Inhalt der Printausgabe

Dürren, Dünen, Düsentrieb

HITZE MACHT ERFINDERISCH

Die Deutschen haben endlich verstanden und akzeptiert, dass der Klimawandel als Thema nicht mehr aus den Medien wegzudenken ist. Ob er tatsächlich etwas mit den jüngsten »Atom-Sommern« (»Focus«) zu tun hat, müssen Profis entscheiden. Fakt ist: Deutschlands heiße Phase hat begonnen, Land und Leute müssen sich anpassen. Es braucht einen neuen, hitze-beständigen Pioniergeist im Lande, damit das tausendjährige Wirtschaftswunder weitergeht.

Die weiße Stadt

Es ist einfachste Physik: Jeder Block, jedes Haus, jedes Velux-Fenster wird geweißelt. Schön wie ein griechisches Inselstädtchen – ohne Griechen, ohne Schulden, barrierefrei (Schäuble) –, so wird sie, die prototypische deutsche Stadt, die, um nicht zu überhitzen, alles reflektiert. Außer den vielen Zuwanderern freilich, die für das passende südländische Flair sorgen. Danke, Merkel!

Klima macht durstig

Bizarr: Der Mensch besteht zu soundso viel Prozent aus Wasser – und hat trotzdem mehrmals täglich Durst. Bei Hitze sogar stündlich! Da kommen Nestlé und Gösser Naturradler nicht mehr mit. Moderne Bodymodifikationen kombinieren zwei deutsche Tugenden: Recyclingobsession und grundperverse Ingenieurskunst. Schweiß, Urin, Tränen und Galle werden aufgefangen, gefiltert und auf Wunsch mit köstlichen Aromen versetzt. Prost!

Feuerfeste Natur

Wer kennt es nicht: Kaum grillt man bei vierzig Grad im Mischwald an, schon fackelt ein halbes Bundesland ab. Das muss nicht mehr sein! Asbestmäuerchen auf allen Fluren halten enthemmte Feuerwalzen auf, und dank Wasseranschluss auf allen Lichtungen wird jede Wildsau zur freiwilligen Feuerwehr.

Durchzug über alles

Der Staat zieht es eiskalt durch! Und die Deutschen freuen sich über herrliche neue Bauvorschriften. Türen werden verboten, jeder Raum wird zum Durchgangszimmer – damit es sommers wie winters ordentlich durch die Stuben windet. Moderne Sensoren überwachen den Durchzug in jedem Haushalt, bei Windstille explodieren zur Warnung die Feuermelder. Und die Grippeimpfung wird zur ersten Bürgerpflicht.

Eis im Überfluss

Wer im Sommer 2018 bei Offenbach Spaghetti in den Main gab, konnte sie bereits in Frankfurt al dente herausfischen. Die deutschen Gewässer waren hoffnungslos überhitzt, es brodelte im ganzen Land. Ab 2019 werden deshalb alle Speiseeis-fabriken verpflichtet, einen großen Teil ihrer Produktion über den Binnenweg auszuliefern. Köstlich, klebrig – und kühl! 

Begleitetes Fliegen

Während sich das Fußvolk in überhitzten ICEs windet, nutzen Überflieger im sog. »Para-Shuttle« die thermischen Aufwinde und lassen sich von A nach B pusten. Keine Klimaanlage, keine Ausfälle!

Nackte Zahlen

Wenn die Temperaturen steigen, fallen die Kurse. In Zukunft jedoch nur noch die Hüllen! Im Nacktbüro erledigen sich viele Probleme der aktuellen Arbeitswelt von selbst: Wo kein Rock mehr ist, unter den gegrapscht werden kann, muss auch kein übergriffiger  Chef seinen Hut nehmen. Denn er hat ja keinen!

Sommer, Sonne, Heiligenschein

O Gott, ist das eine Heidenhitze! Die Hölle! Wenn man sich nur irgendwo erfrischen könnte! Doch es geschehen noch Zeichen und Wunder: Die Leute zieht es wieder in Massen in die herrlich kühlen Kirchgemäuer, während draußen der Busch brennt.

Hürtgen / Stille, Riegel

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick