TITANIC Gold-Artikel

Machtwort mit 100 PS

Wie Deutschlands kultigster Zeitschriftenmogul den Freistaat Bayern aufmischen will

Langsam werden wir ungeduldig. Schon seit zwanzig Minuten sitzen wir zwischen Türmen aus Aktenordnern, Instantkartoffelbrei-Packungen und Büchern, hauptsächlich diese Pappattrappen aus dem Möbelhaus. Für Punkt 10 Uhr hatte sich Helmut Markwort zum Interviewtermin in seinem Haus am Starnberger See angekündigt. Doch noch ist nichts zu vernehmen von ihm, dem berühmten Medienmann. Dann, draußen: ein drohendes Brummen, stetig lauter werdend, als würde sich ein außer Kontrolle geratener Renault Master dem Markwortschen Anwesen nähern. R-U-M-M-S-! bricht schließlich ein außer Kontrolle geratener Renault Master durch die Wand und überschlägt sich mitten im Wohnzimmer. Hustend, aber wohlauf schält sich ein grinsender Markwort aus dem Wrack und zupft sich Schuttreste aus der massiven Fönfrisur. "'In Ihrem Alter sollten Sie keine Kraftfahrzeuge mehr führen', haben sie gesagt", brummelt das staubübersäte bayerische Urviech. "'Sie sollten überhaupt nicht das Haus verlassen', haben sie gesagt. 'Und wenn Sie Ihre Tabletten ins Klo schmeißen, müssen wir Sie wieder festbinden', haben sie gesagt. Aber ich habe gesagt: Geht's scheißen, ich muss auf Tour!" 

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Helmut Markwort, ehemaliger Chefredakteur des "Focus" und bis heute dessen Herausgeber, ist 81 Jahre alt und will es noch einmal wissen. Die Tour, von der er redet, ist seine Wahlkampftour, und durchführen tut er sie mit seinem eigenen, knallgelben PR-Wagen, dem "Faktomobil". "Ganz recht, ich möchte für die FDP in den Bayerischen Landtag einziehen, notfalls indem ich mit der getunten Karre pfeilgerad in den Plenarsaal brettere!" Der Blattmacher, der sich als Darsteller in Sexstreifen wie "Alphornsolo im Saunaclub", "Haustermin bei Oma Bums" und "Zeitbombe Altersvorsorge" einen Namen gemacht hat, zeigt längst keine Scheu mehr vorm Kontakt mit dem einfachen Volk. "Ich habe jahrelang an bierseligen Diskussionsrunden mit richtigen Plebejern teilgenommen. Dass diese Sonntags-Stammtische live im BR-Fernsehen übertragen wurden, habe ich erst ganz am Ende herausgefunden!" Begegne er allzu aufmüpfigen Wählerinnen und Wählern, bleibe ihm immer noch die Flucht nach vorn, in die Fahrerkabine: "Notfalls 'verwechsle' ich dann eben mal Brems- und Gaspedal, hähä."

Wahlkampf auf Rädern, das hat bei den Liberalen Tradition: Walter Scheel auf dem gelben Wagen, Guido Westerwelle mit seinem Guidomobil, Jürgen Möllemann im Leichenwagen, und jetzt Helmut Markwort am Steuer des, man muss es wieder und wieder hinschreiben, "Faktomobils". Sollte der 1936 Geborene, der für den Landkreis München Süd kandidiert, in den Landtag gewählt werden, wäre er dessen Alterspräsident, eine Funktion, die aufgrund einer obskuren Klausel in der Bayerischen Verfassung bis heute von den sterblichen Überresten Franz Josef Straußens ausgefüllt wird. Bevor es aber soweit ist, liegt ein steiniger Weg vor Helmut Markwort. Der oft genug mit stupider Bürokratie verbunden sei, "Sie wissen schon: Akten." – "Sie meinen 'Akten, Akten, Akten'?" haken wir zwinkernd nach. – "Warum sollte ich das Wort dreimal sagen?" erwidert Markwort forsch. "Ich habe doch keine Zeit zu verlieren!" 

Besonders am Herzen liege ihm der Nachwuchs, bekundet Markwort. "Kinder sind unsere Zukunft, hab ich mir erklären lassen. Ich glaube, ich habe selbst eins oder zwei. Gerne parke ich mein Faktomobil in der Nähe von Schulen oder Kitas, locke die Kleinen mit Malstiften heran oder lasse sie in meinen Janker nach einem Zuckerle greifen." Zu große Nähe mag er dann aber doch nicht zulassen, "ich bin schließlich nicht bei den Grünen." Die Hauptklientel, gibt Markwort zu, bestehe nun mal aus Leuten wie ihm. "Ich und die FDP, wir passen einfach zusammen wie Weißwurst und süßer Senf und Radi und eine Brezn und eine Maß und ein halbes Hendl mit Soße bitte, hmmmm. Wie mein 'Focus' ist auch die FDP ein Tummelplatz ergrauter Säcke rechts der Mitte, die vor 20 Jahren mal ganz geschickt Relevanz vortäuschen konnten und sich wünschten, irgendwann zu den oberen Zehntausend zu gehören!"

Auf www.helmut-markwort.de erläutert der FDP-Mann seine politischen Ziele. "Ich kämpfe für die Freiheit, unterrichtet zu werden", lautet eines. "Beispielsweise durch lange, als redaktionelle Inhalte getarnte Werbestrecken für Elektrofahrräder in Wochenmagazinen", schiebt Markwort nach. An anderer Stelle heißt es: "Ich kämpfe für die Freiheit von Händlern, ihren Laden öffnen und schließen zu wollen, wann sie es für sinnvoll halten." Wir fragen, was es mit diesem viagrablau markierten Satz auf sich habe. "Gemeint ist hier natürlich der Hosenladen", doziert Markwort, "und mit Händlern meine ich auch Verlagsmenschen wie mich, Handlungsreisende der Informationsgesellschaft quasi." Was, wenn es am 14. Oktober nicht klappen sollte, wenn der rüstige Senior gezwungen würde, endgültig kürzer zu treten, und seinen Lebensabend mit Partnerin Patricia Riekel verbringen muss? "Dann", lacht Markwort, "bringe ich mich um!" Doch nach einer Weile winkt er ab. "Es gibt immer was zu tun. Wichtig ist, dass man den Tag strukturiert. Sie wissen schon: takten, takten, takten."

Torsten Gaitzsch

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt