Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Belogen und betrogen
Ach, was muß man oft von bösen Menschen hören oder lesen: Erst hat bekanntlich VW bei den Abgaswerten geschummelt; dann hat VW, wie am Mittwoch zu lesen war, gleich noch mal geschummelt: „Die Europäische Anti-Korruptionsbehörde ermittelt: Hat Volkswagen Milliardenkredite zweckentfremdet, die der Entwicklung umweltfreundlicher Motoren dienen sollten?“ Evtl. hat auch der Pharmakonzern Bayer bei einer seiner Antibabypillen geschummelt und das mit der Einnahme verbundene Thromboserisiko ein wenig zu gering veranschlagt, weshalb eine 29jährige, die fast an einem Blutgerinnsel gestorben wäre, nun klagt: „Weltweit haben sich Frauen zu Wort gemeldet, die das Verhütungspräparat eingenommen haben und gesundheitliche Probleme darauf zurückführen. Der Anwalt der deutschen Klägerin Felicitas Rohrer vertritt nach eigenen Angaben weitere Frauen mit ähnlichen Fällen. Einige von ihnen haben Klage eingereicht oder wollen dies tun. In den USA hatten mehrere tausend Frauen gegen Bayer geklagt. Bis Anfang dieses Jahres schloß der Konzern rund 9000 Vergleiche in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden US-Dollar ab, ohne jedoch eine juristisch wirksame Verantwortung anzuerkennen. In der Schweiz kam es 2009 zu einem spektakulären Fall. Wenige Wochen, nachdem eine damals 16jährige mit der Einnahme der von Bayer stammenden Antibabypille Yaz begonnen hatte, erlitt sie eine Lungenembolie und ist seither schwerbehindert“ (Zeit online).
Und dann schummeln auch noch die Hersteller von Energiesparlampen, nämlich, wie Deutschlandradio Wissen von der Süddeutschen wußte, „in Sachen Stromverbrauch. Das Ganze erinnert ein bißchen an den Abgasskandal bei Volkswagen. Denn bei vielen Leuchtkörpern gilt …: Die Angaben zur Leistung auf der Packung müssen nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun haben ... Einige Halogenlampen leuchten 20 Prozent oder noch schwächer, als auf der Verpackung angegeben ist. Also kurz zusammengefaßt: Viele Lampen haben weniger Leuchtkraft als versprochen oder verbrauchen mehr Strom, damit sie so hell leuchten wie angegeben.“
„Wirklich geglaubt werden nur Lügen.“ Tucholsky, 1931
Die Wendung „kurz zusammenfassen“ ist freilich auch schon wieder windiger, als man’s von einem Deutschlandradio Wissen erwarten darf, denn eine lange Zusammenfassung ist ja schon keine mehr; aber jedenfalls ist die Riesenüberraschung die, daß „Schummeln“ keine Angewohnheit ist, die nur bei Kfz-Konzernen zu Hause wäre. Dabei ist die Sache mit den Lampen, bemerkenswert genug, legal, denn „Meßungenauigkeiten“ dürfen die Hersteller „draufschlagen“: „Lampenhersteller wie Osram geben auch zu, daß sie diese Meßtoleranzen ausnutzen. Und ein anderer Manager hat der SZ anonym gesagt, daß die Firmen billig produzieren wollen und die schlechtere Leistung bei den Messungen kaschieren.“ Daß derlei Praxis auch Praxis bei „Wasserboilern, Waschmaschinen oder Kühlschränken“ ist, darf vermutet werden.
Ein Skandal? Ach Gott. Mir würde es an diesem dunklen Frühlingsnachmittag vor Weihnachten, da ich dies schreibe, schon reichen, wenn sie uns, wie das Heute-Journal am Montag, nicht immer wieder damit kämen, im Osten seien die Leute vierzig Jahre lang belogen und betrogen worden. – Und aber apropos bzw. falls wer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht: Das dokumentarische Hörbuch „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! Lügen und Lumpereien aus siebzig Jahren deutscher Politik“ des Freund und Kollegen Jürgen Roth empfehle ich herzlich. Das ist nämlich „nicht lustig“ (Amazon-Rezension).
Nein, ganz und gar nicht. Ich wünsche trotzdem schöne Weihnachten.
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