Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Meine Biographie (2. Teil)
Die Frau, die meine Biographie schreiben will, notiert sich alles. Dann greifen die Baumaßnahmen am früheren Busbahnhof allmählich auch auf die Handelsschule über, und wir fahren zu mir nach Hause, weil es da ruhiger ist. Die Biographin lernt meine in der Küche herumgeisternden Eltern kennen. Als sie ihnen Fragen nach Details aus der Familiengeschichte stellt, halten sie sich die Ohren zu und schreien.
Auch schrilles Klingeln ist zu hören, doch kommt es von der Wohnungstür. Ich gehe nachsehen. Draußen steht ein vor Jahren verstorbener Schulfreund. Besorgt frage ich ihn: „Du weißt doch, daß du tot bist?“
„Ja, ja“, antwortet er, „ich will dir nur das hier bringen.“
Ich bin entzückt: „Danke! Das habe ich seit vielen Jahren gesucht!“
Die Höflichkeit gebietet, daß ich ihn hereinbitte, um meinen Eltern und der Biographin Guten Tag zu sagen. Doch er lehnt ab: „Keine Zeit. Ich muß zurück.“ Und ich muß zurück in die Küche.
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