Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Alles muß raus

Zuerst die gute Nachricht. Die Hilferufe, die Kundinnen in Produkten der Billigtextilkette Primark gefunden hatten: „Gezwungen, bis zur Erschöpfung zu arbeiten“, „Erniedrigende Arbeit in einem Ausbeuterbetrieb“, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Fälschungen. „Primark hatte bereits am Donnerstag Zweifel an der Echtheit der angeblichen Hilferufe erkennen lassen und diese als ,sehr merkwürdig‘ bezeichnet. Unklar ist bisher die Herkunft der dritten Botschaft, die in Nordirland aufgetaucht ist. Dieser Fall werde derzeit noch untersucht, teilte das Unternehmen mit. Es handelt sich dabei um einen Zettel in einer Hose. Der unbekannte Autor gibt sich als Zwangsarbeiter in einem chinesischen Gefängnis aus. Er und seine Mitgefangenen müßten für Primark ,arbeiten wie die Ochsen auf dem Feld‘“ (FAZ). Die schlechte Nachricht mag sein, daß ich vorgestern in der Innenstadt einen Pulk (männlicher) Halbwüchsiger passiert habe, die alle mit Tüten der Billigtextilkette Primark ausgerüstet waren und die es freilich nicht kümmerte, ob irgendwelche Depraviertenkassiber „echt“ sind oder lediglich nicht von den Opfern der Billigtextilketten selbst stammen.

Es ist natürlich falsch, daß früher alles besser war, als es auch schon Marken gab und Turnschuhe drei Streifen haben mußten. Aus meiner Adoleszenz unbekannt sind mir allerdings Shoppingtouren unter Jungs, die Klamotten schätzen mochten, deren Beschaffung aber nicht als Unterhaltung begriffen hätten. Ein Menschenalter später ist Shoppen alters- und geschlechtsübergreifend Volkssport und Kleidung ein Wegwerfartikel, etwas, was man kauft um des Kaufens willen und das so billig ist, daß es gar nichts macht, wenn man es nur zweimal anzieht oder gar nicht. (Die Primark-Kundin hatte die Hose mit dem chinesischen Hilferuf „bereits im Jahr 2011 gekauft, sie seither aber nicht mehr zur Hand genommen“.) Heute werden dreimal so viele Kleidungsstücke erworben wie vor 20 Jahren, und es muß gar nicht über „Geschäftspraktiken“ lamentiert werden, wenn es doch obszöne (Wachstums-)Praxis ist, daß anderswo Menschen schlicht dafür leiden, daß bei uns die Leut' ihre Freizeit herumkriegen.

„Nicht wahr, er ist wahnsinnig! Ganz und gar wahnsinnig!“ Svevo, 1923

„Jedes Jahr ein neues Smartphone!“ wirbt die Firma Vodafone, die sich darauf verlassen kann, daß Warum? nur mehr eine Kinderfrage ist. Im ICE sitzt ein Mann neben mir, der so aussieht, als gehöre er zur bedrohten Mittelschicht, und kaum war er eingestiegen, hat er einen Tabletcomputer vor sich auf den Tisch getan, auf dem eine Zugfahrt lang Fernsehprogramm (oder Mediathek) läuft. Der Mann sieht die Hälfte der Zeit gar nicht hin, weil er, unter allerlei Sende- und Aktionsgeräuschen, auf seinem Smartphone herumfingert, das er jetzt jedes Jahr neu bekommt, während wir Rufer in der Mentalwüste auf die Wiederlektüre des Zeno Cosini zurückgeworfen sind: „Die Gesundheit nämlich analysiert sich nicht. Sie sieht nicht in den Spiegel.“ Oder höchstens in den Spiegel, der ja neulich, um ein Heft mit 200 Anzeigen zu verkaufen, mit der Schlagzeile „Konsumverzicht“ eröffnet hat.

Hat ja auch schon keinen mehr gekümmert.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg