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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Sie sind wieder da

Es gibt, glauben wir „Spiegel online“, in Deutschland also einen „Schulz-Hype“, denn in der Frage, wen die Deutschen lieber als Kanzler hätten, habe Martin Schulz Angela Merkel bereits „überflügelt“. In der Printausgabe hat der Sozialdemokrat „die Kernpunkte seiner Kampagne“ vorgestellt: „Millionen von Menschen fühlen, daß es in diesem Staat nicht gerecht zugeht“, denn „Unternehmensgewinne und Bonuszahlungen haben ebenso zugenommen wie die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse“. Diese Zahl soll kleiner werden, denn Leiharbeit sei eigentlich bloß was für „Engpässe“: „Wir könnten die Zulässigkeit von Leih- und Zeitarbeit deutlich mehr begrenzen, wenn wir die dafür notwendige Mehrheit hätten.“ Zwar sei die Agenda 2010 „die richtige Antwort auf eine Phase der Stagnation“ gewesen. „Aber wir haben auch Fehler gemacht. Wir hätten gleichzeitig den Mindestlohn einführen und Superreiche stärker belasten müssen.“

Die Geschichte der „Agenda 2010“ geht ja bekanntlich so, daß in einer Phase der Stagnation die Sozialdemokratie dafür sorgen durfte, Arbeitskraft so billig, willig und verfügbar wie möglich zu machen. Was unter einer CDU-Regierung so reaktionär erschienen wäre wie ein Angriffskrieg gegen ein Land, das einem erstens nichts getan und zweitens unter einem früheren deutschen Angriff mal ziemlich gelitten hatte, war unter einem SPD-Kanzler eine coole, unbedingt nötige Reform, um heillos Verkrustetes so nachhaltig aufzusprengen wie, sagen wir, ein Belgrader Krankenhaus. Jetzt, zwanzig Jahre später, ist Deutschland der unangefochtene Champ Europas: Das Exportgeschäft brummt, so viele Leute wie noch nie sind in Arbeit, dem Bundeshaushalt geht es gut. Genutzt hat der SPD dieser Kärrnerdienst fürs Kapital nichts: Als sie ihre Schuldigkeit getan hatte, durfte sie gehen oder allenfalls als Juniorpartnerin einer christdemokratischen Kanzlerin mitmachen. Zwischenzeitlich sanken die Werte der SPD bei Sonntagsfragen auf unter 20 Prozent.

„Alles in allem … begann das Gewisse in bezug auf die Gerechtigkeit, in den stummen Zeiten, mit dem Körper; dann, als die sogenannten artikulierten Sprachen gefunden waren, ging es über auf die gewissen Ideen oder Formeln aus Worten; endlich, als sich unsere menschliche Vernunft ganz entwickelt hatte, endete es in dem Wahren der Ideen über das Gerechte, die von der Vernunft bestimmt werden nach den jeweiligen Tatumständen.“ Giambattista Vico, 1744

Damit soll nun Schluß sein, denn es geht, ist Martin Schulz aufgefallen, in diesem schönen Land „nicht gerecht“ zu. Das kann es auch nicht, denn spätestens seit Schröder gilt in Deutschland das Diktat der supply-side economics: Steuern und Arbeitskosten werden gesenkt, damit Unternehmen günstiger und wettbewerbsfähiger produzieren. Das funktioniert auch, allerdings nur für die Unternehmen, denn der angenommene trickle down effect, daß also von den steigenden Gewinnen ein bißchen was unten ankomme, tritt und tritt nicht ein: Der Boom kommt, die Löhne bleiben niedrig, der Sektor prekärer Arbeit – Leih- und Zeitarbeit, Minijobs, Scheinselbständigkeit – wächst, die Besitzenden profitieren.

Also wird es irgendwann wieder Zeit für die SPD; denn erstens tut sich hier ein politischer Markt auf (sofern die Leute vergessen haben oder vergessen wollen, wer ihnen das alles eingebrockt hat), und zweitens leidet unter der Angebotspolitik nicht nur die Infrastruktur (weil die Unternehmen viel weniger Steuern zahlen, als sie könnten), sondern auch die Binnennachfrage: Sind die Löhne niedrig und die Arbeitsverhältnisse unsicher, geben die Leute kein (oder weniger) Geld aus, so daß sich der deutsche Boom ganz und gar dem Exportgeschäft verdankt, das naturgemäß ein einseitiges ist. Wenn jene Volkswirtschaften, die unter Deutschlands stark positiver Außenhandelsbilanz leiden, nun hergehen und Importzölle verhängen, ist es mit dem Boom vorbei.

„Die Demokratie kennt weder Herr noch Knecht.“ Martin Schulz, 2017

Also wird die SPD wieder gebraucht, als Sozialpartei, die „Ungerechtigkeit“ aus der Welt schafft bzw. dem Standort so dient, wie sie es immer getan hat. Daß die Unternehmenssteuern zu steigen hätten, ist deshalb auch keine Option: „Ganz sicher müssen wir bei der Besteuerung von großen Vermögen nachlegen.“ Denn in die Portokasse der Superreichen, welche die Agenda 2010 noch reicher gemacht hat, traut sich die SPD allemal zu fassen.




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Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt