Meditation und Markt mit Dax Werner
Der SPD-Code
SPD-Urgestein und Millenial-Versteher Christopher Lauer hat damit gedroht, sich für den SPD-Parteivorsitz zu bewerben. Ich habe den entsprechenden Tweet natürlich sofort gemeldet ("Fällt unter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz"), denn das kann nun wirklich kein vernünftiger Mensch auf der Welt wollen, und vielleicht bin ich über die Sache mit den Rocker Beans letzte Woche demütig geworden, aber: Lauer, das hat selbst die SPD nicht verdient. Der Tweet steht zu meinem Ärger immer noch für alle lesbar im Internet, aber er hat mich auf einen sehr, sehr interessanten Gedanken gebracht.
Und zwar ist die Innovation, die es jetzt in der SPD braucht, eine völlig andere. Und ich glaube, ich habe gestern Nacht genau die Innovation geträumt, die die SPD noch retten könnte. Die Rede ist von der vollautomatisierten Sozialdemokratie: der SPD-Code. Oder, etwas geiler: die SPD 4.0. Das Konzept hinter diesen scharfen Catchphrases ist denkbar einfach: Man muss die Partei endlich vom Ballast ihres Spitzenpersonals befreien – und durch einen coolen Algorithmus ersetzen: Hashtag vollautmatisierte Partei. Und wenn man Kevin Kühnert und Lars Klingbeil und so weiter genau zuhört, ist der Plan sogar genau auf ihrer Linie: Denn schließlich fordern die Spitzenvertreter der SPD ja schon lange ein Ende der Personaldebatten und eine Rückkehr zur Sacharbeit. Was könnte nun mehr Sacharbeit sein, als ein komplett menschenleeres Willy-Brandt-Haus, in dem nur noch unten im Serverraum Licht brennt und wo dann 24/7 coole sozialdemokratische Sachen wie Mindestlohn ausgerechnet werden? Traumschön.
Ich höre die Fragezeichen an euren Endgeräten und ich möchte laut rufen: Ja, warum denn nicht? Nichts ist mehr unmöglich in einer Zeit, in der Ihre-Nazi-Opas-abfeiernde Konservative wie Friedrich Merz erst das gesamte bisherige 21. Jahrhundert damit zubringen, bei Cum-Ex-Geschäften geil abzukassieren und dann, im Herbst 2018, wieder aus der Versenkung auftauchen, um uns – warum auch immer – in so ein ausgedachtes 20.-Jahrhundert-Deutschland reinzumanövrieren.
Da müssen wir gegenhalten, Leute. Und zwar mit purer Rechenpower. Moderne Hochleistungsrechner sind schon heute in der Lage, jedes Börsenparkett der Welt aus nichtigen Gründen in den Keller zu ficken, z.B. weil die vorherrschende Stimmung in der täglichen Gefühlsumfrage auf "Zeit"-online mal wieder "merkelgenervt" ist oder weil auf Twitter ein Heiko Maas-Meme trendet.
Erobern wir uns die Technik zurück! Die Vorteile der SPD 4.0 liegen auf der Hand: Codes machen kein Cash mit merkwürdigen Nebentätigkeiten ("Hups, die gehörten echt zu RWE?") und organisieren sich auch nicht in irgendwelchen gruseligen Seeheimer Kreisen. Das allergeilste am SPD Code ist aber, dass Bots nicht hilflos – komme was wolle - an ihren Posten klammern, bloß weil sie partout nicht wissen, wie es nach der Partei überhaupt weitergehen soll.
Sogar ein Comeback des einstigen SPD-Schwergewichts Sigmar Gabriel wäre dann wieder denkbar, natürlich nur als Hologramm, so dass er von nun an gleichzeitig auf 28 Stadtfesten und Bierzelten performen kann, während er in Wahrheit – wie der Autor dieser Kolumne – Text um Text in sein Smartphone diktiert, um auf die 15 bis 30 Tausend Euro pro Monat von Holtzbrinck zu kommen.
Lasst uns Thilo Sarrazin, den alten Sozen-Klapskalli, neudenken: Nicht ein Land, aber eine Partei schafft sich ab. Und träumt sich neu, als Code. Wird die Sozialdemokratie so endlich wieder sexy und erfolgreich? Ich weiß es nicht, aber wahrscheinlich eher nicht. Sollten wir es trotzdem ausprobieren? Unbedingt. Wie viele Fragen kann man sich im letzten Absatz selber stellen und beantworten, um auf möglichst viele Zeichen zu kommen? Bei drei sollte Schluss sein.
Packen wir's an, Genossen. Irgendwie.
Euer Dax
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