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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Die ewigen Fremden

Ich bin, eine Alterserscheinung, gar nicht mehr ganz so scharf auf Originelles, was mir als Morgenzeitungsleser sehr zupaß kommt: „Oft stehen die Erwartungen der Familie einer Entscheidung für das Handwerk im Weg. Viele Eltern glauben, daß nur ein Studium eine gute Zukunft sichert“, steht prima scheinheilig in eben jener SZ, deren Kundschaft durch die Bank glaubt, daß ausschließlich ein Studium eine gute Zukunft sichert; in der Frankfurter Konkurrenz warnt Altenbockums Jasper zum tausendsten Mal vor „überschießender Moral“ in Sachen Flüchtlinge; und in beiden Organen war zum Themenkonnex Wurst und Krebs zu lesen, das Problem sei nicht die Wurst, sondern das fehlende Maß. Wo ja strenges Maßhalten bekanntlich auch die Essenz unserer schönen Grundordnung ist.

Daß die Affaire auch eine nationale Komponente hat, fiel, wiederum in München, überraschenderweise dem populären Koch Vincent Klink ein; bei den Angelsachsen sei nämlich alles noch viel schlimmer: „Fast überall ist da Nitritpökelsalz drin … Myriaden von amerikanischen oder englischen Frühstückswürstchen (zusätzlich noch mit rosa Farbstoff) haben sich an fröhlichen Konsumenten vergangen … Die WHO und die internationale Krebsforschungsagentur IARC sind durchaus seriöse Institutionen, in denen englisch gesprochen und gefrühstückt wird. Sollen sie sich doch erst mal um die englischsprachigen Länder kümmern! … Das deutsche Kulturgut Wurst läßt sich von Ausländern gar nicht erfassen; selbst wir deutschen Aborigines haben nur selten die Künste eines wirklich guten Metzgers kennengelernt.“ Was Klink, erwartbar, nervt, sind „diese ganzen Ermahnungen der internationalen Gesundheitspolizei“, die „den aufrechten Landwirten und ehrlichen Metzgern“ unrecht tun, zumal den deutschen; und was evtl. sogar (Achtung, Metapher!) ironisch gewürzt war, klingt trotzdem so wie Springer über VW: Schlimm, aber die Amis sind doch noch viel schlimmer!

Die freilich fragen könnten: What’s that got to do with anything? Für Slow-Food-Qualitätsfleisch vom wirklich guten Metzger könnte sich eins ja auch einfach so verwenden, ohne Seitenhieb aufs perfide Albion; aber „wir Deutsche“ (faz.net, 31.10.2015) stehen halt neuerdings zu Schutz und Trutze wieder sehr brüderlich zusammen, und da machen auch im übrigen ganz unverdächtige Leute mit, weil das halt (Achtung, Metapher!) in der soziokulturellen DNS so drinsteckt.

„... werden die Schweine schonend und würdevoll geschlachtet.“ Aus einer Kabel1-Reportage über Ökofleisch, 2015

Und wenn dann ein junger jüdischer Deutscher ein Buch darüber schreibt, warum er, als Jude, jetzt nach New York geflohen ist, dann lobt die FAZ-Rezensentin zwar pflichtschuldig die Jagdszenen aus Märchendeutschland: „Dann nach der Schule, ein paar Jahre später. Daniel, etwas älter und bewaffnet mit einem elektrischen Rasierapparat, jagt Yascha Mounk, versucht ihm, um ein bißchen KZ nachzuspielen, die Haare abzurasieren. ,Ständig sagt ihr Juden uns, was wir zu tun haben (. . .) Aber damit hat sich’s jetzt. Wir werden euch schon zeigen, wer hier das Sagen hat’“; kann aber gar nicht verstehen, was das laut Autor Mounk mit dem einstigen Frankfurter Allgemeinen Haushistoriker Ernst Nolte zu tun haben soll. Und stellt, wie einst das Reichssicherheitshauptamt, eine Emigrationsgenehmigung allenfalls zögernd aus: „In dieser Geschichte und in sehr vielen anderen sehnt sich Yascha Mounk nur nach dem Dazugehören: Doch durch sein Leben und Buch treiben sehr viele Deutsche, die ihn einfach nicht dazugehören lassen. Sein ,Echt, du bist Jude?’ ist deshalb auch so paradox – denn einerseits schafft Mounk es, dieses Land in seiner Realität zu beschreiben, das Fremde immer wieder vor die Entscheidung stellt, sich entweder vollkommen anzupassen in Deutschland oder [der] ewige Fremde zu bleiben. Auch Yascha Mounk stand vor dieser Entscheidung. Er ist nach New York gezogen, weil er sich nicht hatte anpassen können und wollen, so denkt er es, schreibt er es. Andererseits aber schreibt Mounk so viel Angepaßtes in seinem Buch, daß man ihm die Entscheidung, ein Unangepaßter bleiben zu wollen, nicht abnimmt. Zu oft verleugnet er sich als Fremder in Deutschland, so oft, daß man zum Schluß erkennt: Yascha Mounk, der neue New Yorker, ist ein echter Deutscher geworden.“ Was er als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens vorher nicht war? Als Ewiger Fremder? Der das Sich-Verleugnen gegenüber Deutschen, die von einem jüdischen Landsmann (Über-)„Anpassung“ erwarten, satt hatte? Und erst eingemeindet wird, als er Republikflucht begeht? Weil wir in Stalingrad gesiegt hätten, hätten wir bloß unsere Juden dabei gehabt?

Aber das nur von mir, dem nationalen Gesinnungspolizisten, der gerade Nicholas Stargardts „Der deutsche Krieg 1939–1945“ liest und von treuen Heimatfronten und deutschen Metzgern grad wirklich genug hat.  




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Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt