Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Wegwerfgesellschaft

Unsere immer schnellere Zeit, notierte SZ-Mann Cornelius Pollmer neulich, lässt sich schlicht nicht bremsen, und deshalb ließ er auch ein gewisses Verständnis durchblicken für Ostdeutsche, die sozusagen für Entschleunigung gestimmt haben. Dabei ist das mit dem Tempo, der Hatz und der Kälte gar nicht so schlimm; man muss nur ein einziges Mal bei Manufactum gekauft haben, und schon finden sich regelmäßig die wärmenden Produktkataloge im Postkasten, die zu unterhaltlichen Überlegungen der Art führen, wo denn die freistehende Kupferbadewanne noch Platz hätte.

So gut wie gleichzeitig mit dem Manufactum-Katalog kam jetzt die neue Lieferung der Werke Wolfgang Pohrts (Edition Tiamat), der erste Band, der vor allem die „Theorie des Gebrauchswertes“ enthält, von der Pohrt mal sagte, er habe im Leben nur einen Menschen getroffen, der sie zu Ende gelesen habe, und der sei Theologe gewesen. Mir ist es aus purer Zeitnot noch nicht einmal gelungen, sie richtig anzufangen, aber der ’95er Neuausgabe, die sich im Band findet, war eine Art Prolog aus dem Jahr 1973 beigegeben: „Nutzlose Welt. Ohnmacht im Spätkapitalismus“, und der Leser, die Leserin bekommen eine Ahnung davon, was es mit dem Gebrauchswert auf sich hat, wenn von dem Bann die Rede ist, „der die gegenständliche Welt in nutzloses Spielzeug verzaubert“: „Seit die Herrschaft des Kapitals kaum noch inhaltlich, sondern nur mehr negativ bestimmbar ist als Zwang, nichts Ernsthaftes und Vernünftiges zu tun, sind vernunftloser Genuss und sinnliche Freuden nicht mehr identisch mit der selbstherrlichen Emanzipation des Menschen von notwendiger Arbeit … Als Unterwerfung unter die Willkür der Apparate, welche die Menschen nur als Witzfiguren in einem Betätigungsfeld duldet, das den großstädtischen Spielplätzen ähnelt, wird die Genussfähigkeit selbst kraftlos und verkümmert.“ Und weiter: „Im Alltag der Gegenwart begegnet einem die Auflösung des Widerspruchs von Gebrauchswert und Wert dergestalt, dass kaum noch erkennbar ist, was sich mit den Dingen anderes anfangen ließe als sie verkaufen, kaufen und wegschmeißen.“

„Der Gebrauchswert ist, was den Begriffen der politischen Ökonomie entschlüpft, wenngleich diese nötig sind, damit jener gedacht werden kann. Erst wenn das Brot profitabel sein muss, um hergestellt zu werden, stellt sich die Frage nach seinem Nutzen für den Konsumenten separat.“ Pohrt, 1976/1995

Da gab es freilich Manufactum noch nicht, das den Bann zu brechen verspricht, indem es den Gebrauchswert fetischisiert, das Ewige, Unzerstörbare, bloß Praktische, wie es Großmutter noch kannte. Der Clou ist natürlich, dass sich unterm Regime des Tauschwerts kein Gebrauchswert mehr haben lässt und dieser zur Simulation wird, weil kein Mensch eine Kupferbadewanne tatsächlich braucht oder eben nur dann, wenn er der Sphäre des Brauchens längst entronnen ist. Das ostentative und vor allem ja teure Zurück zum Gebrauchswert ist in sich schon die Kapitulation vorm Wert, und deshalb sind Manufactum-Produkte, versteht sich, viel eher Wert- als Gebrauchsgegenstände.

Auf dem Stadtbus Werbung für Kieser: „Ein starker Körper bleibt jung!“ oder so, und die Überlegung, warum in einer Zeit und Gegend, da Arbeiten im Alter, auch wenn der BDI es zu ändern verspricht, regelmäßig gar nicht mehr vorgesehen ist, immerwährende Stärke und Jugend proklamiert werden. Unter Gebrauchswertgesichtspunkten ist ein Körper, der lange gesund und arbeitsfähig ist, erstrebenswert; soll er gesund und arbeitsfähig bleiben, ohne dass es das brauchte, geht es womöglich nicht um einen goldenen Herbst, sondern um fortgesetzte Vernutzbarkeit, sei’s als symbolische, sei’s als Teil der Reservearmee, die nie groß genug sein kann: ums Verkaufen, Kaufen und Wegschmeißen gerade da, wo dem Weggeschmissenwerden als Lebensendpunkt zwei halbe Stunden pro Woche entgegengearbeitet wird. Dass im Rückenstudio, wo man sich freiwillig in die Apparate einspannt, die Genussfähigkeit geschult werde, würde Kieser selbst nicht behaupten.

Ich hoffe, diese flüchtigen Gedanken sind brauchbar; wenn nicht, bitte tauschen. Oder wegschmeißen!




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt