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Gärtners kritisches Nikolausfrühstück: Feuer frei

Es ist entzückend, wenn auch ein bißchen gruselig, wie das alles immer funktioniert: Erst thematisiert in der liberalen Morgenzeitung ein Geschichtsprofessor das ach so schwierige, „gebrochene“ Verhältnis der Nation zu sich selbst, die „deutsche Besonderheit im Umgang mit der Nation“ als „deutsche Obsession“ zumal nach den „Gewalterfahrungen seit 1914 und 1939/41“, wie sich nach zwei Weltkriegen und den zugehörigen (deutschen) Gewalterfahrungen eine „anhaltende Verunsicherung“ im „kollektiven Bewußtsein“ etabliert habe und auch „nach 100 Jahren nicht verschwunden“ sei. Was mißlich ist, stellen doch neuerdings allerhand zeitgenössische Krisen „die deutsche Selbstdeutung als friedlicher europäisch integrierter, postnationaler Staat infrage“.

Nachdem diese bekannte Problematik der nationalen Verunsicherung und begeisterten, dabei schwer haltbaren Postnationalität also derart ausgeleuchtet worden ist, können am nächsten Tag in derselben liberalen Morgenzeitung andere Saiten aufgezogen werden: „Im Nahen Osten müssen der Kalif und seine Zehntausenden Militante mit sehr, sehr harten militärischen Instrumenten angegriffen werden“; die Luftangriffe, von deutschen Tornados vorbereitet, müssen „möglichst viele Berufsmilitante töten … Und da im Kalifat zwischen sechs und acht Millionen Menschen leben, werden nicht nur Kämpfer des Kalifen sterben, sondern mit Sicherheit auch Zivilisten. Ob das den Deutschen als Preis für ihre Sicherheit vor möglichem IS-Terror in Berlin, Hamburg oder München zu vermitteln ist?“ Dabei gibt sich der Kollege Avenarius von der SZ doch alle Mühe, auch wenn ihm die deutsche Sprache als Vermittlerin nicht eben zu Willen ist; und so müssen sich das Kalifat und die unter ihm leidenden Zivilisten auf sehr, sehr harte Instrumente (Betonklaviere?) einstellen, und da die Deutschen mit der Gewalt so ihre Erfahrungen gemacht haben, muß jedenfalls klar sein, daß sich hier eine Nation alle ihr zur Verfügung stehenden Gedanken macht, bevor sie eingreift, denn sie hat aus ihrer gebrochenen Geschichte nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg, sondern auch: Nie wieder Auschwitz. An die Lehrstunde erinnert man sich in Belgrad noch heute.

„Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.“ Kant, 1795

Was die Nation nicht gelernt hat, ist, daß sich der IS direkt einem der jüngeren Eingriffe in Nahost verdankt, dem Irakkrieg nämlich, und was aus Libyen nach dem letzten Eingreifen europäischer Sicherheitspolitiker geworden ist, ließe sich den Fernsehnachrichten entnehmen, wenn der andauernde Bürgerkrieg dort noch eines Berichts wert wäre. Klüger ist da der Zentralrat der Muslime in Deutschland, dessen Vorsitzender, mit lesbarem Staunen, das immer gleiche Rezept kritisiert, nach dem hier Suppe um Suppe versalzen wird: „Wir erleben zum Teil erneut, daß die Rezeptur ,War on Terror’ angewandt wird. Damals hat diese Rezeptur versagt, und heute wissen wir um so mehr, daß Krieg gegen Terror nur noch mehr Terror hervorbringt, das heißt, aus Al-Qaida wurde IS, und was kommt als nächstes?“

Als nächstes kommt der nächste Gegner, den der Avenarius von einem sehr, sehr weichen Bürostuhl aus mit sehr, sehr harten Instrumenten töten wollen wird, ohne damit – wenn die Erfahrung irgend etwas besagt – mehr zu erreichen, als den übernächsten Gegner auf den Plan zu rufen: Erst Gewalterfahrung, dann Zerknirschung, dann von vorn. Es ist entzückend, wenn auch ein bißchen gruselig, wie das alles immer funktioniert, auch wenn es natürlich nicht funktioniert. Feuer mit Benzin zu löschen, das ist so eine Sache.

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg