Humorkritik | Oktober 2018

Oktober 2018

Dann kommen wir mit unserem dänischen Humor und kleinen dummdreisten Bemerkungen.
Königin Margrethe II.

Von Rittmeistern und Studentlein

Wer viel schreibt, kann viel Schlechtes schreiben. Rund 1500 Kurzgeschichten, Meinungsartikel und biographische Kleinerzählungen schrieb Jaroslav Hašek in zwanzig Jahren, und selbst die Auswahl, die sein Übersetzer und Herausgeber Antonín Brousek für den Band »Die Ausrottung der Praktikanten der Speditionsfirma Kobkán« (Reclam) vornimmt, leidet daran, dass die Prosa des begnadeten Säufers, der pro Tag ärztlich beglaubigte 36 große Biere vertilgen konnte, der Wirtshausanekdote und dem Stammtischschwank mitunter nicht fern ist.

An witzigen Einfällen mangelt es dem Autor des »Schwejk« ja nicht, ob nun in einer Geschichte über Bezeichnungen für Firmenprodukte »der passendste Name für preiswerte Ofeneinlegekacheln« gesucht wird oder ein Gymnasiast davon träumt, einen »dressierten kleinen Elefanten zu haben«, der an seiner Statt »dem Vater Zeitung und Tabak« apportiert; oder wenn im Wirtshaus über »die Geheimnisse des Weltalls« debattiert wird und der Koch vom Oberkellner wissen will, wie lang man für eine Fahrt zum Sirius braucht: »›62 000 000 000 Jahre.‹ ›Mit einem Regionalzug?‹ fragte ich. ›Was denken Sie denn, mit einem Schnellzuge‹, antwortete der Koch.« Das sind lustige Augenblicke, die aus einer zwar nicht 62 Milliarden Jahre fernen, aber doch untergegangenen Welt in die Gegenwart herüberscheinen: Hašeks Humoresken werden noch von »Kanzleipraktikanten« und »Bürodienern«, »Rittmeistern« und goldigen »Studentlein« bevölkert, der Arbeitsplatz ist ein »Comptoir«, die Zeitung heißt unschuldig »Nationale Blätter« – und auch die humoristische Technik hat sich seit Hašeks Zeit weiterentwickelt, so dass manche Schlusspointe unverschuldet altmodisch wirkt, etwa wenn der letzte Protagonist der Titelgeschichte im Nervenkrankenhaus enden muss, um die Sache irgendwie zum Abschluss zu bringen.

Einiges aus Hašek Biographie dürfte als bekannt vorausgesetzt werden (ich sage nur: »Welt der Tiere« und »Partei des maßvollen Fortschritts in den Grenzen der Gesetze«) – anderes sollte nicht unbekannt bleiben: Hašeks Erinnerungen als schräger bolschewistischer Revolutionär und Kommandant der Roten Armee nämlich, die in diesem Band versammelt sind. Was in den Humoresken als historischer Ballast hinderlich ist, ist hier an seinem natürlichen Platz: Das Alte ist nicht bloß Staffage, sondern Thema, und sein Komisches entwickelt sich deshalb wie beiläufig; und wirkt bis heute – komisch.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg