Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ein Vorbild
Das Internet ist ja bekanntlich der neustzeitliche Zentralort für Intelligenz und gutes Benehmen, und kaum hatte sich die Co-Vorsitzende der Grünen über ein mögliches „Racial Profiling“ der Kölner Polizei an Silvester beschwert, weil „Journalisten und Passanten … beobachtet hatten, wie die Polizei Männer mit vermutetem Migrationshintergrund am Kölner Hauptbahnhof von vermeintlichen Mitteleuropäern trennte und in einem Polizeikordon festhielt. Die Polizei bedachte sie mit dem Kürzel ,Nafris’, was für ,nordafrikanische Intensivtäter’ steht“ (SZ), wurde es „im Netz“ nach bewährter Art „unglaublich frauenfeindlich und rassistisch. Das ging von Verleumdung bis Gaskammer“ (Peter).
So weit, so üblich und eigentlich kein Grund, vom Frühstück aufzublicken, und daß sich Peters eigene Partei, voran der blöde Özdemir, umgehend von ihr distanzierte, damit die Klientel, für die Multikulti ist, wenn der Gemüsetürke auch Ajvar im Regal hat, nicht unruhig wird: ebenfalls geschenkt. Glücklich vergessen hatte ich allerdings, was für ein klassisch analoger Abort die ungute alte Bild-Zeitung ist. Das Morgenblatt wußte es: „Selten ist eine Parteichefin so abgewatscht worden, selten war das öffentliche Begleitkonzert so gehässig. ,Dumm, dümmer, Grüfri’, höhnte Bild, gemeint: Peter. Grüfri stehe für ,Grün-fundamentalistisch-realitätsfremde Intensivschwätzerin’, erklärte das Blatt etwas bemüht“, dessen stets bemühte Angestellte sich bekanntlich im Arbeitsvertrag verpflichten müssen, nicht für Gaskammern und deren Einsatz einzutreten; was freilich nicht hindert, gegens polizei- und obrigkeitskritische, linksversiffte Gutmenschentum so frei von der Leber weg zu hetzen, als sei Benno Ohnesorg eben erst erschossen worden.
„Der Wein erfindet nichts, er schwatzt’s nur aus.“ Schiller, 1799
Ein Glück fürs „größte Drecksblatt der westlichen Welt“ (Gremliza), daß die Rolle der „Cloaca maxima der öffentlichen Meinung“ (Kraus) so schön vom Internet ausgefüllt wird, und während vor der elektronischen Öffentlichkeit kaum ein Entkommen ist – und sei’s bloß, weil die Zeitungen ständig Trumps neuste Twitter-Einfälle zitieren –, gibt’s von Bild meist nur das, was im Supermarkt auf dem Weg zu Kasse überm Knick zu lesen steht: „Große Liste: Hartz IV und Ausländer in Ihrer Stadt“; was aber kein Grund zur Beruhigung ist. Denn das, was die Leute im Internet auskübeln, ist ja nicht im Schlaf über sie gekommen, und als im Jahr 2000, nachdem TITANIC die Fußball-WM nach Deutschland geholt hatte, Springers Kettenhund zum Angriff auf die Redaktion kläffte („Böses Spiel gegen Franz“), klang das, was da auf dem Anrufbeantworter landete (und auf der CD „Bild-Leser beschimpfen TITANIC“ angehört werden kann), ziemlich so wie jener Dreck, mit dem heute öffentliche Personen beworfen werden, die irgend etwas Linkes sagen (was, nebenbei, das Gejammer über linke Sprechverbote wie die Projektion klingen läßt, die es ist): „Sie sind ein ganz großes Schwein.“ „In einem Rechtsstaat gehören Leute wie Sie ins KZ.“
Alles mithin schon dagewesen; und mit dem „asozialen Hetzwerk von Idioten, Denunzianten, Polizisten und anderen Rechtsbrechern“ (Greml) hat der Haß also bloß sein Medium gewechselt. „Facebook und dergleichen Einrichtungen gehörten verboten. Statt in die Illegalität freilich geht Facebook an die Börse, wo die Firma für ihre Aktien hundert Milliarden Dollar erlösen wird. Der Wahrheit solchen Interesses hält kein Gedanke stand.“ Das freilich mit dem Interesse jenes anderen, stilbildenden Bewußtseinskonzerns identisch ist, dessen Enteignung seit einem halben Jahrhundert aussteht.
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