Hannover wehrt sich: Tausende demonstrieren gegen TTIP
Sie sind engagierte Demokraten, die sich um das Wohl ihrer Mitmenschen und die Qualität ihrer Salami sorgen: jene Bürger, die am Wochenende in Hannover gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP demonstrierten. Mit Sprüchen wie "TTIP, o jemine!" oder "TTIP = KZ für deutsche Küche" protestierten anläßlich des Besuchs von Amerikapräsident Barack Obama laut Veranstalter 90 000 Menschen gegen die geplanten Verträge; Angaben der Polizei zufolge waren es lediglich 35 000, wobei unklar sei, "wie viele nur zufällig zum Einkaufen in der Gegend waren." Eine unterschiedliche Auffassung von Zahlen wie sie typischer nicht sein könnte für den Umgang mit TTIP. Es wird viel gemauschelt, verschleiert und im Verborgenen gearbeitet. Dazu kommen finanzielle, persönliche und weltanschauliche Interessen, die den Protest gegen TTIP vollends zu einer Gewissensentscheidung für jeden einzelnen machen – wer dort mitläuft, weiß nie, ob gerade ein Nazi oder nur ein Idiot neben ihm steht. Doch so verschieden die Teilnahmegründe auch sein mögen, eine Sache verbindet die Protestler: Sie schauen die gleichen Youtubevideos. Der Zorn der Demonstranten richtet sich vor allem gegen mögliche Sonderrechte für Unternehmen. Der Gedanke, daß diese in Europa große Handlungsspielräume eingeräumt bekommen, die Wirtschaft gar Einfluß auf die Gesetzgebung nehmen und Fertignahrung irgendwann nur noch aus Gentechnik und Glyphosat bestehen könnte, macht vielen TTIP-Gegnern Bauchschmerzen wie nach einer Portion Pferdehack. Dennoch seien sie nicht per se gegen Amerika oder das internationale Finanzjudentum, wie eine Demonstrantin betont. Sie z.B. habe einfach Angst um ihre Kinder und vor der Zukunft bzw. dem Bi-Ba-Butzemann. "Natürlich sind Amerikaner auch Menschen", beschwichtigt sie. "Aber haben Sie sich schon mal einen von denen angesehen? Ich sage nur: schwabbelschwabbel." Andere möchten lieber nicht so genau sagen, weshalb sie am Protestumzug teilnehmen, einige haben sich zwecks Anonymisierung sogar falsche Bärte aus ökologischem Anbau ins Gesicht geklebt und tragen ihr Smartphone in einer kleinen Bleikiste herum. Derzeit nageln Angela Merkel und Barack Obama hinter verschlossenen Türen mutmaßlich die Eckpunkte des Freihandelsabkommens fest und denken sich neue Gemeinheiten aus, vielleicht werden sie sich das angesichts dieses Volkszorns, der sich da in Hannover Bahn brach, noch einmal überlegen.
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