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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Vom Dorfe

Die Kleinfamilie hatte ja die längste Zeit nicht den besten Ruf, schon weil, wer zweimal mit derselben pennte, Establishment war. Die Kleinfamilie, das war immer bloß Terror, Abhängigkeit, Gewalt; man lese hierzu Kafka, Gisela Elsner oder Peter Brückner (1972): „Die Familie … kann zu ihrer eigenen – in der Ideologie längst geleisteten – Humanisierung wenig beitragen, obgleich es Güte, Zuneigung gewiß auch gibt. Partikularisierung, Parzellierung, Isolierung des Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft und ihr Fundus an zwischenmenschlicher Feindseligkeit reproduzieren sich zu prägnant in der sozialen Organisation, in der zugleich zu viel Nähe herrscht.“ In ihr wie in der bürgerlichen, romantisch verbrämten Ehe „wird verfestigt, was der einzelne zu fliehen trachtet – Isolierung bei allseitiger Abhängigkeit“.

Man kann sagen, die Kleinfamilie ist, obwohl nie weg, wieder voll da, und wer immer jung und dumm und einverstanden ist, kann es zeigen, indem er zu teure Kinderwägen kauft, Hausgeburten will oder „Nido“ liest. Gut, daß jetzt die Österreicherin Mariam Irene Tazi-Preve, Politikwissenschaftlerin an der University of New Orleans, in ihrem Buch „Vom Versagen der Kleinfamilie: Kapitalismus, Liebe und der Staat“ endlich „mit traditionellen Strukturen abrechnet“ und der „Süddeutschen“ bereitwillig „das Ende der Kleinfamilie“ ausmalt: „Es gibt viele alternative Familienformen, nur westliche Gesellschaften leben so ein rigides ,Vater, Mutter, Kind’-Modell. Kennen Sie das afrikanische Sprichwort ,Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen’? Das führt zwar jeder im Mund, doch niemand lebt so. Zwei Bezugspersonen sind für ein Kind jedoch zu wenig. Ich halte ein matrilineares Verständnis von Verwandtschaft für ideal, wie das beispielsweise in Burkina Faso üblich ist. Dort fühlen sich alle Frauen einer Familie für alle Kinder verantwortlich, die Kinder wachsen also mit mehreren Müttern auf. Wer die leibliche Mutter ist, ist irrelevant, ein Wort für ,Tante’ gibt es gar nicht. Die Brüder der Mutter fungieren als soziale Väter. Das ist quasi das Gegenteil des irrsinnigen Mutterwahns, den wir speziell in Deutschland pflegen, wo wir der Frau, die das Kind geboren hat, die komplette Verantwortung aufbürden.“

„Auf die alte Goethesche Frage: warum aus liebenswürdigen Kindern so unausstehliche Erwachsene werden? lautete heute eine erste Antwort: dies geschähe aus dem Geiste des Widerspruchs von Lohnarbeit und Kapital.“ Brückner, 1972

Kinder benötigten auch jenseits von Mutter und Vater „starke, verlässliche Bezugspersonen, die wir als solche wertschätzen sollten. Leider werden sie zu oft als mittelmäßiger Ersatz für den aufgrund der starken Erwerbszentriertheit von Männern leider nicht anwesenden oder zu wenig anwesenden Vater gesehen. Meine Botschaft ist: Diese Beziehungen sind Familie!“, zumal sowieso jede zweite Ehe geschieden wird und „stabile Beziehungen kaum möglich in unserem Wirtschaftssystem“ sind. Denn „auf dem Arbeitsmarkt herrschen Konkurrenzdenken, Kosten-Nutzen-Logik und Profitmaximierung. Im Familienleben hingegen sind emotionale Zuwendung und Empathie wichtig. Familie und Beruf gleichzeitig leben zu wollen, ist daher wie die Quadratur des Kreises. Alles, was das eine System stützt, führt im anderen zum Scheitern.“ Und solange wir also an der „intakten Kleinfamilie“ als Norm und „Mythos“ festhalten, lenken alle „Vereinbarkeitsdebatten“ bloß davon ab, „wie viele Menschen an der Kleinfamilie leiden“.

Nichts gegen die Matrilinearität – „der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts“ (Friedrich Engels, Ursprung der Familie) –, aber wenn es zur Kindererziehung ein ganzes Dorf benötigt, muß man das Dorf freilich zurückhaben wollen. Nichts gegen den Hinweis, daß Vereinbarkeitsdebatten das Problem bloß bandagieren und nicht beheben; aber daß wir starke, verlässliche Bezugspersonen wertschätzen sollen, damit Mutti nicht zusammenklappt und Vati seiner Erwerbszentriertheit frönen kann, scheint eher ein Beweis für die häufige Beobachtung zu sein, daß die Leut’, selbst die akademischen, sich etwas anderes als Kapitalismus gar nicht mehr vorstellen können. Früher wollten sie die Kleinfamilie noch sprengen, um dem Kapitalismus eins auszuwischen; heute bauen sie Familie um „unser Wirtschaftssystem“ herum und kommen sich vermutlich noch fortschrittlich dabei vor.

Ich für meinen Teil, dem Dorf entronnen, hab’ meine Kleinfamilie ganz gern; das mag auch daran liegen, daß ich das Bezugspersonal von jeher wertschätze und überdies weiß, wo der Feind steht. Und daß der keine Feindin ist.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg