Humorkritik | Juni 2019

Juni 2019

»Ich überlegte, ob Jahre engen Zusammenlebens sogar bei einer Primärreaktion wie Lachen einen gemeinsamen Ton erzeugen können.«
Siri Hustvedt, »Die unsichtbare Frau«

Gottverdammtes Lachen

So kann man sich als Autor gleich mal ordentlich Respekt verschaffen: Man eröffnet ein Büchlein, das »Was habe ich gelacht« (Matthes & Seitz) betitelt ist, mit dem Satz »Mit unwirschem Bedauern höre ich Leser zu mir sagen, sie hätten bei meinen Büchern ›gelacht‹, und muss mich bitter über sie beklagen.« Und schon ist die Leserschaft in der Defensive, denn wer will schon, dass sich der Autor über einen beklagt? Schon gar einer wie der Argentinier César Aira, der von der »Welt« als »Erbe von Borges und Kafka« (Kafka, aber immer!) geadelt wurde?

Auch wenn es sich bei Airas 90-Seiten-Werk nicht nur um eine bittere Klage handelt, bleibt der Ton doch ernst, ja streng, und stets lachkritisch. Aira geriert sich als einsamer Beobachter, der »nie geliebt«, »nie etwas empfunden« hat und dessen Erfolge auf Missverständnissen beruhen. Das beginnt mit dem Freundeskreis in seiner Heimatstadt in der Pampa, dem er sich nie zugehörig gefühlt habe, vor allem, weil in ihm dem häufigen, sinnlosen Lachen eine wesentliche Funktion zugekommen sei. Die titelgebenden »Was habe ich gelacht«-Inszenierungen der Airaschen »Clique« führt der Autor auf deren Jugend zurück (»Junge Leute in diesem Alter lachen viel, bestimmt weil sie sonst nichts zu tun haben«), insbesondere auf Unerfahrenheit: »Bei Jugendlichen befindet sich alles in einem Prozess des Werdens, und das erzählerische Geschick bildet da keine Ausnahme«. Dazu gehört natürlich auch ein kompetenter Umgang mit »Witz« im engeren wie weiteren Sinne. Zuvörderst ist das gemeinsame »gottverdammte Lachen« bzw. die kollektive Behauptung, man habe über die selben Anlässe gelacht, jedoch eine »Konvention«: »Es verlieh ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit; wir lachten über die anderen, über die Erwachsenen; es war eine Art, Distanz zu schaffen, die berühmte ›ironische Distanz‹«. Berühmt, in der Tat. Denn natürlich entwickelt Aira keine neue Theorie des Lachens, allenfalls liefert er Belege für Vertrautes.

Was seinem Text trotzdem komische Züge verleiht, ist die »ironische Distanz« des Autors zu sich selbst. Seinem Selbstbildnis als juvenile (und dann auch erwachsene) Spaßbremse gehe ich nämlich nicht auf den Leim, folge ihm durch seinen angeblich autobiographischen Text aber bereitwillig, weil die Reflexionen über das Lachen immer wieder durch schwarzkomische Anekdoten unterbrochen werden, zum Beispiel die Geschichte seiner Hündin Susy, die nur noch ein Ohr hat: »Das andere hatte sie bei einem unglücklichen Unfall verloren; ich hatte es aufbewahrt, es war ein kleines Dreieck behaarten Knorpels, und wenn der Regen uns zwang, im Haus zu bleiben, warf ich es ihr zu, und sie fing es auf, schleuderte es herum, trug es durch die ganze Wohnung. Ich dachte: ›Sie spielt mit ihrem eigenen Ohr.‹ Es war das einzige Spielzeug, das sie besaß.« An solchen Stellen muss ich, Airas Einschüchterungsversuchen zum Trotz, lachen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg