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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Hart, aber fair

Eine entführte Maschine der Lufthansa nimmt Kurs auf die vollbesetzte Münchner Allianz-Arena. Nachdem das Krisenmanagement versagt hat und das Stadion nicht hat räumen wollen (oder können), entscheidet sich ein Pilot der Luftwaffe, das entführte Flugzeug abzuschießen. Seine Rechnung: Besser 164 Tote als 70 000. Nun steht er vor Gericht.

Des Juristen und Schriftstellers von Schirach Theaterstück „Terror“ ist bislang über 400mal zur Aufführung gelangt. Sein Clou: Am Ende der fiktiven Gerichtsverhandlung entscheidet das Publikum. 60 Prozent entschieden bislang auf Freispruch, 40 Prozent auf schuldig, und zwar des Mordes an 164 Unschuldigen. Es ist ein klassisches juristisch-moralisches Gedankenexperiment: Darf ich einen Güterzug, der auf einen Personenzug zurast, umleiten, auch wenn dabei fünf Gleisarbeiter sterben? Daß sich Schirachs Publikum im Verhältnis 60:40 entscheidet, ist achtbar und bildet das Dilemma immerhin näherungsweise ab; denn eine Lösung ohne Rest gibt es hier nicht.

Das konnte man zu Wochenbeginn auch der „Event“-Verfilmung des Stückes in der ARD entnehmen, wo Staatsanwältin und Verteidiger Schirachs Plädoyers pro und contra vortragen durften: Einerseits ist da das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches 2006 das sog. Luftsicherheitsgesetz für verfassungswidrig erklärte, weil, grob gesprochen, das eine Menschenleben nicht gegen ein anderes verrechnet werden darf, nicht einmal dann, wenn es, wie in einem entführten Flugzeug, absehbarerweise zu Ende geht. Andererseits gibt es in angelsächsischer Rechtstradition den Begriff des „kleineren Übels“ und ist, abermals grob gesprochen, Prinzipienreiterei spätestens dann so eine Sache, wenn es um ein volles Fußballstadion (oder, ergänzen wir das, einen Atomreaktor) geht. Hinterher saß man vorm Gerät und wußte nicht recht weiter.

„In der höchsten Not bewährt sich das höchste Recht und erscheint der höchste Grad richterlich rächender Verwirklichung dieses Rechts.“ Carl Schmitt, 1934

Das Volk, als Fernsehpublikum ein anderes denn als Theaterkundschaft, wußte es. 87 Prozent hießen den Abschuß gut, woraufhin der Fernsehrichter den Angeklagten freisprach und Frank Plasberg dran war, der, hart aber fair, nicht etwa Verfassungsjuristinnen und Moralphilosophen in der Sendung hatte, sondern den CDU-Knüppel und ehemaligen Bundesverteidigungsminister Jung; einen Luftwaffenpiloten; die designierte evangelische Landessuperintendentin von Hannover; und den Altliberalen Gerhart Baum, dessen Verfassungsklage das Luftsicherheitsgesetz zu Fall gebracht hat. Es ergab sich das erwartbar reaktionäre Remmidemmi, denn zwei waren, mit teils abenteuerlichen Begründungen, fürs Abschießen (das mit der grundgesetzlichen Menschenwürde, so ca. der Pilot, sei ja nicht von Gott befohlen und in Stein gemeißelt), die Protestantennudel, eine Käßmann in Blond, war plappermäulig unentschieden (obzwar die Christin es eigentlich am einfachsten gehabt haben sollte: Du sollst nicht töten, Punkt), und der arme Baum, halt auch schon 83, saß da wie ein Großvater, der die Nachgeborenen samt ihrem willig grinsenden Vollstrecker Plasberg beschwor, die unverlierbare Würde des einzelnen, bitte!, nicht leichtfertig dem zu opfern, was da gesunder Menschenverstand heißt.

Da war es freilich schon zu spät, wie die Zusammensetzung der Runde – Politik, Militär, Kirche und ein liberaler Rest – das Abstimmungsergebnis sowohl vorwegnahm als auch abbildete. Es müßten, war zu hören, halt auch mal Entscheidungen getroffen werden, gerade in diesen Zeiten, in denen die Bedrohungen nun mal andere seien als in der Nachkriegszeit, und schon Helmut Schmidt sei bekanntlich nicht mit dem Grundgesetz unterm Arm herumgelaufen; und ein Hipster im Publikum freute sich mitzuteilen, seine Freundin, als Stewardeß, habe ihren Abschuß bereits erlaubt. So wurde alles Lob der Tat; und was noch Wort war, kam von einer frommen Trine und einem alten Mann aus Bonner Zeiten, dessen Hinweis, die Art der „Event“-Reklame sei im Grunde Propaganda und präjudizierend gewesen, schon niemand mehr hören wollte.

Nach dieser Runde war ich freilich klüger; oder wenigstens so klug als wie zuvor. Denn unrecht haben immer die Mehrheit und das Fernsehen, das sie macht. (Bitte so doppelt verstehen, wie es gemeint ist.)




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg