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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Randbedingung

Endlich, endlich war es soweit, und sie konnten Abschied nehmen von der multikulturellen Lebenslüge: „Erdogans (Alb-)Traumergebnis bei den Türken in Deutschland zeigt, wie schwer es ist, Migranten zu integrieren. Die in der Vergangenheit in der Ausländer- und Einwanderungspolitik gemachten Fehler darf Deutschland in der Flüchtlingskrise nicht wiederholen“, mahnte Berthold Kohler in seiner „Frankfurter Allgemeinen“, tatsächlich wie erleichtert über den Umstand, daß jeder dritte der in Deutschland lebenden Besitzer und Besitzerinnen eines türkischen Passes – also von hundert Personen 33 – für Erdoğan Supermufti gestimmt hatte, statt sich an vorbildlichen Demokratien wie etwa Mecklenburg-Vorpommern ein Beispiel zu nehmen, wo es die autoritär-nationalkonservative, auch antisemitische AfD gemessen an der Wahlbevölkerung nur auf schlappe 13 Prozent gebracht hat, was zeigt, wie vergleichsweise leicht es ist, DDR-Bürger zu integrieren.

Nun aber ist Deutschland „schockiert“, weil „mehr als 400 000 Türken … hierzulande Erdoğans Machtergreifung zustimmten“, also, der Wahrheit eine Lanze, „ein knappes Drittel der türkischen Wahlberechtigten und etwa ein Fünftel der rund zwei Millionen Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland“, was ja immer noch viel mehr ist als das AfD-Siebtel in und um Magdeburg herum. „Und nicht jeder wahlberechtigte Erdoğan-Gegner traute sich angesichts der bis nach Deutschland reichenden Arme der türkischen Geheimdienste in die Konsulate. Doch am Ende ist die Prozentzahl entscheidend“, und zwar für den Frankfurter Leitartikel, der die „knappe Zweidrittelmehrheit, die in Deutschland die Verwandlung der Türkei in ein Erdoganistan befürwortete“ benötigt, damit er die „politische Kultur der hier lebenden Türken“ bemäkeln und die „Multikulti-Ideologen“ in den Senkel stellen kann, welche „Integration mit (Zwangs-)Assimilation gleichgesetzt“ und etwa gefordert haben, „türkische Kinder in Deutschland sollten ,erst mal richtig Türkisch lernen’, bevor man sie mit dem Deutschen quäle.“ Usw.

„ich schämte mich für andere log / log um andere nicht zu kränken / aber ohne Grund log ich auch / ich stieg in den Zug ins Flugzeug ins Auto / die meisten können das nicht / ich ging in die Oper /die meisten können das nicht haben nicht einmal das Wort Oper gehört“ Nâzim Hıkmet, 1961

Daß Lügen kurze Beine haben, ist ja auch so eine Weisheit, und der reine Zufall, daß mir gestern ein alter Aufsatz aus eigener Werkstatt in die Hände fiel, in dem ich die dem „Stern“ entliehene Information fand, daß der Türkischunterricht an deutschen Schulen einst nicht von Multikulti-Ideologen eingeführt wurde, sondern von Figuren wie dem Kohler, die mit dem muttersprachlichen Unterricht die „Rückkehrbereitschaft“ zu fördern beabsichtigten; der Jungtürken „vorbehaltlose Eingliederung in das deutsche Schulsystem“ war nämlich, wie der „Stern“ zitierte, nicht erwünscht, wie es bis kurz vor der Jahrtausendwende sogar noch Rückkehrprämien gab, und zwar nicht für irgendwelche Flüchtlinge, sondern für Türkinnen, die seit dreißig Jahren im Land gewesen sein mochten, aber hier unter keinen Umständen zuhause sein sollten. Und heute mit ihren Kindern, die zur Hälfte ohne Abschluß die Schule verlassen, immer noch vorm türkischen Sender sitzen, und die Töchter kramen dann vielleicht sogar das Kopftuch wieder raus, denn irgendwo will der Mensch halt hingehören. Und falls es Erdoğans Türkei ist, haben jene dafür gesorgt, die jetzt am lautesten schreien, daß „die Eingewanderten sich gar nicht integrieren wollen“, also jedenfalls 20 Prozent von ihnen nicht.

Es ist schlimm, wenn die Leute faschistisch wählen, so wie viele bestens integrierte Franzosen (m/w) es in Bälde tun werden. Viel interessanter als Kohlers zwei Drittel scheinen mir aber jene 50 Prozent der türkischen Gemeinde, die gar nicht erst zur Wahl gegangen sind. Wahlabstinenz, sagt die Forschung, hat, Protestgewähle hin oder her, einen ganz klaren Ort: den Rand.




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Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick