Gärtners kritisches Ostersonntagsfrühstück: Nimm mich
Daß alles immer besser wird, predige ich ja wochein, wochaus, und siehe, ich habe recht: Das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen berichtet, daß nur mehr jede zwölfte Frau, die nach einer Vergewaltigung zur Polizei geht, eine Verurteilung des Täters erlebt; vor 20 Jahren war es noch jede fünfte. Was ja auch schon nicht die Welt gewesen ist; aber acht Prozent? Von denen wohlgemerkt, die überhaupt erst einmal zur Polizei gehen?
Erklärt wird das u.a. damit, daß, seit Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist, der Quotient aus Verurteilungen und Anzeigen sinkt, weil sich mehr anzeigen als beweisen läßt. Springt ein fremder Täter aus dem Busch, ist mit dem Argument, die Dame habe das doch so gewollt, vor Gericht weniger auszurichten, als wenn der Ehemann auf Vollzug bestanden hat und vor Gericht Aussage auf Aussage trifft. (Die verrückte Lehrerin aus dem Hessischen, die mit einer allerhöchstwahrscheinlich frei erfundenen Vergewaltigung einen Kollegen fünf Jahre in den Kahn gebracht hat, hat nicht nur dessen Leben ruiniert, sie hat auch ungezählten Frauen einen Bärinnendienst erwiesen.) Es darf trotzdem festgehalten werden, daß Vergewaltigungen – zumal in den (von der Studie nicht genannten) Bundesländern, in denen die Verurteilungsquote sogar nur bei vier Prozent liegt – so gut wie faktisch straffrei geworden sind.
„Weil nun … die Menschen sich in dem Zustand des Krieges aller gegen alle befinden und jedweder sich der Leitung seiner eigenen Vernunft überläßt … : so folgt, daß im Naturzustand alle ein Recht auf alles, die Menschen selbst nicht ausgenommen, besitzen.“ Hobbes, 1651
Was daran der Gesetzeslage bzw. „Strafbarkeitslücken“ geschuldet ist, mögen die Fachleute klären; wir Gesellschaftsklimaforscher wollen hier lediglich und noch einmal die volle Fahrt in den emanzipatorischen Rollback verzeichnen, die zum Beispiel in Münchner U-Bahnhöfen Gestalt gewinnt, wo von drei Reklameplakaten, nebeneinander hängend, zwei unverblümt sexistisch sind: Eine Zweitkläßlerin in rosa Tüll wirbt für einen neuen (seinerseits natürlich prima misogynen) „Frauensender“, und drei junge Damen im Dirndl, denen irgendein dummer Agenturschwanz Senf an den Mund hat spritzen lassen, sind „scharf und süß“. Mag sein, daß mehr Frauen studieren (und zwar mit dem besseren Abitur), aber eine studierte, sogar promovierte Mutter aus der Nachbarschaft klagt, daß sie mit dem Töchterchen in die Jungsabteilung muß, wenn sie irgendwas kaufen will, das nicht rosa ist. Unter den aggressiv-regressiven Bedingungen der Zeit herrscht Gleichberechtigung allenfalls da, wo Frauen für den Mehrwert gebraucht werden, wobei es keine neue Erfahrung ist, daß Frauen sich jederzeit zur Verfügung zu halten haben; weshalb die Vereinbarkeit von Beruf und Karriere etwas ist, was Frauen zu kümmern hat, nicht Männer.
„Eier, wir brauchen Eier!“ Oliver Kahn, 2003
Es gibt keinen Grund anzunehmen, die gesamtgesellschaftliche Tendenz zum Arretierten, hermetisch Selbstunbewußten, offen Reaktionären als dem Gegenteil von welcher Emanzipation auch immer (auch die Homo-Ehe, sosehr man sie begrüßen mag, ist ja nur dann emanzipativ, wenn man das zutiefst Traditionelle und Konforme von Ehe und Familie ausblendet) wie die unwiderstehliche Gewalt der ubiquitären Ökonomisierung ließen das Verhältnis von Mann und Frau unberührt: Wer etwas will, der muß es sich nehmen, und wo Zivilisation war, herrsche das Recht des Stärkeren. Warum sollen Gerichte verurteilen, was die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft doch fordert? Und was sagt es über den Laden, wenn sich für Gewalt, die Frauen angetan wird, die Frauen schämen?
Eigenwerbung: Am nächsten Freitag liest der Autor im Berlin-Neuköllner Laidak aus dem mit Jürgen Roth verfaßten rüpelkritischen Kultpamphlet „Benehmt Euch!“ (19.30 Uhr).
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