen" geblieben, aber er war schon damals aus dem Al­ter heraus gewesen, wegen solcher Zufallsfunde einen Toilettenaufenthalt verlängern zu müssen; und nicht doch lieber Autozeitschriften oder SZ-Magazine zu studieren, deren fugenlos plane Nichts­würdigkeiten ("Unter dem Himmel über Ber­lin. In der Hauptstadt wird im Sommer draußen getanzt") ihr Aroma erst bei heruntergelassenen Hosen so richtig zur Entfaltung brachten. A propos er­innerte sich Kurtchen seines alten Rechercheplans, ob es wohl noch ein anderes Volk auf der Welt gab, daß seine Hauptstadt so beharrlich wie begeistert mit dem Etikett "Hauptstadt" versah, oder ob das eine spezifisch deutsche, in der lokaltypischen Begeisterung für Führungsinstanzen wur­zelnde Dämlichkeit wäre. Aber vielleicht war das auch egal, es würde ja dies nicht weniger dumm, wenn's der Kenianer ähnlich triebe. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (36)

(Was bisher geschah)

Nachdem Kurtchen noch einmal und trotz seiner Müdigkeit energisch ge­wunken hatte, sah Henner endlich auf, nickte einverständig, machte mit der Hand eine Geste, daß es sich nur noch um Minuten handeln könne (Kurtchen überlegte, wie lange es her war, daß er das debile "Kann sich nur noch um Stunden handeln" gehört hatte, hin und wieder bestand dann doch so etwas wie Hoffnung, jedenfalls nach acht Bieren), und zapfte dann konzentriert weiter.

Kurtchen wollte jetzt tatsächlich nach Hause, das schöne, runde, rotweinhaft melancholische Gefühl aus leiser, ironischer Verliebtheit und der altersweisen Distanz desjenigen, der den Charme unerfüllter Träume nicht unterschätzt, auszukosten und zu kon­servieren; er war jetzt in dem Alter, wo man ohne ein Lebens- oder wenigs­tens Existenzmodell nicht mehr hinkam, und es gab Momente, wie kurz sie im Einzelfall auch immer sein mochten, da hatte er den Eindruck, auf einem gangbaren Weg zu sein. Vielleicht nicht eben auf dem richtigen, daß es den überhaupt gebe, war ja genau der Zweifel, der dem Modell, das Kurtchen sich in zäher Grübel- und Trinkarbeit zusammengenietet hatte, als Untersatz diente. So lange er, Kurtchen, denken konnte, hatte er versucht, es rich­tig zu machen, und fast sein ganzes bisheriges Leben hatte er zu der Einsicht benötigt, daß der Versuch, es richtig zu machen, mit einem Ergebnis, das als richtiges Bestand haben konnte, nur ausnahmsweise zu tun hatte. Seine phi­losophische Lebensaufgabe müßte im Gegenteil sein, von richtig und falsch im Zusammenhang des eigenen Lebens nicht nur abzusehen, sondern eine tragfähige Ersatz-Dichotomie zu finden, die für konservative Analcharaktere wie ihn, die von zweistelliger Logik nicht lassen konnten, unabdingbar wäre, wäre das nervtötende, unproduktive, deprimierende Geschwisterpaar Richtig und Falsch erst einmal freigestellt.

Henner zapfte stur fürbaß, wahrscheinlich für sich selbst, es war ja fast nie­mand mehr da, und Petra verabschiedete sich "noch mal aufs Klo". Kurtchen hatte seine zerschlissene schwarze Geldbörse bereits auf den Tisch gelegt und überließ sich im Wissen, daß es für sein Problem heute keine Lösung mehr geben würde (sowenig wie morgen und übermorgen wahrscheinlich auch), einer plänkelnden, durch einen alkoholischen Dunst aus Unernst und Folgenlosigkeit vernebelten Suche nach den neuen Polen seines Lebens: wahr/unwahr (viel zu kompliziert, er war ja bloß Klempner, wenn auch ei­ner, der das Wort Dichotomie kannte); zufriedenstellend/enttäuschend (schon besser, weil eben nicht ins Philosophische ausgreifend: "Daß deine Mutter nicht kommt, finde ich sehr zufriedenstellend. Wie, sie kommt doch? Enttäuschend!"); halbleer/halbvoll (schon wieder Philosophie). Dann lieber gleich randvoll/stocknüchtern, denn so machten es die Profis, und die Vor­stellung, ein Profi zu sein, und gar einer in Existenzphilosophie, gefiel Kurt­chen nicht schlecht. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (35)

(Was bisher geschah)

Denn Gähnen zu vorgerückter Stunde wird durchaus als das verstanden, was es ist, ein Zeichen physischer Erschöpfung, und überdies ließ sich Petra von Kurtchens Gähnen anstecken, sie waren sich einig, und wie geborgen in die­ser Einigkeit saßen sie noch eine Weile beieinander, schweigend, und ließen den Blick versonnen zwischen den Restesäulen in ihren Biergläsern und dem Lokal wandern.

Die Extra Bar hatte sich geleert, selbst der Luftwaffenoffizier und Beinahe-Bezwinger der Edertalsperre war nicht mehr da, und am Kartentisch saß nur mehr ein einzelner Krachmacher und stierte erschöpft vor sich hin. Mit Er­staunen registrierte Kurtchen, daß er sich sehr wohl fühlte und seine Müdig­keit jener existentiellen Note entbehrte, die dumpf durch das Dasein als Junggeselle bzw. Scheidungsopfer klingt. Wieder eine Nacht passé, erinner­te sich Kurtchen an eine Liedzeile, und daß ihn das kein bißchen melancho­lisch oder wenigstens sentimental machte, hätte ihn in nüchternem Zustand alarmiert, denn das bedeutete, daß Hoffnung war, und Hoffnung, hatte Kurt­chen gelernt, ist die verläßlichste Vorstufe zum Reinfall. Alles das war ihm bewußt und gleichzeitig egal; es hat nun mal seinen guten Grund, daß die Menschen sich so gern betrinken.

Kurtchen winkte Henner, dem Wirt, von dem den ganzen Abend über kaum etwas zu sehen gewesen war, wie ein Ritter hinter den Zinnen seiner Burg hatte der ungemein blasse und hagere, großgewachsene Mann seine Stunden hinterm Zapfhahn verbracht und konzentriert die Brüste seiner Dame abbe­zahlt; Kurtchen schien die Vorstellung, daß dieser Freund der Dunkelheit und des Nachtschattens die wenigen Stunden, die er wohl bei Tageslicht zu­brachte, sich an den künstlichen Riesenbrüsten seiner Lebenspartnerin schadlos hielt, seltsam, und er war sich gar nicht sicher, ob er die Geschichte überhaupt hatte hören wollen. Ohnehin war er ja der Auffassung, daß man durchaus nicht alles erfahren muß; eine Überzeugung, die gar nicht aus­schließlich mit dem Spaß am Geheimnis zu tun hatte, sondern ebenso auf ei­ner Diskretion beruhte, die Kurtchen als Mittel zum Selbstschutz und zur ei­genen seelischen Entlastung pflegte. Er erinnerte sich noch viel zu gut an Gernolfs schwere Nagelbettentzündung und die boshafte Freude, mit der er dafür gesorgt hatte, daß sie kein Geheimnis geblieben war, Kurtchen war heilfroh gewesen, kein Rumpsteak bestellt zu haben; und warum ihm Frau Geiselwind von nebenan von ihren Schmierblutungen Mitteilung zu machen nicht umhingekommen war, hätte er dann wiederum doch ganz gern gewußt, er hatte eine Woche lang keine Marmelade mehr essen können. (wird fortgesetzt)

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg