Humorkritik | Oktober 2018

Oktober 2018

Dann kommen wir mit unserem dänischen Humor und kleinen dummdreisten Bemerkungen.
Königin Margrethe II.

Vornämlich

Ein Mann namens Thomas (Florian David Fitz) kommt zu einem familiär-freundschaftlichen Abendessen und verkündet, seinen noch ungeborenen Sohn »Adolf« nennen zu wollen.

Erwartbar führt das bei den linksliberalen Intellektuellen im Freundeskreis zu einer Debatte und bald auch zu Streit und offen ausgetragenen Feindschaften. Zwar erklärt Thomas später, nur einen Witz gemacht zu haben, aber da das Kind schon einmal in den (Namens-)Brunnen gefallen ist, packt man die Gelegenheit beim Hitlerschopf, wirft sich auch den restlichen Abend Gemeinheiten und sogar eine Torte an den Kopf, und schließlich wird vor lauter Streitlust so manches aus guten Gründen wohlgehütete Geheimnis gelüftet. Das ist die hinsichtlich komischer Momente durchaus potente Grundidee eines französischen Theaterstücks aus dem Jahr 2010 (»Le Prénom«), das bereits 2012 in Frankreich verfilmt und jetzt von Sönke Wortmann adaptiert worden war; und das am 18. Oktober als »Der Vorname« in die deutschen Kinos kommt.

Ähnlich wie in der Vorlage ist schon die ernsthafte Diskussion über den Führernamen latent komisch. So verkündet etwa die Gastgeberin, Thomas’ Schwester Elisabeth (Caroline Peters), den Neffen nicht Adolf rufen zu wollen, sondern lieber »Knirps«, während ihr Gatte Stephan (Christoph Maria Herbst) auf den Einwand, gegen einen Namen wie Pumuckl habe man wohl nichts, zu bedenken gibt, Pumuckl habe auch nicht halb Europa ausgelöscht. Besonders schön – für den Zuseher – wird es, als nach der verspäteten Ankunft der schwangeren Anna (Janina Uhse) ein wilder Streit zwischen ihr und Stephan entbrennt, wobei die Komik dem Umstand entspringt, dass Anna davon ausgeht, Thomas habe den Freunden den tatsächlich geplanten Namen Paul (nach Thomas’ und Elisabeths Vater) mitgeteilt und auf die rhetorische Frage von Stephan, ob sie denn nicht wisse, was der Namensgeber angerichtet habe, korrekt antwortet, das könne sie nicht wissen, schließlich sei sie ihm nie begegnet; was wiederum Stephan endgültig an die Decke gehen lässt.

Doch »Der Vorname« macht auch vieles falsch. Wortmann hat nicht einfach den Stoff neu verfilmt, sondern auf Biegen und Brechen eingedeutscht: Dass statt in Paris in Bonn gestritten wird, schadet nicht; dass sich Thomas statt von dem liebestollen Helden Adolphe aus dem gleichnamigen Roman von Benjamin Constant aus dem Jahr 1816 nun von der neu editierten Auflage von »Mein Kampf« zum bösen Scherz inspirieren lässt, schon eher. Einige der schönsten und lustigsten Momente der Vorlage entfernt Wortmann hingegen, und besonders das Ende, bei dem eine Off-Stimme das Offensichtliche noch einmal expliziert (»Menschen streiten sich und raufen sich wieder zusammen«), ist noch blöder als im Original.

Welches ich hiermit als bessere Variante empfehlen möchte; auch wenn mich der Wortmann-Film stellenweise durchaus unterhalten hat.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt