Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: In Deutschland gehn die Lichter aus

Der Elektriker kam auf Zuruf, nach einer halben Stunde war im Bad wieder Licht, und ich bedankte mich herzlich für die schnelle Erledigung. Der Geselle, ein paar Jahre älter als ich, nickte müd und sagte, das gehöre bald der Vergangenheit an. Ich fragte: Ja? Warum? Er sagte, sie hätten niemanden mehr. In ihrer Firma seien sie mal zu zehnt gewesen, jetzt nur mehr zu dritt. Nachwuchsprobleme. Sie hätten keine Lehrlinge mehr. Ein Teil schmeiße nach spätestens einem Jahr, ein anderer Teil sei schlicht nicht zu gebrauchen, und „Aussiedler“ (er nannte das so), gern, aber das sei, trotz allem, ein Riesenproblem, sprachlich.

Ich stand dabei und hob die Schultern. Im heimischen IHK-Bezirk, machte der Geselle weiter, habe sich die Zahl der Elektrikerlehrlinge in den letzten dreißig Jahren um volle zwei Drittel reduziert. Es gebe zwar immer mehr Firmen, denn die Gesellen machten sich alle selbständig, aber diese Firmen hätten immer weniger Leute. In anderen Berufen, ob nun Gas/Wasser oder Tischler, sei es genauso, wenn nicht noch schlimmer. Jetzt hob er die Schultern, und da mir dazu nichts einfiel – jedenfalls nichts, was sich zwischen Tür und Angel und unter Vermeidung der Vokabel „Klassengesellschaft“ hätte anbringen lassen –, verlegte ich mich auf diese wortlose Mischung aus Brummen und Kopfwackeln, die zugleich Interesse und Distanz ausdrückt.

„Und die Arbeiter dürfen auch in den Park … / Gut. Das ist der Pfennig. / Aber wo ist die Mark –?“ Tucholsky, 1928

Denn irgendwas Klassengesellschaftliches, wenn die Spekulation erlaubt ist, wird der Sache ja zugrunde liegen, zumal die bessere Hälfte zuhause bestätigte, haargenau diese Geschichte habe sie neulich beim Friseur gehört: Wer überhaupt noch komme, um sich ausbilden zu lassen, habe im Grunde keine Lust, schwänze die Berufsschule und sei bald weg. Friseure (m/w), wußte ich da, seien legendär schlecht bezahlt, zumal in der Ausbildung, und daß Klempner zwar alle mit Badsanierung in Marmor werben, im Tagesgeschäft aber eher verstopfte Klos wieder gängig machen, ist sicher auch kein Grund für Fünfzehnjährige, bei der Berufsberatung „Hier!“ zu schreien.

Die Klassengesellschaft, steht irgendwo in Rudolf Bahros „Die Alternative“, beginnt da, wo die einen sich hintern Schreibtisch setzen können und die anderen nicht, und in Zeiten, wo die Leute hinterm Schreibtisch immer mächtiger werden, sollen Akademiker sich hüten, über den „Akademisierungswahn“ zu klagen. Denn das Abitur, wie gehaltvoll es immer sei, ist und bleibt die Eintrittskarte in jene Gesellschaft, die den legendären deutschen Facharbeiter zwar für ihr Exportwunder benötigt, ihn aber allenfalls dann im selben Stadtviertel wohnen läßt, wenn er sich als Handwerksmeister selbständig gemacht und sein Proletarisches abgelegt hat; und um wieviel weniger die, für die in der Exzellenz- und Elitengesellschaft nicht mehr genug Bildung überbleibt, daß es selbst für einfachere Texte noch reichte: „Bei Eignungstests“, berichtet die Morgenzeitung, „scheitern viele Kandidaten an der Rechtschreibung. Aber muß man wirklich korrekt schreiben können, wenn man zum Beispiel Feuerwehrmann in Nordspanien ist?“ Eine Frage, die noch im schäbigsten Realsozialismus undenkbar gewesen wäre; hier sind die studierten Redakteure sich ihrer Herablassung nicht einmal mehr bewußt, die eine zentrale Kulturtechnik an jene, die den Laden Tag für Tag am Laufen halten, schon gar nicht mehr verschwendet sehen will.

Bleibt ausnahmsweise die Hoffnung auf die Marktwirtschaft, die auf ein sich verknappendes Angebot durch steigende Preise reagiert. Könnte sein, der Klempner, die Elektrikerin wird bald richtig teuer. Ich gönne es ihnen.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg