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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Zurück in die Zukunft

Natürlich war früher nicht alles besser, es war sogar vieles schlechter; aber eben nicht alles, und was wirklich besser war, war, daß es besser werden konnte: Stichwort Zukunft, die es nach einem Gedanken des britischen Essayisten Mark Fisher im siegreichen Kapitalismus nicht mehr gibt. Denn Kapitalismus ist Kapitalismus ist Kapitalismus, und Zukunft unterm Kapitalismus ist, daß es Flugtaxis geben wird und daß die einen die Taxis chauffieren und die anderen sich chauffieren lassen und die allermeisten sich kein Taxi werden leisten können, weder am Boden noch in der Luft.

Im Morgenblatt schreibt der Architekturredakteur über das Münchner Arabellahaus, einen Appartementkomplex im Nordosten der Stadt, der ab dem Ende der sechziger Jahre bereits das leistete, was Bauen heute wieder soll: Verdichtung, die „Nachbarschaft von Wohnen und Arbeiten, Gastronomie und Versorgung“, die „Stadt in der Stadt“, statt daß man vor ihren Toren ständig neue Flächen versiegelt, damit Tausende Tag für Tag ins Zentrum juckeln müssen und abends im Nichts sitzen. Eine Wohnmaschine, aber im guten Sinne, die jetzt in die Jahre gekommen ist, und darum geht es, aber nicht hier.

Hier geht es um die Ästhetik, die „die der sechziger Jahre“ ist. „Heute baut man Schießschartenhäuser. Vertikales. Früher waren liegende Formate und eine horizontale Fassadengliederung en vogue. Der Horizont war etwas, worauf man gern schaute, denn er versprach die Zukunft“, und Bauten wie das Arabellahaus schürten „heitere Moderne-Erwartungen an eine neue, bessere und auch aufregendere, ja freiere Zeit“, während man nicht wissen will, welche Erwartungen die Berliner BND-Zentrale schürt. Ich möchte meinen: gegenteilige.

In Frankfurt am Main haben sie die alte Oberfinanzdirektion an der Adickesallee ja abgerissen (und, wie passend, irgendeine „Frankfurt School of Finance and Management“ hingestellt), mit dem alten Kanzlerbungalow in Bonn werden sie’s nicht wagen; so daß, wo allerorten (in Frankfurt zumal) die Nachkriegsmoderne abgeräumt wird – was sowohl den leidigen Krieg als auch die nicht mehr benötigte Moderne aus der Welt schafft –, man immerhin da wird sehen können, was das mal war: Horizont, Zukunft, und was an seine Stelle getreten ist: die Schießscharte, der Bunker.

Zeuge: „Ach, in was für einer Zeit leben wir bloß.“ Köster: „In einer fortschrittlichen, Herr Bettler, deswegen schreiten die Dinge ja so fort.“ ZDF, 1980

Daß Autos heute Panzern gleichen (und neue große Audis ihr Blinkzeichen als Ellbogen ausfahren), Familien in synthetischer Uniformiertheit durch die Wochenenden stiefeln und „massiv“ eine so populäre Journalvokabel ist, fügt sich da leider recht paßgenau ein, und auch wenn man die Regression in Retrofreuden nicht übersehen soll, ist eine Stunde mit einem deutschen Fernsehkrimi aus den siebziger oder achtziger Jahren eine ästhetische Wohltat, und nicht allein, weil hin und wieder ein Regisseur Fassbinder gesehen hat, die Einstellungen ewig dauern, niemand gefoltert wird (außer evtl. durch überlange Einstellungen) und der Abspann alle Mitwirkenden in respektvoller Ausführlichkeit aufzählt (das ist vorbei, seit es eine private Konkurrenz gibt, zu der auf keinen Fall umgeschaltet werden darf). Nein: Diese Dezenz und Zivilität (und sei's aus schlechtem Gewissen). Diese Theatersätze im Präteritum. Die Herren in Anzug und Mantel (Patriarchat, okay), Autos, halb so schwer wie heute, mit freundlichen Gesichtern und niedrigen Fensterlinien. Das Böse ist hier noch die Ausnahme und verdankt sich allgemeinen Defekten wie Hab- oder Eifersucht, und die Herren Kriminaler sind noch keine einsamen Psychowracks mit „eigener Geschichte“, sondern freundliche, aufmerksame Beamte, die die Sache im Griff haben. Daß sie, mindestens als Derrick oder der formidabel elegante „Alte“ Erwin Köster, gern im gehobenen Milieu aufklären, darf man natürlich erkennen.

Sozialdemokratie, als sie vielleicht schon falsch war, aber noch als Idee funktionierte. Schimanski hat den sich verhärtenden Verhältnissen dann den Stinkefinger zeigen müssen, und daß die vertikale TV-Moderne aus einer ganzen Kommissarsarmee besteht, erzählt bereits die ganze Geschichte.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg