Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Eine Meldung (und ihre Geschichte)
„Berlin/Vorra. Die Bundesregierung hat die Brandanschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte in Vorra bei Nürnberg scharf verurteilt. Sollte sich ein fremdenfeindlicher Hintergrund bestätigen, handele es sich um ,abscheuliche Taten‘, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Freitag.“ Sollte sich ein fremdenfeindlicher Hintergrund hingegen nicht bestätigen, handelt es sich bei den Brandanschlägen auf geplante Flüchtlingsunterkünfte um eine nicht ganz so abscheuliche Tat, wie allerdings vorderhand wichtig ist festzustellen, daß Brandanschläge auf geplante Flüchtlingsunterkünfte nicht notwendig einen fremdenfeindlichen Hintergrund haben müssen, sondern einen anderen haben können, einen fremdenfreundlichen oder landschaftspflegerischen. „Derlei Formen von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit hätten keinen Platz in Deutschland.“ Wo Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit nämlich durchaus einen Platz haben, sofern sie nicht in solchen Formen auftreten: Den Ausländer darf man hassen, aber bitte nicht anzünden, in Abwandlung eines alten Slogans: Zünd meinen Nicht-Kumpel nicht an. „Drei Häuser, in denen in Kürze Asylbewerber hätten untergebracht werden sollen, waren in der Nacht zum Freitag durch Brände stark beschädigt worden. Sie wurden zudem mit fremdenfeindlichen Parolen und Hakenkreuzen beschmiert. CSU-Chef Seehofer zeigte sich vor dem Beginn des Parteitags in Nürnberg ,erschüttert‘. Er ,verurteile diese schändliche Tat‘.“
„Ach, was war unerträglicher als die eiserne Unveränderlichkeit dieser Verhältnisse, die Festigkeit eines solchen ewigen Bergschnees?“ Jean Paul, 1802
Die nämlich nichts mit dem Beginn des Parteitags in Nürnberg zu tun hat, auf dem die weitestgehende Deutschpflicht für Kanaken ja lediglich hatte angedacht werden sollen, ein Vorschlag, dessen Nichtumsetzbarkeit freilich eingerechnet worden war: Ging ja nicht im Ernst um eine Sprach- und Sprechpolizei (und gar eine aus Bayern, Franken oder Schwaben!), sondern ums Futter für die Stammtische und alle, die sich fremd fühlen im eigenen Land, eine lt. Tagesthemen von neulich „Minderheit“, die Mehrheit sei angesichts der Flüchtlingsströme nach wie vor „hilfsbereit“, und ob der Korrespondent, der von den neuen (oder nicht so neuen) Dresdner Montagsdemos berichtete, nun das fällige „noch“ wirklich sagte oder bloß insinuierte, ich habe es vergessen; glaube aber eh zu wissen, daß die Imago vom kunterbunten Einwanderungsland BRD eine von BDI und Feuilleton ist. (Das am selben Tag, an dem die zitierte Meldung in der Zeitung stand, mit der Zeile aufmachte: „Ihr seid wir“. Gewiß.)
Die Stimmung, und sei es die latente, könnte eher jene sein, die im Spätsommer 2013 bei Leipzig, wo Asylanten in einem leerstehenden Lehrlingswohnheim Unterkunft finden sollten, die erschütternde, keinen Platz in Deutschland habende Schande von Vorra vorwegnahm: „... Bürger in Rackwitz … haben ein Flugblatt verteilt: Durch Ausländer werde das Bildungsniveau an ihrer Schule gesenkt. Die Kriminalität werde steigen. Und auf dem Weg zur Bürgerversammlung sagte eine Frau, es werde schon darüber geredet, das Problem zu lösen. Entweder das Haus werde jetzt abgefackelt oder später – dann, wenn es bewohnt ist.“
Ob hier ein fremdenfeindlicher Hintergrund (und also die übliche Schande für Deutschland) angenommen werden muß, wird von den zuständigen Stellen noch geprüft.
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