TITANIC Thinktank – Ein Aschermittwochsgespräch mit Peter Sloterdijk
TITANIC: Herr Sloterdijk, die tollen Tage sind vorbei. Die Fastenzeit beginnt.
Sloterdijk: Aber der tolle Peter fastet keineswegs, wie Sie ja am stolzen Denkerbäuchlein sehen. Statt dessen arbeitet er, also ich, an einem theoretisch-erotischen Werk, also gleichsam an einer Therotik, in der er das, was er in seinem Schelling-Projekt mit eher literarischen Mitteln betrieb, auf theoretischer Ebene fortsetzen möchte. Theorie hier verstanden als eine theoría neuen Typs, nämlich als ein Hinsehen, das es nicht beim reinen Anschauen beläßt, sondern das ursprüngliche Staunen, von dem Heidegger irgendwo spricht, auf ein Anfassen hin überschreitet.
TITANIC: Klingt irgendwie übergriffig.
Sloterdijk: Aber auch geil, oder? Und kann bei einem Denker, der einst ein Buch mit dem Titel "Blasen" veröffentlichte, nicht ernstlich verwundern. Ich habe meine Wurzeln nie verleugnet und gehörte im übrigen in den achtziger Jahren zu den ersten deutschen Interpreten, denen klar war, was Foucault meinte, wenn er über "Wurzeln" sprach. Oder über den "Wald", in dem man sich versteckt. Ganz zu schweigen von dem "Ast", auf dem der Päder-ast Foucault ...
TITANIC: Herr Sloterdijk! Wir möchten über Philosophie sprechen.
Sloterdijk: Tun wir doch! Das Funkenmariechen unter meinen philosophischen Vorbildern, Jacques Derrida, hat einmal darauf hingewiesen, daß Anführungszeichen im allgemeinen wie kleine Wäscheklammern funktionieren, die die Kleider auf Distanz halten, ohne sie wirklich zu berühren. Was er dabei übersehen hat, ist, daß man Wäscheklammern auch zu völlig anders gearteten Zwecken gebrauchen, also mißbrauchen, also mißbrauchend verbrauchen kann. Wenn ich einmal ganz kurz diese Wäscheklammer, die ich, rein zufällig natürlich, mit mir führe, an Ihre linke Brustwarze ...
TITANIC: AUUU!
Sloterdijk: Jaa, schreien Sie Ihren Schmerz heraus. Philosophie muß, der Kritischen Theorie zufolge, dahin gehen, wo es weh tut. Deshalb nannte sich deren exponiertester Vertreter ja auch Theodor Weh Adorno ... Tolles Wortspiel, oder? Ist mir soeben in Echtzeit eingefallen. Ich notiere das gleich mal. T wie Theodor, h wie Husserl, e wie Epistemologie im Sinne Bachelards – da sehe ich gerade: In "Not-tiere" verbirgt sich ja ebenfalls ein brillantes Wortspiel. Die Not der Tiere bemerkt nur der, der notiert, sich also Notizen macht. In dekonstruktivistischer Lesart sind Notizen aber freilich jene Novizen, die sich arglos auf ein Rendezvous mit Foucault einließen. Oder auch auf ein Interview mit mir. Schalten Sie mal das Aufnahmegerät ab, junger Mann, und machen Sie sich frei. Ich habe, rein zufällig natürlich, noch ein paar Dutzend weitere Wäscheklammern ...
TITANIC: HILFEEEEE!
Professor Dr. Julian Nida-Rümelin: Hat mich jemand gerufen? Steckt irgendwer in einem Gefangenendilemma?
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