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Aus Eugen Egners Püppchenstudio


 

Das unbekannte Organ

Es hätte wahllos irgendetwas oder auch alles nur Erdenkliche auf einmal geschehen können, doch stattdessen flüsterte mir eines Nachts am Busbahnhof eine offenkundig verstörte Person ein Losungswort zu und nannte eine Adresse, an der ich es aussprechen sollte. Die verstörte Person blickte wild um sich, dann äußerte sie die Empfehlung, ich solle zu meiner eigenen Sicherheit das Losungswort lieber abändern. Daraufhin suchte sie das Weite. Sobald meine Verpflichtungen es mir erlaubten, begab ich mich zu der bewußten Adresse, einem großen Firmengebäude mit ebenerdigem Haarstudio. Ich trat ein und nannte das (abgeänderte) Losungswort. Zehn Minuten später arbeitete ich in dem Photolabor, das sich ebenfalls im Parterre des Gebäudes befand.
Erinnerungen an die Topographie des Photolabors habe ich keine außer der, daß dort eine monströse, ständig zunehmende Unordnung herrschte. Ich vermute, diese Unordnung hat irgendwann ein derartiges Übermaß erreicht, daß sie die Interieurs des Raums aus meinem Gedächtnis gedrängt hat. Gleichwohl muß es dort ein Vergrößerungsgerät, Photopapier und Chemikalien gegeben haben, um Schwarz-Weiß-Photoabzüge herzustellen, denn auf einem solchen entdeckte ich eines Tages ein unbekanntes Organ. Wenn ich auch zur Arbeit in einem Photolabor kaum taugte, wußte ich mit Organen doch immerhin so gut Bescheid, daß mir ein unbekanntes sofort auffiel. Ich trocknete den Papierabzug und verließ mit ihm das übelriechende Labor durch eine weißgestrichene Stahltür, die ins Treppenhaus führte. Viele steinerne Stufen mußte ich aufwärts steigen, bis ich durch eine andere Stahltür die Etage der Geschäftsleitung erreichte. Mit rätselhaften Photodingen ging man am besten gleich zum Prokuristen, und das tat ich. Strahlend fragte er mich, was ich denn „auf dem Herzen“ hätte.
„Donnerwetter!“ rief er angesichts der Photographie, die ich ihm dann vorlegte. „Das ist ja ein völlig unbekanntes Organ!“
Er griff zum Telephon, wählte eine Nummer und schrie in den Hörer: „Funke, sofort in mein Büro!“ Funke war der Firmenbiologe und hatte in den Dreißigerjahren über schwere Löcher promoviert. Im nächsten Moment betrat er das Büro, um die absolute Neuheit des abgebildeten Organs zu bestätigen.
„Wer hat die Aufnahme gemacht?“ fragte mich der Prokurist mit vorgehaltener Pistole. Leider konnte ich es ihm wegen der ungeheuren Unordnung im Photolabor nicht sagen. „Lassen Sie mir den Abzug hier“, ordnete er an, „ich kläre das und melde mich wieder bei Ihnen.“ Damit schickte er mich hinaus. Sollte er den Abzug nur behalten, ich hatte ja das Negativ!
Doch als ich am nächsten Tag das Labor betreten wollte, fand ich die Stahltür verschlossen und versiegelt. Meine erste Reaktion war, im Haarstudio nachzufragen, ob man näheres wisse, erfuhr aber bloß, man habe damit nichts zu tun. Mangels anderer Möglichkeiten stieg ich also treppauf, um an höchster Stelle Erkundigungen über die Lage einzuholen. Aus den klaren Worten des Prokuristen ging hervor: Meine Zeit als Photolaborant war vorüber. Die Firmenleitung entließ mich mit der Begründung, das Labor müsse wegen tribünenartig überhandnehmender Unordnung aufgegeben werden, und fand mich mit einer Kino-Freikarte ab. Welch schnöde Art, mit mir umzugehen, hatte ich doch über Wirtschaftsromantik promoviert! Insgeheim war ich aber heilfroh, die unschöne Laborarbeit loszusein.
Durch einen erstaunlichen Zufall begegnete ich viele Jahre später dem inzwischen längst pensionierten Biologen Funke auf seinem Sterbebett wieder. In der Absicht, vor dem Hinscheiden seine Seele zu erleichtern, gestand er mir, die Geschäftsleitung habe seinerzeit ein Patent auf das unbekannte Organ erworben und Unsummen damit verdient. Das wunderte mich wenig und ich fand, wir sollten Funkes letzte Minuten nicht mit Lappalien vertun.
„Eine wahrhaft noble Haltung“, lobte mich der alte Biologe, „dafür will ich Ihnen ein paar Losungsworte mitgeben: Chromosomen nur vom Fachmann!“ Ich wollte mich bedanken, da sagte Funke: „Vielleicht wäre es Ihnen möglich, mir bei etwas zu helfen, das mich stark beschäftigt.“
„Ich will es versuchen“, meinte ich, „worum geht es?“
„All mein Leben lang frage ich mich schon, ob Backmünster Vollbrat eine Kirche war oder ein Pionier der Wissenschaft. Kennen Sie die Antwort?“
„Ja, so nannte sich Rembrandt in der Mauser.“




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Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick