Inhalt der Printausgabe

Juli 2006


Der Deutsche
Warum mich der Matthias Mattussek gernhaben kann
(Seite 4 von 4)

      Matthias Matussek
M. Matussek
(ältere Aufnahme)
Dann geht das Handy, und Joachim Lottmann ist dran. »Lottmann hat was ›aufgestellt‹. Er hat mich auf die Gästeliste fürs ›White Trash‹ setzen lassen. Lottmann kennt Holm Friebe, und Friebe ist der König der Berliner Nachtszene. Friebe, der Soziologe und Hip-Hop-Star, der soeben das Buch ›Das nächste große Ding‹ herausgebracht hat. Der legendäre Friebe, der ›nur nicht mag, zum Neger gemacht zu werden‹, was manche tun, denn er hat marokkanische Eltern.« Der legendäre Holm Friebe ist, soweit ich ihn kenne, blond und blauäugig, Antimonarchist, hat Volkswirtschaft studiert, sitzt gerade an einem Buch über Hip-Hop, verantwortet den Top-Blog »Riesenmaschine« und hat mit Patriotismus »nichts am Hut« (Brief an den Verf. v. 31. 5. d.J.). Macht aber nichts, denn M. Matussek ist nicht nur ein wehrhafter Patriot, der sein sauber recherchiertes Manifest in und nach einem ARD-Presseclub gegenüber R. Tichy vom Handelsblatt entschlossen bis dem Vernehmen nach handgreiflich verteidigte: »Sie sind ein ganz linker Finger! Sie merke ich mir! Sie mache ich fertig!«, sondern auch und v.a. ein »sehr guter Reporter« (A. Gorkow in der Süddeutschen Zeitung).
Lassen wir’s dabei. Wer steigt schon freiwillig tiefer in den Dreck als unbedingt nötig. Aber Matusseks Selbstverständigungsfibel für den intellektuellen Mittelstand – »Schopenhauer, Deutschland, Hoffnung. Wramm Wramm« – ist natürlich doch aufschlußreich, jedenfalls für mich: denn daß er und ich so was Grundzufälliges wie die Nationalität miteinander teilen, er und ich und Ariadne von Hitler und Klaus Esser und Mario Barth und Nina Ruge und Kai Diekmann und Markus Söder und Atze von der Kameradschaft Ostvorpommern, das sorgt schon dafür, daß ich es lieber mit dem Uraltbundespräsidenten Gustav Heinemann halte, der ja auf die Frage, ob er sein Land liebe, die berühmte Antwort gab, er für seinen Teil ficke lieber. Wie ja auch mal wer begreifen könnte, daß ein unverkrampfter Umgang mit der eigenen Nationalität doch einschlösse, auf einschlägige Nationalbewußtseinskrämpfe zu verzichten und sich, wenn es denn sein muß, am Pfälzer Wald oder einem Schweinsbraten zu freuen, ohne vor Wallung gleich in die Hose zu machen.
Aber das bringt natürlich nichts ein. Weswegen die »neu erwachte, naive Lust an Deutschland« (Matussek) halt nicht mehr ist als die alte Geld- und Aufmerksamkeitsbeschaffungsmaßnahme für Schmöcke, Hauptstädterinnen und andere Patrioten. Die mich dann zwar nicht gernhaben, aber sehr gern, mit einem alten Nationalhelden zu seufzen, im Arsch lecken können.

    1 | 2 | 3 | 4


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt