Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Mein Streik
Daß es weitergeht, immer weitergeht, sollen wir’s beklagen? Oder, und sei’s bloß der geistigen Gesundheit wegen, einmal loben? Weil es sich mit der Kritik, sehen wir nur in die Zeitung, sowieso mehr oder minder erledigt hat? Weil sie vielleicht dem Denkenden, indem er das Unglück benennt, ein Glücksgefühl verschafft, aber so nutzlos ist wie ein Kasten Bier in der Wüste?
„Im rheinland-pfälzischen Limburgerhof hat am Mittwoch eine geplante Asylbewerberunterkunft gebrannt“, meldet uns die FAZ. „Das Motiv der Tat ist noch unklar … Ob es einen fremdenfeindlichen Hintergrund gebe, sei noch offen, teilten das Polizeipräsidium Rheinpfalz und die Staatsanwaltschaft Frankenthal am Mittwoch mit. Auch andere Motive würden geprüft.“ Es ist schon recht. Hab ich ein Loch im Zahn, das man aus dem Weltraum sieht, so möge der Zahnarzt prüfen, ob fürs Zahnweh evtl. ein verspannter Nacken sorgt. Immer schön in alle Richtungen ermitteln! Damit hinterher keiner sagen kann, man habe vorschnell geurteilt, sei am End’ sogar voreingenommen, schlimmstenfalls deutschen Bürgern gegenüber, die, überfordert wiederum von 16 (sechzehn, also zweimal acht) Asylbewerbern, ein kleines Zeichen gesetzt haben!
Und aber apropos: „Ein Trommelwirbel, Soldaten der Bundeswehr salutieren“, für die drei Millionen in deutscher Gefangenschaft verreckten Sowjetsoldaten nämlich, für die sich 70 Jahre lang so gut wie keiner interessiert hat, auch der Pfarrer Gauck nicht, dessen Gefühl für Recht und Unrecht immer dem Moment verpflichtet war, in dem der Russe den Nazivater verhaftet hat, was den Russen (und dessen DDR) ins Unrecht setzte, nicht den Vater, der erst dafür gesorgt hatte, daß der Russe bei Gaucks in der Küche stand. „Dann legen die Trauergäste weiße Blumen nieder zwischen den Grabsteinen. Die letzte Blume bringt der Bundespräsident, stellvertretend für eine verspätete Nation.“ Man kann nicht sagen, die deutsche Journalistin (in diesem Fall Constanze v. Bullion, SZ) tue nicht stets das, was der Nation frommt, denn die Rede von der „verspäteten Nation“ meint ja ein Land, das umständehalber (u.a. geographische Mittellage, Reformation, Dreißigjähriger Krieg, cuius regio, eius religio) die Staatswerdung (wie die bürgerliche Emanzipation) jahrhundertelang verschlafen hat, so wie dieses Land sich umständehalber und schicksalhaft dann mit seinen zerbombten Städten beschäftigen mußte statt mit den drei Millionen Untermenschen, die die Wehrmacht Regenwürmer fressen ließ, ehe die Sowjetarmee diese Wehrmacht von der Nazidiktatur befreien durfte (Anführungszeichen bitte mitdenken).
„... and decide to dream no more.“ W.C. Williams, 1951
Aber Journalismus ist ja dazu da, Sprachregelungen zu verbreiten, und nicht, sie in Frage zu stellen: „Wenn die Bahn streikt und vermutlich auch noch die Kitas, ruiniert das den eng getakteten Alltag vieler Familien. Das hat auch für die Gewerkschaften Konsequenzen – denn sie machen sich den Bürger zum Gegner … Wie jedes Recht sollte man das [Streikrecht] nicht mißbrauchen. Für Machtkämpfe zum Beispiel … In jedem Kampf muß man sich seine Gegner gut aussuchen. Die Bürger sind die falschen.“ Und das könnte dem Kollegen Kreye, nachdem mindestens ich es schon hundertmal gesagt habe, ja auch einmal einfallen: daß ein Streik ohne Opfer und Einschränkungen, für die Bürger, die Wirtschaft, sonstwen, keiner ist. Streik muß nerven, und daß er’s tut, ist kein Argument gegen ihn, sondern das Gegenteil; und was ein guter oder nicht so guter Streikgrund ist, kann schlechterdings nicht von denen entschieden werden, die von einem Streik betroffen sind.
Weswegen ich, aus Gründen, jetzt auch mal streike. Wenigstens bis nächsten Sonntag.
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