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What Iff…?
Bruno Ganz ist tot. Er war Träger des verzauberten Iffland-Rings, Insignie des größten lebenden Schauspielers deutscher Zunge (okay, und schweizerischer). Die Geschichte des Rings ist lang und konfus. Klar ist nur: Der nächste Träger muss sich schon jetzt warm anziehen, denn es ist Februar.
Der Iffland-Ring gilt als berühmteste Auszeichnung der deutschen Bühnenwelt, auch wenn Sie Banause noch nie davon gehört haben. Benannt ist das Kleinod nach dem Sturm-und-Drang-Schauspieler August Wilhelm "Poison Iffy" Iffland, der seine Premiere als Franz Moor in Goethes Räuberpistole "Hamlet" feierte. Iffland soll den Ring bei einer geplatzten Hochzeit erstanden haben – angeblich zum Spottpreis, denn das gute Stück besteht zu 100 Prozent aus Blech und Lötzinn, verziert mit Kieselsteinen aus falschem Kiesel. Weil aber Iffland ein wirklich sehr guter Schauspieler war, glaubte ihm jeder, dass sein Ring wunder wie wertvoll sei; eine Legende war geboren, und sämtliche Schauspielerkollegen rissen sich darum. So einfach geht das manchmal.
Im Laufe der Jahrhunderte erlebte der Ring viele Abenteuer. Einmal rollte er vom Schreibtisch herunter unters Sofa. Für ein paar Jahre lag ein Fluch auf ihm, den man erst mit einem guten Fluchreiniger wieder wegbekam. Dann klaute ihn Alberich, und ab 1911 besaß ihn der Mime Albert Bassermann, dem seine drei vorgesehenen Erben vorzeitig wegstarben (Alexander Girardi, Max Pallenberg und noch ein Dritter, Sie kennen die Leute ja ohnehin nicht). Nach dem Tod des NS-Gegners und Emigranten Bassermann, der ohne Letztverfügung starb, beschloss der immer zu Späßen aufgelegte Verband deutscher Schauspieler 1959, den Ring ausgerechnet dem Schwernazi Werner Krauß ("Jud Süß") zuzuschieben; Krauß wiederum bestimmte in seinem Testament, dass "derjenige, dem die einfühlsamste Darstellung des traurigen Clowns Hitler" gelänge, "den Ring erhalten solle". Tusch; Auftritt Bruno Ganz.
Stolz wie Bolle: Bruno Ganz posiert mit seinem Iffland-Ring
Aber wie geht es weiter – jetzt, wo Ganz tot ist? In der Fachwelt hat das Rätselraten über einen Nachfolger bereits begonnen. Bridget Stanislawski, Theaterexpertin aus Fulda, rechnet mit einer Überraschung. "Die Welt wird staunen!" ruft sie. "Inklusive mir. Denn ich habe keine Ahnung, wer den Ring kriegt!" Stanislawski wirft den Kopf in den Nacken, stemmt die Hände in die Hüften und lacht schallend über ihren gelungenen Witz. Dann senkt sie plötzlich die Stimme, winkt uns heran, äugt nach links und rechts und neigt sich flüsternd über den Schreibtisch: "Lars Eidinger. Klaus Maria Brandauer. Dieter Hallervorden. Das sind so Namen." Stanislawski packt uns am Kragen, ihre Augen treten hervor: "Denn niemand weiß, wie Bruno Ganz entschieden hat! Niemand! War er seiner Aufgabe überhaupt gewachsen? Schauspieler sind ja psychisch nicht die Allerstabilsten!" Gerüchten zufolge habe Ganz ständig an seiner Entscheidung gezweifelt. Noch bei den Dreharbeiten zu 'Der Untergang', schwer beeinträchtigt durch seine Rolle, soll er sein Testament geändert haben: "Es ist mein Wille, dass nach meinem Tode Reichsadmiral Dönitz den Iffland-Ring erhält. Sieg Heil!" Stanislawski ringt die Hände: "Dönitz! Ausgerechnet diese Knallcharge! Statt des großartig talentierten Albert Speer!" Tränen rinnen ihr über die Wangen, ihre Aussprache ist feucht.
Wir verlassen die Wahnsinnige. "Bierbichler!" gellt es uns nach. "Merken Sie sich den Namen! Sieht genauso aus wie Bruno Ganz! Kriegt den Ring! Josef Bierbichler!" Wen Bruno Ganz wirklich erwählt hat, wird sich erst nach seinem Begräbnis zeigen. Klar ist nur eines: Es wird keine Frau sein, denn Frauen sind von der Nachfolge traditionell ausgeschlossen. Anders übrigens als Tierdarsteller, Marionettenfiguren oder Sockenpuppen. Bleibt zu hoffen, dass Ganz alles richtig geregelt hat. Ist nämlich kein geeigneter Kandidat angekreuzt, fällt der Ring zurück an den Vorbesitzer, einen gewissen Herrn Meinrad. Falls dieser tot ist, kommt der Vor-Vorbesitzer zum Zug usw., so dass der Ring letztendlich wieder bei Wilhelm August Iffland landen könnte. Ob der alte Herr aber überhaupt noch zum Briefkasten geht? Ob sich die Geschichte des Rings damit zum Ring ründet? Die Wahrheit ist manchmal spannender als jede Realität. Wir wünschen: Toi, toi, toi.
Michael Ziegelwagner