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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Einverstanden

Der Erfolg des Online-Handels, wissen Psychologen, beruht u.a. darauf, daß ein Paket wie ein Geschenk ist und die Leute sich freuen, jeden Tag Weihnachten zu haben. Arbeiten die Leute darüber hinaus in meiner Branche, sitzen also den ganzen Tag am Schreibtisch, um Dinge gut oder nicht so gut zu finden, kann es sich sogar fügen, daß sie Überraschungsgeschenke erhalten, etwa vom freundlichen Rowohlt-Verlag, der mir, weil ich wohl so was wie ein Multiplikator bin, das Buch des Washingtoner ARD-Korrespondenten Jan Philipp Burgard „Ausgeträumt, Amerika? Unterwegs in einem gespaltenen Land“ zur Verfügung stellt. Jan Philipp Burgard ist vorne drauf und blickt zufrieden von den Stufen des Lincoln Memorial herunter. Wir kommen darauf zurück.

Der erste Satz der vorderen Umschlagklappe lautet: „Amerika ist ein Land voller Widersprüche“, und solcher Erkenntnisse wegen reist das „journalistische Ausnahmetalent“ („Kress Magazin“) laut Umschlagtext „mehr als ein Jahr lang … kreuz und quer durch Amerika und spricht mit den Menschen“; die Reisekarte im Buch zeigt freilich, daß Dr. Burgard nicht kreuz und quer durch die USA getrampt, sondern brav ein paar Mal vom John Foster Dulles Airport geflogen und jedesmal wieder zurückgekehrt ist, man hat ja schließlich Beruf und Familie. Blick auf die hintere Umschlagklappe, von uns Profis U3 genannt: „ … geboren 1985 in Iserlohn, studierte Politik, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht in Bonn und Paris. Als Producer im ARD-Studio Washington erlebte er 2008 den Aufstieg von Barack Obama und promovierte 2011 über dessen ,Jahrhundertwahlkampf’.“ Mit 23 Producer, mit 26 eine Dissertation, die vermutlich keinen akademischen Stein auf dem anderen läßt: hätte ein US-Freeway eine Überholspur, „Dr. Jan Philipp Burgard“ (U3) wäre drauf. „Nach Stationen bei den ARD-Tagesthemen, als Reporter für den NDR und das ZDF sowie als Referent des WDR-Intendanten wechselte Burgard 2016 in die Tagesschau-Redaktion. 2017 wurde er Korrespondent“ und gleichzeitig Buchautor, der uns an seinen Erfahrungen aus vielen Wochen als Korrespondent nun teilhaben läßt.

„Wir bescheidenen Übersetzer, / etwa von Fahrplänen, / Haarfarbe, Wolkenbildung, / was sollen wir denen sagen, / die einverstanden sind / und die Urtexte lesen?“ Eich, 1963

Und dann geht es los: „Meine Hände zittern nicht nur wegen der Kälte, als Anna und ich vor dem Lincoln Memorial in Washington aus dem Taxi steigen. Noch nie in meinem Leben war ich so aufgeregt. Anna ahnt nicht das Geringste. Ich glaube, in ihren Gedanken lesen zu können, daß sie lieber direkt ins Restaurant gefahren wäre, statt bei arktischen Temperaturen und zu später Stunde noch ein Monument zu besichtigen. Den ganzen Tag hat Anna mich von Museum zu Museum geschleift, aber angesichts der Minusgrade scheint ihr Wissensdurst ausgerechnet jetzt am Lincoln Memorial gestillt zu sein … Wahrscheinlich findet Anna meine Idee völlig verrückt, hier auf dem Weg zum Dinner noch haltzumachen“, weil Dr. Burgard seiner Anna (S. 5: „für Anna Maria“) nämlich noch einen Heiratsantrag machen will, damit sich sein persönlicher amerikanischer Traum erfüllt: „Inzwischen leben wir in Washington und sind stolze Eltern einer kleinen Tochter. Unser persönlicher amerikanischer Traum erfüllt sich.“

Warum müssen wir von derlei erfahren? Gut, Dr. Burgard mag gefunden haben, sein Kniefall vor Lincoln und der Umstand, daß er mit Folgen seiner Anna beigewohnt hat, sei immerhin lesenswerter als das, was an Brisantinformation folgt: „Die Route 66 ist viel mehr als eine Straße. Wer auf ihr unterwegs ist, sucht den amerikanischen Traum von grenzenloser Freiheit“ / „Das Weiße Haus im Kampf gegen die Medien“ / „Krank in Kentucky: Wenn Gesundheit unbezahlbar wird“; außerdem gibt es das, was Richard Sennett den „Terror der Intimität“ nennt, und vielleicht kann selbst ein erfolgsverwöhnter Mensch wie Dr. Burgard, aus dessen Hinterteil die Sonne so unverschattbar gleißend scheint, sein Glück einmal nicht fassen. Möchte freilich sein, irgend etwas in ihm ahnt, daß er eine völlig künstliche Existenz ist, ein Klon, das Ergebnis von Apparaten, die Apparate formen, die das ewig lange Danke am Schluß natürlich einleiten müssen mit „Only teamwork makes the dream work“. Und wir, die es nicht ein Zehntel so weit gebracht haben, sehen nach oben, an Dr. Burgard noch ziemlich vorbei, und grüßen Günter Eich: „Vor soviel Zuversicht / bleibt unsere Trauer windig“.

Wenn auch freilich verständlich.




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Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt