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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Designerstaat mit Einbauküche

Wenn der Tag lang ist und die Wochenendausgabe der superliberalen Zeitung dick genug, kann man, so ca. auf S. 45, ganz erstaunliche Dinge lesen: „Schon 2011 schrieb ausgerechnet der autorisierte Biograph Margaret Thatchers, Charles Moore: ,Ich beginne zu glauben, daß die Linke recht hat.’ Eines der großen Argumente der Linken sei ja, so Moore, ,daß das, was die Rechte den freien Markt nennt, ein ziemlicher Schwindel ist’. Die Reichen betrieben ,ein globales System, das ihnen erlaubt, Kapital anzuhäufen und geringstmöglichen Preis für Arbeitskraft zu bezahlen. Die einfachen Leute müssen härter arbeiten zu Bedingungen, die täglich unsicherer werden, um die Reichen reicher zu machen. Die Demokratie, die ja eigentlich Wohlstand für viele bringen soll, ist in der Hand der Banker, Medienbarone und anderer Mogule, denen alles gehört.’ Da kann man sich, wie Moore, schon fragen“, und der Autor Sebastian Schoepp tut es denn auch: „Bin ich etwa links, wenn mir diese These nicht unplausibel erscheint?“

Dies also die Sorgen unseres Linksliberalismus, der zwar nicht mehr übersehen kann, daß die Regierung keine of the people, for the people and by the people ist, den Anschluß an den Mainstream aber vorsichtshalber nicht verlieren will und deshalb – „Hilfe, bin ich links?“ – das Offensichtliche für evtl. nicht unplausibel hält. Denn „auf Partys in deutschen Designerküchen wird man immer noch angeschaut, als wäre man Rudi Dutschke, wenn man sich als Griechenlandversteher outet“. Was daran liegen mag, daß es in einer Ordnung, die die „Auflösung von Politik in Marktkonformität“ (Habermas) unterbindet, es mit den Designerküchen u.U. vorbei ist. Das macht dann angst.

„warum? / ist doch falsch“ Rainald Goetz, 2007

Und darum ist klar, worauf das alles hinausläuft: auf die Restitution des rheinischen Kapitalismus, der „sozialen Marktwirtschaft“, auch wenn die dann neuerdings „Post-Kapitalismus“ heißt. Der „europäische Sozialstaat“ soll wieder her, den Bourdieu eine „so unwahrscheinliche und schöne Errungenschaft wie Beethoven, Kant und Mozart“ genannt habe und der aber, wir wissen es, ohne Sozialismus nicht funktionieren kann, und sei es auch nur ohne einen konkurrierenden. Im „alternativlosen“ Kapitalismus ist der gute alte Sozialstaat nicht einmal als patriarchale Maßnahme denkbar, „um das Volk ruhig zu halten“, denn dann geht das Kapital woanders hin, und die Demokratie ist machtlos, denn sie ist die Funktion des Kapitals, nicht umgekehrt. Da den Kapitalstaat, und sei’s der Küchen wegen, aber niemand abschaffen will, sollen wir ihn nun wieder mal gemeinsam „reformieren, dynamisieren, ihn mit neuen Werten und Verhaltensweisen anreichern“, um „die soziale Marktwirtschaft … zu bewahren. Wenn das radikal ist – meinetwegen.“

Radikaler geht’s nicht: Eine dreivierteltote Sozialmarktwirtschaft bewahren und den Kapitalismus moralisch anreichern, damit er wieder so aussehe wie in meiner „Ein Fall für zwei“-DVD-Box 1983ff, als im Taunus die Villen standen und die Arbeiter müde in der Kneipe saßen, weil sie hart arbeiten mußten, um die Reichen noch reicher zu machen. Abgesehen davon, daß dieser Kapitalismus ohne neue Oktoberrevolution nicht kommen wird, wäre auch er einer der Medienmogule und ihrer Journalisten. Bloß Hartz IV, diese Angstgeißel des Bürgertums, gerade des griechenlandverstehenden, gäbe es dann nicht. Und das ist, Hilfe!, ein guter Grund, mal so richtig radikal zu werden.




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Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick