Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ein Welterfolgsmensch

Träume gehen ja eher ausnahmsweise in Erfüllung, aber es wäre doch wirklich zu schön, wenn der deutsche Spitzenregisseur Florian Henckel von Donnerhall-Donnersmarck nun auch seinen zweiten Regie-Oscar abholen und einheimsen dürfte dafür, die deutsche Diktaturgeschichte, die sich Ausland so gut verkauft, wiederum sehr schmackhaft angerichtet zu haben; und gleichzeitig in der Heimat dafür zu sorgen, dass die Heimat erfährt, wie es wirklich war.

Oder jedenfalls fast. Ein reichliches Jahrzehnt nach jenem Triumph, den man besser, als ich es getan habe, vermutlich nicht würdigen kann, berichtet Christoph Hein in seinem nächsten, im Feuilleton des Morgenblatts in einem kleinen Auszug abgedruckten Buch davon, wie Donnersmarck ihn einst aufgesucht und um Hilfe gebeten habe: Wie es denn in der DDR für einen Schriftsteller so sei. Hein erzählte ihm dies und das, Donnersmarck schrieb mit und war „unsäglich dankbar“ (Hein), und vier Jahre später saß der Schriftsteller auf persönliche Einladung im Kino und staunte, dass ihm der Vorspann vom „Leben der anderen“ ausdrücklich dankte. Obwohl alles der reine Quatsch war: „Dass der Filmheld seine Arbeit konspirativ anfertigen muss, sie auf einer dramatisch versteckten Schreibmaschine schreibt, das Manuskript in Agentenmanier in den Westen schmuggelt, dass er, der einer der berühmtesten Autoren des Landes sein soll, samt seiner Freundin, ebenfalls sehr berühmt, von der Staatssicherheit abgehört und lebensbedrohend bedrängt wird, alles das ist bunt durcheinandergemischter Unsinn.“ Sicher, er, Hein, sei mal verwanzt gewesen, aber in den paranoiden sechziger Jahren; was Donnersmarck da als späte DDR ausmale, sei ein melodramatisches „Gruselmärchen“. Hein bat den kommenden Starregisseur, seinen, Heins, Namen aus dem Vorspann des Märchens zu entfernen. Seitdem ist Donnersmarck wohl beleidigt und erzählt laut Hein, die Inspiration zum Film stamme von Wolf Biermann, und auf seine Weise stimmt das ja auch.

„,Worüber schreiben Sie? Was ist Ihr Thema? Eine Liebesgeschichte?’ fragte sie weiter. Dallow spielte mit dem Weinglas und überlegte. ,Der Held ist ein Idiot. Und er bekommt schließlich, was er verdient. Das ist schon alles.’“ Hein, 1989

Nun ist der Film ein Welterfolg geworden, und ohne Melodrama kein Welterfolg; aber auch das Melodrama kann sich entscheiden, ob es, so es auf Geschichte basiert, diese Geschichte an der Wahrheit entlang fiktionalisieren will oder nicht. Spielbergs „Schindlers Liste“, zum 25jährigen Jubiläum jetzt wieder in den Kinos, ist ja ebenfalls Melodrama, aber eins, das die historische Wahrheit immerhin nicht zurechtfälscht. Musste der Film auch nicht, denn „um Wirkung zu erzielen“, weiß Hein, „braucht es Schwarz-Weiß, werden edle Helden und teuflische Schurken benötigt“, und um die musste sich Spielberg nicht bemühen. Donnersmarck dagegen entschied sich für den in jeder Hinsicht bunten Unsinn, der überdies den Vorteil hat, sich vom offiziellen Unsinn zum Thema nicht zu unterscheiden, wie Welterfolge ja nicht unbedingt mit Irritationen erzielt werden.

Warum erzähle ich das alles? Warum erzählt es Hein, ein Dezennium zu spät? Weil es der Kulturindustrielle Donnersmarck selbst dann geschafft hat, wenn es sein neuester Schmarren im Dolby Theatre von L.A. heuer nicht schaffen sollte. Zehn Jahre nach der Filmpremiere trifft Hein einen Germanistikprofessor, der in seinem Seminar Heins Anti-Zensur-Rede von 1987 besprochen hat, und der Professor berichtet, seine Studentinnen hätten sich geweigert zu glauben, dass Hein dafür weder verfolgt worden, noch ins Gefängnis gekommen sei. „Das sei unmöglich, beharrten die Studenten, so könne es nicht gewesen sein, sie wüssten das ganz genau, weil sie ja den Film ,Das Leben der anderen’ gesehen hätten. Man sei … in Unfrieden voneinander geschieden.“ Ich hoffe sehr, es hat sich hier um ein Haupt- bzw. ja jetzt Master-Seminar gehandelt, denn es soll bitte jeder ein Germanistikstudium absolvieren dürfen, ohne den u.U. ja doch noch elementaren Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit, Propaganda und Wahrheit besser zu kennen, als es hierzulande, geht es statt um Relotius um den bolschewistischen Todfeind, erwünscht ist.

„Der Film“, schließt Heins Text, „wurde ein Welterfolg. Es ist aussichtslos für mich, meine Lebensgeschichte dagegen setzen zu wollen. Ich werde meine Erinnerungen dem Kino anpassen müssen. Denn wenn auch die Tragödie zur Farce wird und schließlich zur Hanswurstiade, so endet doch alles als Melodram.“ Anders gewendet: „In der Kulturindustrie ist das Individuum illusionär … Es wird nur soweit geduldet, wie seine rückhaltlose Identität mit dem Allgemeinen außer Frage steht“ (Dialektik der Aufklärung).

Mithin als Henckel-Donnersmarck. Applaus.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick