Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW 18

Liebe Leser:innen,

erinnert ihr euch an den "Schmetterlingseffekt", diese in den Nullerjahren auffallend häufig für Hollywood-Filme ausgegrabene Idee der nichtlinearen Dynamik? Also die Frage, ob der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann? Über dieses Rätsel musste ich bei meinen Spaziergängen diese Woche sehr oft nachdenken. Jedoch immer nur bis 9 Uhr abends, denn spätestens dann wurde ich auf dem Heimweg von den zweifach Geimpften der Stadt mit Kraftausdrücken beleidigt, die ich hier weder wiedergeben kann noch möchte. "Schaut mal, da läuft er wieder, der feine Herr Kolumnist" und "Na, veräppelst du wieder andere Männer im Internet?" waren zwischen höhnischen Gelächter und Raucherhusten noch die harmloseren Invektiven der bei Flaschenbier und Filterzigarette cornernden Best Ager, während ihre Seniorenhandys die menschenleeren Straßen mit Semino Rossi und Helene bestreamten. Finstere Blicke gaben mir wortlos zu verstehen: Diese Stadt hier, mein Junge, gehört ab Montag uns.

Anyway. Im Lichte der neuesten "sprachjakobinischen Cancel-Kampagne selbstgerechter Lifestyle-Grüner" – ich zitiere die aktuellen Wortneuschöpfungen dieser KW – muss die Frage nach dem Schmetterlingseffekt ja eigentlich so lauten: Kann ein technischer Fehler auf Jens Lehmanns Handy die endgültige Meinungsdiktatur in ganz Deutschland auslösen? What are the odds? Trotzdem sieht es derzeit genau danach aus. Deswegen schlage ich vor, dass wir die Geschehnisse rekonstruieren und den Weg in die Diktatur gleichsam reverse engineeren. Solange es eben noch geht. 

Die Geschichte beginnt am Dienstagabend im Wohnzimmer des Ex-Nationaltorhüters. Auf Sky läuft irgendein Fußballspiel, in einer Werbepause grabbelt Lehmann mit Chipsfingern in den Ritzen des Rolf-Benz-Sofas (Modell MADE in Darbygrün) nach seinem Samsung Galaxy S III ("Die Büchse tut’s doch noch?"). Irgendwann fischt er das Ding triumphierend aus dem Eck, fast wie im Viertelfinale 2006 gegen die Gauchos. Er kann’s eben doch noch. Manchmal wünscht er sich diese irre Zeit irgendwie schon zurück. Dann schläft Lehmann zufrieden ein.

Als er aufwacht, ist er um drei Jobs ärmer. Am Abend zuvor hatte sich von seinem Samsung offenbar eine rassistische Whatsapp an den Kollegen Dennis Aogo gelöst. Lehmanns Versuch, das technische Missgeschick sachlich zu erklären ("In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden …"), hat gegen die geballte power der linksliberalen Internetrambos nicht den Hauch einer Chance, für sie steht das Urteil mit der Anklage fest: Lehmann, der Nazi.

Und das ist das Stichwort für einen anderen lonesome wolf im Meinungskorridor der Angepassten: Die Lehmann-Meldung ist noch keine 5 Minuten auf dem Markt, da geht der Tübinger Grünen-OB Boris Palmer schon mit angelecktem Zeigefinger den Leitz-Ordner der von ihm persönlich verwalteten Facebook-Fake-Profile durch. Offenbar ist es Zeit für einen metasatirischen Kommentar nach dem Tübinger Modell. Nach kurzem Überlegen entscheidet er sich diesmal für "Nadine P.", diesen Account hat er schon lange nicht mehr benutzt. Was wäre, wenn er Nadine einen Augenzeugenbericht schreiben ließe, nach dem sich Aogo bereits selbst einmal in ähnlich rassistischer Weise geäußert hätte wie das Samsung-Telefon von Jens Lehmann? Würde das die Vorwürfe gegen Lehmann nicht entkräften? Weil details everything sind, lässt Palmer diese Episode am Strand von Mallorca spielen. Sommer, Sonne, eben all das, was den Menschen da draußen gerade fehlt. Das moralinsaure Gutmenschentum wieder und wieder der Nase nach durch die Debatten-Manege führen, das kann er eben. Doch damit nicht genug, der OB würzt die Vorführung mit einer Volte mehr, wechselt wieder auf sein Hauptprofil und zitiert Nadine P.’s Bericht als Boris Palmer, sogar – und vielleicht wollte er in der Rückschau genau ab da zuviel – ohne Anführungszeichen. Als er gestern erklärt, dass er mit diesem ironischen Zitat auf die generelle Konstruierbarkeit jedweder Rassismusvorwürfe aufmerksam machen wollte, wird das Parteiausschlussverfahren bereits vorbereitet.

Auf den Ascheplätzen der Kreisliga gab es damals eine einfache Regel: Wenn einer so übertrieben zaubert, dass es in arrogante Demütigung umschlägt, wird er umgetreten. Und es fällt mir noch eine Analogie ein, nämlich das Märchen des Ikarus, jenem Wachsflügelmann also, der der Sonne zu nahe kam und abstürzte.

Und plötzlich wurde es Nacht.

Good night and good luck,
Dax Werner




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg