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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (112. und vorläufig letzte Folge)

(Was bisher geschah)

Kurtchen mußte aufstoßen und ließ die Bewegung in einem Kopfnicken aus­laufen. Auch dieses fügte sich; es fügte sich schlicht alles.

"Ich habe neulich einen Film gesehen, in dem eine männliche Figur Stan­dard hieß. Also, mit Vornamen. Mir hat das sofort eingeleuchtet. Standard, das Gegenprogramm zum allgemeinen Distinktions...", er warf die Hand in die Luft, weil er "Gewichse" nicht sagen wollte, ihm etwas anderes aber nicht einfiel. "Geschaufel“, sagte er schließlich. "Wo sie doch heute alle immer gleich nach Gymnasium heißen, die ganzen hochbegabten und in ihrer Kreativentwickung unbehelligten Bürgerkinder, die einem so auf den Senkel gehen. Standard! Damit ist man... damit sind wir auf der si­cheren Seite. Nobelpreisträger wird er damit nicht, aber Bankrotteur auch nicht. Eben Standard. Schön Abitur mit zwofünf, irgendein normaler Beruf, Bauingenieur oder Sozialpädagoge oder Schreiner", bloß nicht Klempner, dachte Kurtchen, "Standard halt, mehr soll man nicht verlangen. Außerdem", Kurtchen merkte, daß Petra nicht wußte, wovon er überhaupt sprach, und eben deshalb konnte er nicht aufhören, "soll er fernsehen. Viel fernsehen. Diese ganzen Spitzenpädagogen, die täglich ihre halbe Stunde Kinderfernsehen abstoppen, damit man sie in der Bio-Kita nicht für Unter­schicht hält. Ich hab; ich hab", abermals drang Luft nach außen, "als Kind im­mer ferngesehen, wie wir alle, und? Hat es mir geschadet?" Ein Blaulicht ohne Martinshorn zog draußen rasch vorbei, am Tresen lachte wer, und Car­pendale hub an zu singen dunkelschön: Ti Amo; und Kurtchen kam es lang­sam spanisch vor. Vielleicht war er längst tot? Und diese Phantasmago­rie hier sein Jenseits, sein Himmel? Wie hieß denn dieser Laden überhaupt?

"Unbedingt", sagte Petra wacklig, näherte sich und verschwand, jedenfalls optisch.

Kurtchen hatte sich, ohne es recht wahrzunehmen, mit dem Abend, wie er war, angefreundet, und es traf ihn so unvorbereitet, daß er erst nichts zu er­widern wußte; und während Petra sich in seinen Mund wühlte und die Arme um ihn schlang, als gelte es einen Abschied für immer und nicht vielleicht das Gegenteil, überraschte ihn der Gedanke, daß er, außer zivilisationskri­tisch daherzuschwätzen, tatsächlich nichts gemacht hatte; und daß sich das, gesetzt den Fall, das alles ginge gut, auf einmal auszahlte.

Wie seltsam alles war.

"Vielleicht doch lieber Rolf", sagte Petra und ließ die Arme, wo sie waren. Sie lächelte und roch nach Schnaps.

"Wenn's nicht eh ein Mädchen wird", sagte Kurtchen; und während er sei­nerseits, halbbewußt und vorsichtig, fortsetzte, freute er sich, daß die Pro­duktionsverhältnisse mit den Produktionsmitteln ausnahmsweise Schritt hielten.

Dann dachte er für eine Weile gar nichts.

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (111)

(Was bisher geschah

Und holte später noch mal nach; und noch einmal.

Petra sprach zuzeiten zu ihm hoch, er deutete ein Bücken bloß noch an, er verstand, zwischen Andrea Berg (eventuell) und Ballermann-Musik, bloß Fetzen, und es kam ihm vor, als habe er was überstanden, etwas, von dem ihm erst auffiel, daß er es erlebt hatte, um es durchzustehen; und das vage, wahrscheinlich idiotische Lächeln, mit dem er sein kommentierendes Nicken illuminierte, tat nicht mehr weh wie früher am Bahnhof, sondern stimmte rundheraus. Vielleicht, so dachte Kurtchen und sog wonnig am Orangenschnitz, war dies Zen in einer unterhaltsam postmodernen Variante, und kaum hatte er dies zuende gedacht und einen frischen Tequila in sich hineingleiten lassen, brandete Roland Kaiser an seine, Kurtchens, Ganglien, und es war dieses Lokal ja wirklich eine Insel, die aus Träumen geboren war, Santa Maria, und während jetzt Petra, schon leise schwankend, Rich­tung Oma zog, um den Faden nicht reißen zu lassen, nahm Kurtchen den Ge­danken tief in sich hinein, daß Roland Kaiser eigentlich Roland Keiler hieß, und daß er, Kurtchen, neulich einen Kassenzettel gefunden hatte, auf dem stand:

"Es bediente Sie Knüppel Gisela"

und wie schön also alles insgesamt war; selbst das Sodbrennen hielt sich in Grenzen.

Petra kam zurück und händigte ihm den Schnapsdreck aber nicht aus, son­dern warf wortlos den Kopf zur Seite und wackelte davon, wahrscheinlich dem Schlagerinferno jetzt doch ein Schnippchen zu schlagen, und als sie sa­ßen, über Eck, an einem dieser schweren, geduldigen Kneipentische, war es deswegen zwar nicht unbedingt leiser, aber Kurtchen merkte beim Sichsetzen, wie voll und im Grunde bedient er war; er ahnte, daß ihn das Glück bereits verließ.

Als hätte Petra den Gedanken gelesen, rührte sie ihr Glas, das sie eben noch vor Kurtchen hingestellt hatte, nicht an, sondern sah, die Hände, als gehörten sie nicht ihr, neben sich auf die Bank gelegt, ihn von der Seite an und lächel­te wie tapfer, als werbe sie um Einverständnis, wofür auch immer.

"Weißt du eigentlich", fragte Kurtchen, den Schwung von eben noch zu nut­zen, "wie Roland Kaiser richtig heißt?"

"Roland Kaiser", sprach Petra glasig, aber es war keine Antwort, sondern eine Gegenfrage. 

Kurtchen tat, als habe er die Ausgangsfrage nicht gestellt, es war ihm dies zu kompliziert; er fragte, einer frischen Idee folgend, anders weiter:

"Weißt du, wie unser Sohn heißt?" Er tat ein bißchen wankend, die Frage zu entschärfen. 

"Unser Sohn", wiederholte Petra abermals, doch schmunzelnd jetzt.

(wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (110)

(Was bisher geschah)

Genau, dachte Kurtchen: deshalb.

Neue Musik stampfte, Petra stand sorglos halbschräg neben ihm, sah ent­spannt ins Leere und führte in wohlberechneten Abständen die Flasche zum Mund, und zum erstenmal, seit er am Nachmittag in ihrer Nähe gelandet war, hatte er das Gefühl, es sei alles okay; oder es sei alles egal; oder daß das vielleicht dasselbe war. Er drehte sich ein bißchen um die eigene Achse und zu Petra hin, aber bloß, weil ihn achtern ein Wind drückte und es so egal dann doch nicht war; und sie standen abermals wie ein Paar, aber wie eins, das sich gefiel und leichtfüßig aushielt.

Ein Stern, der deinen Namen trägt, hörte Kurtchen aus dem Brei heraus. Ein Stern, der Petra hieß; selbst das ging wohl in Ordnung.

Kurtchen stand mit dem Gesicht zur Tür, und er merkte, wie er hoffte, Hol­ginho werde eintreten, sich umsehen und dann den Tresen ansteuern, sich ebenda mit Grazie hinzuhängen; und Petra rief ihm, Kurtchen, was ins Ohr, er beugte sich, die Bierflasche akkurat vor der Brust, hinunter und ließ sich das, was er nicht verstanden hatte, wiederholen, verstand es im­mer noch nicht und nickte dann einfach, es würde schon passen; und sie verschwand, und als sie wiederkehrte, wunderte er sich, daß es ihm nicht ge­lungen sein sollte, Tequila aus dem Lärm zu filtern. Petra reichte ihm das Glas, es war, überraschend genug, sogar brauner Tequila, und als sie die Hand frei hatte, griff sie in die Hosentasche und kramte ein Streuglas Zimt hervor, und Kurtchen ließ den Gedanken, die Tresenoma habe es to go her­ausgerückt, erst gar nicht zu, warum sollte denn nicht immer alles einfach da sein, nicht wie bei ihm am Frühstückstisch, wo erst die Butter fehlte, dann das Messer für die Butter und dann das Salz zum Ei. Jetzt hatte er rechts das Bier und links das Glas, und er trank das Bier weg und ging in die Knie und stellte es auf den Boden

Irgendwann ist es vorbei
Und im Himmel wird Platz für uns zwei
Doch dein Stern bleibt oben für immer und ewig stehn

und kehrte zurück, und weil das Glas in der Linken stak, hatte er mit rechts leichten Zugriff auf den Orangenschnitz, sogar das paßte ohne weiteres; und Petra hielt sich gar nicht auf, sog und kippte, und er tat es nach, mit links

Und auch noch in 1000 Jahren
Wird er deinen Namen tragen
Und immer noch der schönste von allen sein

und Oma steckte sich eine neue Zigarette an, und Kurtchen nahm Petra das Glas aus der Hand und holte nach. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (109)

(Was bisher geschah)

Zwei Stationen weiter zog Petra Kurtchen aus dem Waggon, der Teil der jungen Krachmacher, der das klassische Vergnügen aus Alkohol und Tre­senrandale den Großdiskotheken vorzog, tat es ihnen gleich, und im Strom der aufgepeitschten Aspiranten liefen sie um Ecken, die Kurtchen zwar kannte, bei Nacht aber nie angesteuert hätte; dabei wohnte er doch hier. Vielleicht war das der Grund.

Dankbar, neugierig und ein bißchen ängstlich lief Kurtchen hinter Petra her, bemüht um das Air eines Mannes, der sich nicht treiben läßt, sondern im Ge­gensatz zu allen anderen genau weiß, wo das zu finden ist, was juvenile Rei­seführer Insidertips nennen; und verschwand so schnell mit ihr in einem Hauseingang, daß er nicht einmal wußte, wo er sich befand, als er vor einem resopalbewehrten Tresen, der in einem überaus blauen Licht badete, zu ste­hen kam und Petra dabei zusah, wie sie bei einer wasserstoffbombenblon­den, möglicherweise bereits im Rentenalter befindlichen Servierkraft mut­maßlich Getränke orderte.

Kurtchen ließ die Hände in den Taschen und fürchtete gewohnheitsmäßig, man sehe es ihm an, wie wenig er den Eindruck hatte, hier am Platze zu sein; aber das war Unsinn. Kein Mensch interessierte sich für ihn, es war auch viel zu dunkel; Menschen unbestimmbaren Alters standen oder taumelten in den Ecken herum, die Tische – altes, schweres Kneipenmobiliar – waren leer, weil es entweder immer noch zu früh war oder die Tische nur pro forma standen, um gutbürgerliche Gastlichkeit zu simulieren, wo es doch darum ging, die verlorene oder soeben verschwindende Bürgerlichkeit vergessen zu machen. Musik stampfte, ein simpler deutscher Text, und wieder überfiel Kurtchen eine Erinnerung; er lächelte. Es fiel ihm erst gar nicht auf. 

Er tat ein paar plänkelnde Schritte Richtung Tresen, Petra kam ihm, zwei Bierflaschen in der Hand, entgegen, sie stießen wortlos an.

"Ich weiß gar nicht, wann ich hier zum letztenmal war", sagte sie fröhlich und sah sich um, als erwarte sie, alte Bekannte zu treffen. Kurtchen wunderte sich gar nicht, er verstand sehr gut, was einen in diese Art Kneipe zog: Sie war ironisch, weil sie nicht ironisch war, wo doch alles immer bloß iro­nisch war. Wer hier trank, der trank, nichts weiter. Diese freundliche, gera­dezu wohltuende Achtlosigkeit: was unbedingt zu einer Kneipe gehörte, war drin, sonst nichts; eine Schwundstufe von vornherein; verdämmern­des, nacktes Leben, das sich selbst genügte, weil es keine Wahl hatte. Es war nur folgerichtig, daß man sich hier betrinken wollte, und was immer die Fra­ge gewesen sein mochte, die Antwort stand alt, geschminkt und rauchend hinter dem Tresen und lautete: deshalb. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochend-Fortsetzungsroman (108)

(Was bisher geschah)

Am Hansi-Hinterseer-Platz, dachte Kurtchen, nannte aber doch seine Heimatstation.

Er schwieg und wartete, denn es war, wie er nicht ohne Erleichterung merkte, jetzt nicht an ihm, noch eine Schippe draufzulegen, jedenfalls dann nicht, wenn man, wie er, ein Ende des Abends zum jetzigen Zeitpunkt für akzeptabel hielt. Das hieß nicht automatisch, daß man ein solches Ende ausdrücklich begrüßte; und tatsächlich beruhte die Akzeptanz eines solchen Endes unter anderem auf dem Gefühl der sachten Enttäu­schung, das ja durchaus eines sein kann, mit dem sich ganze Nächte bestreiten lassen; und er konnte dann allenfalls über den Gedanken straucheln, was diese Akzeptanz für sein Leben im ganzen bedeutete und würde dann klären müssen, ob er, endlich und schließlich, in die kristallfrischen Höhen der Altersweisheit aufgestiegen war, wo alles kam, wie es eben kam, und keine Frage, die das Leben aufwarf, unbeantwortet blieb, eben deshalb, weil man sie beantworten konnte, wie man wollte, und immer war es prima; oder ob er, aus Feigheit oder Bequemlichkeit, bloß keine Lust hatte herauszufinden, wie sich die Probleme, die er hatte, zu denen verhielten, die er vielleicht bekäme, wenn er, statt beim Wichsen einzuschlafen, morgen nicht alleine aufwachte.

Petra schwieg immer noch, als wolle sie Kurtchen und sein neues Konzept des Whatever auf Belastbarkeit prüfen, und Kurtchen überlegte, wo Petra eigentlich wohnte und ob die Tatsache, daß sie immer noch neben ihm saß, schon den Entschluß bedeutete, die lahme Figur, die sie aus dem trüben Trinkerkreis zwecks weiterer Verwendung losgeeist hatte, zum Jagen zu tragen. Am Ende waren sie Nachbarn, und Kurtchen tadelte sich dafür, wie wenig ihm dieser Gedanke gefiel.

Sie waren bereits in der Stadt, noch mehr Jungerwachsene, die zu den Diskotheken im Osten wollten, waren zugestiegen, und Kurtchen genoß jetzt seine Erleichterung: Ihr müßt Spaß haben, ich darf ins Bett, in welches immer; und eh er sich's recht versah, riß er das Ruder doch wieder an sich, weil es ihm allzu armselig vorkam, Petra allein vor dieser Amüsierhorde zurückzulassen oder, wahrscheinlicher, von ihr davor zurückgelassen zu werden. Auch die Entscheidung, keine Entscheidung zu fällen, war halt eine; es half da alles nichts.

"Ich müßte die übernächste raus", sagte er. "Sollen wir noch...?" Er hob die Hände, Handflächen nach oben. Whatever.

"Und wohin? Noch mal zu Henner?" Es war ihr nicht anzumerken, ob sie überrascht war oder nicht.

"Da hätten wir eben aussteigen müssen", wandte Kurtchen ein, der auf die Öffentlichkeit der Extra Bar aber auch keine Lust hatte, sie geradezu fürchtete.

"Ich weiß was", sagte Petra. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (107)

(Was bisher geschah)

