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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Mit Netz, ohne doppelten Boden

Die Geschichte war für mich eigentlich durch, weil die Morgenzeitung im Fall Spacey so stimmenreich wie einhellig darauf bestand, Leben und Kunst nicht in einen Topf zu werfen. Von den „sabbernden Erwartungen an Stars und deren vermeintliche Authentizität“ schrieb der gelernte Kunsthistoriker Peter Richter. „Keiner ist gezwungen, die Arbeit eines Menschen anzuschauen, den er verabscheut. Kevin Spacey aus einem Film zu schneiden ist kein besonders tröstliches Zeichen für das kulturelle Klima der Gegenwart.“ Und die gelernte Kunsthistorikerin Kia Vahland klagte, heute würden Kunstwerke häufig „nicht ästhetisch, sondern biographisch“ legitimiert: „Vielleicht sollte man Verbrecher, ob Künstler oder nicht, mit juristischem Augenmaß beurteilen.“

Als nun auch der große Komiker Louis C.K. an den Pranger geriet, rettete die FAZ in Gestalt einer Johanna Dürrholz meinen Frühstückstag, die, wenn auch invers, den sabbernden Erwartungen an Stars und deren vermeintliche Authentizität aufsaß: „Dabei gibt es durchaus frauenfeindliche Figuren in amerikanischen Serien, deren Darstellern man den Sexismus verzeiht: Barney Stinson ist vermutlich der größte Sexist der Fernsehgeschichte. Sein Ziel ist die ,perfekte Woche’, also in einer Woche mit sieben Frauen zu schlafen, jeden Tag mit einer anderen. Er hat Regeln für sein Dating-Leben, die allesamt darauf hinauslaufen, daß er keine Frauen daten kann, die Übergewicht haben (…). Wieso ist dieser schrecklich-schlimme Mensch witzig? Ja, wieso mag man dieses frauenverachtende Arschloch sogar irgendwie? Das liegt zum einen am Regulativ der anderen Charaktere“, recte: Figuren, „in der Sendung (…). Zum anderen aber ist bekannt, daß Neil Patrick Harris, der Barney Stinson verkörpert, ein großer Humanist und Menschenfreund ist, ein gutmütiger Broadway-Star, der zwei Kinder hat und verheiratet ist – mit einem Mann. Die Diskrepanz zwischen Harris und Stinson könnte also größer kaum sein. Und das macht Barney Stinson in seiner Unerträglichkeit nicht nur erträglich, nein, es macht ihn irgendwie sympathisch. Das verdeutlicht, daß eine Sache, die in der Debatte um den Mißbrauchsskandal in Hollywood immer wieder gefordert wird, eben doch nicht immer möglich ist: Künstler und Werk sind nicht jedes Mal glasklar voneinander zu trennen.“

„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.“ Schiller, 1798

Ob sich nun, rein sprachlich, etwas glasklar voneinander trennen läßt, ist die eine Frage; ob man Künstler und Werk trennen muß, die andere, denn der Künstler, soviel ist wahr, ist sein Werk; aber wenn der Künstler abends ins Kino geht oder seine Kinder ins Bett bringt, seine Frau schlägt oder beim Essen schmatzt, dann ist er ein Mensch, ein guter oder nicht so guter, ein netter Kerl oder ein Arschloch oder vielleicht beides. Und erstaunlich nun die Überzeugung, privates Idealverhalten (nach wessen Ideal?) sei Bedingung für Anstößiges, Frivoles, Heikles in der Kunst: „Weil nämlich, wer politisch inkorrekte Witze, frauenfeindliche Witze macht, die nur machen darf, wenn er sonst im Leben eine völlig reine Weste hat. Sonst funktioniert die überspitzte Ironie, die nur durch das Doppelspiel aus Fakt und Fiktion gelingt, nicht mehr. Wenn die Vorwürfe gegen Louis C.K. stimmen, ist er einfach nur ein weißer Mann mittleren Alters, der gern vor seinen Mitarbeiterinnen masturbiert. Und darüber schlimmstenfalls noch geschmacklose Witze erzählt.“

Richtig ist, daß Satire ihre Umgebung, ihren Hintergrund hat: Ein politisch inkorrekter, frauenfeindlicher Witz in TITANIC ist etwas anderes als ein ebensolcher Witz in „Bild“. Verwegen (wo nicht autoritär) ist aber die Annahme, das Privatleben eines Künstlers stehe für seine Kunst ein, was ja auch nur in Zeiten funktioniert, wo jeder private Furz sofort ins Weltnetz gelangt. Von Gerd Dudenhöffer etwa ist nie recht bekannt geworden, inwieweit er mit seiner Kunstfigur, dem saarländischen Spießer Heinz Becker, identisch ist, die vom Vereinsfest berichtet, auf dem die Bedienung keine Weiße war: „Ich haan gesaat, die macht des bestimmt schwarz.“ Es spielt auch keine Rolle; es wäre sogar schädlich. Denn der Saal steht kopf, und wer mitlacht, kann sich fragen, ob er mit Heinz Becker lacht oder über ihn, falls sich das nun wieder trennen läßt. Komik, Satire zumal, hat ja nun mal was mit Ambivalenz zu tun.

Louis C.K., der geschiedene mittelalte Comedian, der in New York lebt und zwei Töchter hat, steht auf der Bühne (oder vor der Kamera) als geschiedener mittelalter Comedian, der in New York lebt und zwei Töchter hat. Neben sehr vielem anderem (auch Politischem) geht es oft ums Onanieren, und das ist schon darum lustig, weil hier Banales und Existentielles so griffig in eins fallen. Es wird nicht weniger lustig, wenn ich erfahre, der private C.K. habe Frauen genötigt, ihm beim Onanieren zuzusehen. Seine Witze, sofern sie Sex, Ehe oder Elternschaft zum Thema haben, werden auch nicht plötzlich geschmacklos, weil er sich als Privatperson nichteinvernehmlich vor Frauen entblößt oder Anstalten dazu gemacht hat. Freilich wird auf der Bühne Leben verhandelt, und die Interpretin kann jetzt sagen, ah, da kommt es her. Aber auf der Bühne ist auf der Bühne ist auf der Bühne, und auf der Bühne zu wichsen (zu stehen, zu töten) ist etwas anderes als auf dem Marktplatz, nicht allein rechtlich (wie Louis C.K. jetzt erfahren muß), sondern kategoriell. Daß die Bühne das Wohnzimmer eines Künstlers sei, ist noch bei 300 Auftritten im Jahr eine Metapher.

„Die ästhetische Dimension bewahrt sich noch eine Freiheit des Ausdrucks, die den Schriftsteller und Künstler befähigt, (…) das sonst Unnennbare zu nennen.“ Marcuse, 1964

Ob das alles wiederum die positivistische Unfähigkeit „zum Absehen von der empirischen Wirklichkeit im Modus der Einbildungskraft“ (Klaue, wir hatten das) ist, das Unvermögen gerade der Jüngeren, unterm Regiment der Alternativlosigkeit Sozialisierten, Fiktion ohne Fakt zu denken und mehr als das Sosein wahrzunehmen, nämlich Marcuses „ästhetische Dimension“, muß hier nicht entschieden werden. Peter Richter ist jedenfalls so alt wie ich, Kia Vahland hat 2011 promoviert; Kollegin Dürrholz, falls ich beim Googeln die Richtige erwischt habe, hat 2015 in Bonn ihre Bachelorarbeit eingereicht.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt