T.O.N. – Die Kolumnisten
Die Ich-Maschine
von Sascha Lobo
Was in der Debatte über die Zukunft des Internet oft vergessen wird: Es sind Menschen, die dem Internet sein Gesicht – manche sagen auch: seine Hackfresse – geben. Es sind dies nicht irgendwelche banalen 9-to-5-Menschen, sondern schrille, unangenehme Aufsteigertypen mit enorm dickem Fell und der Fähigkeit zu polarisieren, kurzum: Menschen wie ich.
In aktuellen Marketingkonzepten steht der Mensch im Mittelpunkt – nicht das Tier, nicht die Maschine. Oder würden Sie diesen Text hier lesen wollen, wenn er von einer Maschine geschrieben worden wäre? Natürlich nicht! Piep tüüt krr-krr-krr! Sie lesen ihn, weil er von einem Menschen geschrieben wurde – einem Menschen mit Fehlern und Schwächen, zum Teil sogar erheblichen Schwächen, z.B. im Schreiben von Romanen. Aber auch sonst im Schreiben – krrrrkkk! Brizzel-brizzel!
Als Mensch habe ich Gefühle wie jeder andere Mensch auch: Selbstliebe, Gefallsucht, Haß. Knorz! Knirsch! Knatter! Denn unter meiner rauhen, stacheligen Schale bin ich verletzlich und sensibel, mag zum Beispiel gar nicht, wenn mein Marktwert, meine Marke, meine lukrative Stellung als Paradiesvogel der Bloggerszene beschädigt werden. Ratter ratter ratter! Von daher bin ich schon etwas beleidigt, wenn man mir draußen in den Blogs das Menschsein abspricht, mich als seelenlose Marketingmaschine mit Arschfrisur beschimpft. Quietsch jaul tüüüüüüt! Meinen Kritikern sage ich: Geht halt etwas heiterer, leichter, verspielter mit mir um, so wie ich selber auch! Es ist doch auf Erden sowieso alles ganz eitel (Prediger, 1.2), alles nur Twitter und Tand. Fiep-fiep surr! Ich meine es doch zum Teil auch alles gar nicht so, muß es bloß hinschreiben, weil man mich dafür bezahlt! Genau wie der rote Iro – ist doch nur ein postmoderner Witz bzw. geldwerter Markenkern!
Apropos: Kaufen Sie bitte schnell meinen im September erschienenen Debütroman. Denn jetzt ist er noch 18,95€ wert. Schon in wenigen Wochen aber wird er in großen Mengen auf die Grabbeltische der Republik geschüttet – ja, da hat der Verlag vielleicht meine Popularität ein bißchen überschätzt –, dann ist er nur noch 2,99€ wert. Danke. Ende. Krrrrk krrrk krrrk.
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