Er war sich sicher, daß seine zweite geschiedene Frau nicht seinetwegen die S-Bahn genommen hatte (und zwar zwischen zwei Bahnhöfen; Kurtchen ak­zeptierte seinen schalen Zynismus, es wußte ja keiner); schließlich war sie es gewesen, die für die Scheidung gewesen war. Nein – und er blickte ins Fens­ter, wo er als graublauer Fleck auf hellem, irrealem Hintergrund ein phantastisches Doppelleben führte –: sie waren übereingekommen, die Sache zu beenden, am Ende eines Abends, als sie noch einmal versucht hat­ten, ihren ehelichen Pflichten auf eine Weise nachzukommen, die keine Par­tei gedemütigt und ratlos zurückließ; und wie gerade die unwillkommenen Gedanken sich um den Türsteher nicht scheren, sah er sich, kurioserweise von oben, mit nacktem, sich leicht und regelmäßig nordwärts verschieben­dem Rücken arbeiten und war wieder der, der sicher wußte, daß das nichts mehr werden würde, wie lang er auch weiterpumpte; und der aber weiterge­macht hatte, weil er Zeit für die Überlegung brauchte, ob es nicht allzu ent­setzlich sei, diese Ehe mit einem vorgetäuschten Orgasmus zu beenden; zu­mal seinem ersten. Wie Ulrike sich verhalten hatte, ob sie Geräusche ge­macht oder gelangweilt an die Decke geschaut hatte, er wußte es nicht mehr; wenn er es je gewußt hatte.

Petra schwieg auf eine Weise, die Kurtchen abweisend vorkam, aber er beru­higte sich damit, daß man einen Selbstmord, selbst einen fremden, nicht übergeht wie ein verlorenes Fußballspiel oder die Erinnerung an ein geschei­tertes Familienweihnachten; und sah wieder nach links, verlegen, aber auch ein bißchen stolz auf seine gebrochene Beziehungsbiographie. Er kam sich sehr erwachsen vor, aber auch literarisch, irgendwie.

Petra sah in den Waggon hinein, durch die juvenilen Party- und Krachma­cher hindurch, geradezu verbissen, als wären sie ein Paar und hätten sich ge­stritten; und der Gedanke machte Kurtchen melancholisch, einerseits. Aber er prüfte auch die Möglichkeit, ob das nicht der plausibelste Abschluß des Abends wäre: Was immer sie in ihm gesehen hatte, sie hatte sich getäuscht, und sie dachte nicht mehr daran, die Nachfolgerin einer Frau zu werden, die aus der Verbindung mit ihm, Kurtchen, ihre ganz eigenen Konsequenzen ge­zogen hatte. Und er bliebe allein mit sich und seinem Leben, wie es nun ein­mal war, und er würde klempnern und Bier trinken und abends Hansi Hinter­seer gucken, den er heimlich bewunderte dafür, daß er tatsächlich immer der war, als der er wahrgenommen wurde. Hansi Hinterseer war immer derselbe, ein völlig kongruenter Mensch, er mußte glücklich sein und sah auch so aus. Fabelhaft.

"Wo steigst du aus?" fragte Petra. (wird fortgesetzt)

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Glanz und Elend des Kurtchen Sahne. Ein Wochenend-Fortsetzungsroman (106)

(Was bisher geschah)

"Eher Doofheit", sagte Kurtchen. "Ich dachte, wenn man so gut wie keine gemeinsamen Interessen hat, einen völlig anderen Musikgeschmack und auch politisch völlig über Kreuz liegt, setzt man sich nicht der Gefahr aus, als Adler zu starten und als Ente zu landen. Dann hat man die Ansprüche erst gar nicht, über deren Nichterfüllung man sich dann jahrelang beschweren kann."

"Als was bist du denn gelandet?"
"Als Suppenhuhn. Ich sagte ja, war ein dummer Gedanke."

"Und beim zweitenmal?"

"Dasselbe noch mal. Ich wollte sichergehen, daß nicht vielleicht der Gedanke gut war, aber die Frau nicht dazu paßte."

Petra sah nicht ohne Zweifel drein, was Kurtchen verstand, er konnte es ja selbst kaum glauben.

"Und nun? Versuchst du's zur Abwechslung mal mit Anspruch?" Das klang schon wieder kokett, aber Kurtchen hatte die Lust verloren, deswegen Manschetten zu kriegen, was sollte das denn immer.

"Eher mit Abstinenz." Schwer zu entscheiden, ob das entweder eine besonders ausgefuchste oder unerhört idiotische Antwort war; Kurtchen versuchte es erst gar nicht.

"Mit Abstinenz." Petra schien genauso ratlos.

Kurtchen machte eine nonchalante Geste; die evidente Halb- und Unbestimmtheit ihres Miteinanders begann ihm Spaß zu machen, er durfte es bloß nicht übertreiben. Er hatte keine Schwierigkeiten damit, nachher allein ins Bett zu gehen, der Tag war schließlich aufregend genug gewesen; aber er wollte es mit einer Perspektive tun und nicht mit dem Gefühl, etwas vergeigt zu haben.

"Na ja. Sagen wir: Mit Abstinenz von der Ehe. Maximal einmal noch, aber erst nach langer Prüfung."

Petra lächelte, und Kurtchen bildete sich ein: erleichtert.

"Dreimal verheiratet", sagte sie, zog die Beine ein und setzte sich aufrecht, wiederum auf die Hände, "das ginge ja auch eben noch. Vier- oder fünfmal, das ist peinlich. Bei dreimal kann man denken, okay, einmal vertan, und die zweite ist gestorben ..."

"Ist sie auch."

"Na guck." Petra brauchte einen Moment. "Nee. Ist sie wirklich...?"

"Selbstmord", sagte Kurtchen, dem bewußt war, daß er in einer etwas weniger aufgeladenen Situation zu klären gehabt hätte, ob das nun als Akkuratesse durchging oder als Wichtigtuerei zum Schämen war. "Und nein", dieselbe Frage, dieselbe Entschuldigung, "nicht meinetwegen. Jedenfalls weiß ich nichts davon. Oder verdränge es. Können wir das überspringen?"

"Klar", sagte Petra, und sie sagte es so lieb, daß Kurtchen sich dafür schämte, Ulrike, deren Abwesenheit er durchaus nicht bedauerte, eingespannt zu haben. (wird fortgesetzt)

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Bonjour, Marine Le Pen!

Bonjour, Marine Le Pen!

Das Potsdamer Treffen der AfD mit anderen extremen Rechten war selbst Ihnen zu heftig: Sie seien nie für eine »Remigration« in dem Sinne gewesen, dass Französinnen und Franzosen ihre Nationalität entzogen würde, selbst wenn die Einbürgerung unter fragwürdigen Bedingungen geschehen sei, meinten Sie und fügten hinzu: »Ich denke also, dass wir, wenn es denn so ist, eine krasse Meinungsverschiedenheit mit der AfD haben.«

Keine Ahnung, Le Pen, ob Sie mit dieser Haltung eine Chance aufs französische Präsidentenamt haben. Ministerpräsidentin von Thüringen würden Sie mit diesem Weichei-Schlingerkurs aber ganz sicher nicht!

Schon ein bisschen enttäuscht: Titanic

 Einfach mal kreativ sein, Rishi Sunak!

Der BBC sagten Sie: »Ich bin nicht sicher, ob sich die Leute so sehr für meine Ernährung interessieren, aber ich versuche, zu Beginn jeder Woche etwas zu fasten.« Wir glauben, dass Ihre Unsicherheit berechtigt ist: An Ihren Beliebtheitswerten kann man ablesen, dass sich das Interesse an Ihren Gewohnheiten in Grenzen hält.

Das ließe sich aber leicht ändern: Bei den ganzen verschiedenen Varianten wie TV-, Auto- und Plastikfasten gäbe es bestimmt auch für Sie etwas, durch das Sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit »eight days a week« auf sich zögen. Wie wäre es z. B. mit Abschiebungsfasten, Verbrennerverbotverzögerungsfasten oder Zweiteamtszeitfasten?

Nur dass Sie gerade beim Thema »Neuwahlen« dem Verzicht huldigen, sollten Sie nach Ansicht der Mehrheit Ihrer Landsleute schleunigst ändern. Zwischendurch kann man sich doch auch ruhig mal was gönnen, oder?

Mampft Ihre Scones mit Clotted Cream und reichlich Marmelade gleich mit: Titanic

 Na, na, na, welt.de!

»Warum ›Barbie‹ klüger ist als alle anderen nominierten Filme zusammen«, titeltest Du in Deinem Feuilleton bezüglich der diesjährigen Oscar-Kandidaten. Allein: Wir haben noch mal den Taschenrechner gezückt, und wenn man auch die Dokumentar-, Kurz- und Dokumentarkurzfilme berücksichtigt, sind alle anderen nominierten Filme zusammen exakt 1,76 Klugheitspunkte klüger als »Barbie«.

Welches Medium dümmer ist als alle anderen Medien zusammen, braucht hingegen nicht nachzurechnen: Titanic

 Moin, Hamburger Craft-Brauerei ÜberQuell!

Dein Firmenname zeugt ja bereits von überschäumender Wortspiellust, aber so richtig freidrehend auf die Kacke haust Du erst bei den Bezeichnungen Deiner einzelnen Biersorten: Die heißen nämlich zum Beispiel »Supadupa IPA«, »Palim Palim Pale Ale«, »Pille Palle Alkoholfreies Ale« oder sogar »Franzbrewtchen Imperial Pastry Brown Ale«. Auweia!

Gerade bei Letzterem, das außerhalb Hamburgs von vielen gar nicht zu entschlüsseln sein dürfte, mussten wir, obschon viel gewohnt, dann doch schlucken, weil uns allein der Name innerhalb von Sekunden pappsatt und sturzbetrunken machte. Er erschien uns einfach zu brewtal, fast schon brauenhaft! Auf Dein Bier haben wir dann lieber verzichtet.

Aus der Ausnüchterungszelle grüßt trotzdem: Titanic

 Dir, Tod,

gefiel es im Jahr 2010, im Abstand von einem Tag Bärbel Bohley (11. September) und Claude Chabrol (12. September) abzuberufen, worauf wir damals in unserer Online-Rubrik »Fakt vs. Frage« scharfsinnig spekulierten, als Nächstes treffe es nun wohl Dieter Dehm, Erhard Eppler und Frank Farian. Knapp daneben! Denn Frank Farian holtest Du erst dieses Jahr, am 23. Januar – nicht ohne vorher noch die Büchnerpreisträgerin Elke Erb (22. Januar) abzuräumen.

Und langsam durchschauen wir Dich, Gevatter: A darf leben, B und C müssen sterben; D darf leben, E und F müssen sterben …

Um es kurz zu machen: Gundula Gause ist, trotz ihres boulevardmedial großflächig breitgetretenen Schwächeanfalls vom Dezember (Bild: »total unnötig«, »hätte mich krankmelden sollen«), fürs Erste fein raus, während Heimatsänger Hansi Hinterseer und Malertochter Ida Immendorff sich lieber schon mal das letzte Hemd anziehen sollten. Stimmt’s?

Gruselt sich vor der Antwort: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Und das Brot erst!

Einen Krankenwagen rufen, ohne sich in Schulden zu stürzen, mehr Urlaubs- als Arbeitstage, Bier zum Frühstück: Deutschland ist toll. Mit solchen Takes können US-amerikanische Influencerinnen hierzulande natürlich punkten. Aber betreiben sie damit nicht einfach nur billiges Kraut-Pleasing?

Alexander Grupe

 Authentisch

Jedes Mal, wenn mir ein bekennender Feinschmecker erklären will, wie aufwendig ein echt italienisches Risotto zubereitet gehört, habe ich das Gefühl, es würde stundenlang um den heißen Brei herumgeredet!

Mark-Stefan Tietze

 Nach Explosion in der Molkerei

Alles in Butter.

Loreen Bauer

 Pandemisches Passionsspiel

Die Erfahrungen aus der Coronazeit wirken teils immer noch nach. So fragt man sich heute bei der Ostergeschichte: Hat Pontius Pilatus, als er seine Hände in Unschuld wusch, dabei zweimal »Happy Birthday« gesungen?

Jürgen Miedl

 Lauf, Junge!

Die Ordner bei einem Fußballspiel würden sich wesentlich mehr Mühe geben, wenn sie bei der Jagd nach dem Flitzer auch nackt sein müssten.

Rick Nikolaizig

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
21.03.2024 Bamberg, Konzerthalle Martin Sonneborn
21.03.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
22.03.2024 Bayreuth, Zentrum Martin Sonneborn
22.03.2024 Winterthur, Bistro Alte Kaserne »Der Unsinn des Lebens« mit Pause ohne Ende