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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ihr seid’s

Auf die Idee kämen wir gar nicht, das Magazin der Süddeutschen Zeitung sei dazu da, uns für dumm zu verkaufen. Eher schon fürs Gegenteil.

„Geduldiges Papier: In jedem Bücherregal stehen Werke, die der Besitzer nicht gelesen hat. Und auch nie lesen wird. Eine Übersicht der wichtigsten ungelesenen Bestseller“, nämlich – wir nennen sie, aus Gründen, alle –: Darm mit Charme (Giulia Enders), Ich bin dann mal weg (Kerkeling), Fifty Shades of Grey (E.L. James), Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? (Precht), Deutschland schafft sich ab (Sarrazin), The Circle (Eggers), Was ich noch sagen wollte (Helmut Schmidt). Das alles nun wird per Matrix lustig aufbereitet: „So kommt das Buch zum Leser: Gab’s als Aboprämie zur Zeitung dazu“ (Schmidt); „Darum geht es wirklich: Erstsemesterwissen über Kant und Sartre für 14,95 Euro“ (Precht); „Da steht es im Regal: Neben Schirrmachers Payback und dem Leitzordner ,Gebrauchsanleitungen Technik, Kleingeräte’“ (Eggers). Usw. Formal läßt sich dagegen gar nichts einwenden, und eine solche Doppelseite würde auch in einem besseren Satiremagazin nicht unbedingt deplaziert wirken – wenn, ja wenn das nicht alles so unerhört gelogen wär’.

Denn die Annahme: Wir haben den Kram zwar gekauft, aber nicht gelesen (oder nur bis S. 46), ist natürlich eine falsche, wo es sich doch um einen recht präzisen Querschnitt des bürgerlichen (auch des nominell bildungsbürgerlichen) Bücherregals handelt, denn diesen Trivialkanon hat ja nicht die Unterschicht milliardenfach verschlungen, während die Kundschaft des SZ-Magazins die „Ästhetik des Widerstands“ las. Nein: Eben dieses konsumorientierte, freiheitliche, literaturferne Publikum will Text, der übers Stoffliche nicht hinauslangt (Eggers, James); will Spiritualität, Selbstfindung und Lebenshilfe (Kerkeling, Precht) und nicht zu viele Ausländer (Sarrazin); verehrt Helmut Schmidt und goutiert an Fräulein Enders weniger die „junge Frau, die gesteht, regelmäßig zu kacken“ (SZ-Magazin) als, wie Kollege Leo Fischer in einem Beitrag für Konkret 10/2014 aufgefallen ist, die neoliberale Agentin des effizient „pupsfidelen Lebens“ und Autorin einer „zuckersüßen Propagandaschrift des Lohas-Kapitalismus: Lebe gut, um viel arbeiten zu können, arbeite viel, um gut leben zu können … Wer nur das Richtige verzehrt, wer nur auf mich hört, so die implizite These, kann eine genauso darm- und kerngesunde postmoderne Powerfrau werden wie Mutti und ich … Jenes Milieu, das alle Probleme der Welt durch richtigen Konsum, also durch Fressen lösen möchte, pupst begeistert Applaus.“

„Ich wollte Dir nur zeigen, daß das Interesse, das mir die Seele erfüllt, schlecht mit dem Geiste harmonirt, der in dieser Gesellschaft weht; und daß die Beklommenheit, die mich zuweilen ergreift, hieraus sehr gut erklärt werden kann.“ Kleist an Ulrike, 12.11.1799

Von den Unterschichten unterscheidet unser modernes Kompetenzbürgertum neben der Fähigkeit, die Kommentarspalten der FAZ vollzustrunzen: „Ein Gutes hat der Klimawandel: Wenn Bayern zum Dschungel wird und Mitteldeutschland zur Halbwüste, gehen die Flüchtlinge woanders hin!“ allenfalls die Ahnung, daß es für die eigene Borniertheit und Bildungsferne eine Entschuldigung braucht; oder, noch besser, jemanden, der es traditionsgemäß durch ein „Wir waren das nicht!“ salviert.

Ich aber sage euch: Ihr kauft das. Ihr lest das. Ihr seid das.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick