Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Im Morgenthau zu Berge
Not macht erfinderisch, aber weil die Not, ein sonntägliches Thema zu finden, ja nur eine ganz kleine ist, verlangt sie nicht viel mehr als einen Besuch im Kolumnen-Eck von „Spiegel online“, diesem, ein Wort Gremlizas zu aktualisieren, minütlich platzenden Wechsel auf ein Stück publizistische Aufklärung: „Bei vielem, was in Amerika oder Brüssel gegen die deutsche Autoindustrie unternommen wird, geht es darum, Deutschland zu schwächen. Warum fällt es vielen bei uns bloß so schwer, das zu begreifen?“
Weil es uns der Jan Fleischhauer halt noch nicht erklärt hat.
„Mehr als 800 000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Automobilindustrie, es ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Nimmt man die Ausrüster und Dienstleister dazu, kommt man auf zwei Millionen Arbeitsplätze, die mehr oder weniger direkt vom Wohlergehen des Automobilbaus abhängen. Das sind die Zahlen, die man im Kopf haben sollte, wenn man das Ende des Verbrennungsmotors herbeiwünscht.“ Weil diese Wirtschaft halt allemal so funktioniert, daß egal welcher schädliche Unsinn produziert werden muß. Das könnte zu denken geben; könnte: „Dekarbonisierung’ ist der Begriff, unter dem das Ganze läuft. Was nach Wasser ohne Sprudel klingt, meint eine Wirtschaft, die ohne CO2-Ausstoß auskommt. Der Plan ist nicht ganz neu. Henry Morgenthau hieß der Mann, der vor 73 Jahren davon sprach, Deutschland wieder in einen Agrarstaat zu verwandeln.“ Da muß auch ein Esel wie Fleischhauer erst mal drauf kommen. „Was damals ein Schreckensversion (sic!) war, ist heute für viele ein Glücksversprechen“, nämlich im „grünen Milieu“, das „von einer Welt, in der nichts mehr raucht und lärmt“ träumt, nicht mal mehr der Fleischhauer, der, weil er ja so schön konservativ ist, von Glücksversprechen nichts hält, sondern sich als Mann der harten, auch unbequemen Fakten positioniert:
„Machen wir uns nichts vor“, eben: „Bei vielem“ – wer’s nicht weiß, muß vage bleiben –, „was auf europäischer Ebene gegen die deutsche Autoindustrie unternommen wird, geht es darum, Deutschland zu schwächen. Wer BMW und Daimler trifft, der trifft ins Herz der deutschen Wirtschaft, das wissen sie in Frankreich und Italien genau" und denken sich so gut wie täglich neue Grenzwerte aus. „Den Verschärfungen der Abgasnormen“, falls die nicht, wie üblich, von der deutschen Politik kassiert oder aufgeweicht werden, „können sie dort gelassen entgegensehen: Wer nur Kleinwagen baut, hat auf absehbare Zeit keine Probleme beim Flottenverbrauch.“ Eine sagenhafte Verschwörung auf europäischer Ebene also, wo Deutschland, wir erinnern uns, ja sowieso immer der Leidtragende und Zahlmeister ist und seine Handelsbilanz natürlich nicht auf z.B. italienische Kosten verbessert.
„Es hat Not an Kommis. Alles drängt der Journalistik zu.“ Kraus, 1909
„Auch bei den amerikanischen Strafverfahren kommt man nicht umhin, andere Motive als die Sorge um den Umweltschutz zu vermuten.“ Dekarbonisieren wollen sie uns wieder, wie der Morgenthau und die anderen Juden! „Die Empörung über die Schummelei beim Diesel erschiene mir jedenfalls deutlich glaubhafter, wenn die Leute, die über zu hohe Abgasbelastung klagen, nicht anschließend fröhlich in ihren SUV steigen würden, der 20 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer verbrennt.“ Die Leute, die über zu hohe Abgasbelastung klagen, sind aber eher welche, die gegen zu hohe Abgasbelastung klagen, mithin jene, die sich, in Kalifornien oder Vermont, statt eines SUV made in Germany einen sparsamen VW-Diesel gekauft haben und nun sauer sind, daß sie eine Dreckschleuder besitzen, die sie ausdrücklich nicht wollten.
Aber alles scheißegal, denn Fleischi ist halt ein wirtschaftsfreundlicher Konservativer bzw., mit abermals Leo Fischer, nicht einmal das: „Ich kenne Konservative: Er ist keiner, sondern bezieht taktische Positionen, die er zu spüren meint, und die ihm vor einem breiten Publikum Resonanz versprechen. Er schreibt als Journalist gewissen Stimmungslagen hinterher, ohne innere Beteiligung. (...) Wenige machen das mit seiner Berechnung.“ Und wenige sind also so hilfreich, wenn mir am Samstag nachmittag zu der Welt, wie sie ist und von „Beistrichjungen“ (Greml) und Schreckensversionen wie Jan Fleischhauer am Laufen gehalten wird, nichts mehr einfällt.
◀ | TITANIC-Chat: Interview mit einem Ökosexuellen | Vermischte Meldungen der Woche | ▶ |
Newstickereintrag versenden…