Humorkritik | November 2018
November 2018
Lachen ist auch so eine Kraft der Schwachen!
Bertolt Brecht
57 6F 72 74
ist das Wort »Wort«, ausgedrückt in Maschinencode, der Ebene über der binären Unterwelt aus Nullen und Einsen. Mechanische Arrangements, die an Konkrete Poesie erinnern, und dadaistisch, surrealistisch oder hermetisch ihr Sprachmaterial runterorgelnde Texte: Besseres haben die Apparate seit den sechziger Jahren, als man erstmals literarisch mit ihnen rechnen konnte, kaum je ausgespuckt.
Hannes Bajohrs »Halbzeug« (Suhrkamp) sieht entsprechend aus. Und doch: Manchmal beweist der Autor, dass Computerdichtung, obwohl sie eine fremde Sportart zu sein scheint, ein Fall für die Humorkritik sein kann. Folgt der Rechner etwa dem Befehl »Suche alle Vier-Wort-Verbindungen in den Grimmschen Hausmärchen«, kommt wunschgemäß ein Gedicht heraus, das von »es war einmal und« bis »wenn’s mir nur gruselte« den Grimm-Sound einfängt und ein dunkles, nun komisches Grundmuster ans Licht bringt. Richtig finster geht es erwartungsgemäß in Managementfibeln zu: Ordnet man alle darin mit »Sie müssen« beginnenden Sätze zu einem Gedicht, dann lautet dessen Pointe: »Sie müssen Ihr Leben, alles, was Sie bisher getan haben, Ihre kompletten Pläne und Ziele ändern – oder Sie werden sterben.«
Halbzeug, also unfertige Ware zwischen Rohstoff und Endprodukt, nennt Bajohr seine Texte deshalb, weil er sie als »Work in Progress« versteht, das stets weiter verändert werden darf. Der Begriff hat aber auch seine zweite Bedeutung, weil das von der Maschine gelieferte Wortmaterial nur mithilfe des Autors halbwegs literarische Form gewinnt: Immer noch ist der Computer nämlich bloß ein stumpfsinniger Hilfsarbeiter und kriegt nichts hin ohne einen Menschen, der ihn mit Rohstoff füttert, die Regeln festlegt und am Ende womöglich auswählt, ordnet, kürzt, also mit den Fingern eingreift. Dann aber kann es mitunter sogar parodistisch werden, die Maschine kratzt an der Patina der Originale, Günter Eichs »Inventur« heißt »Räumungsverkauf« und klingt nicht mehr nach armseligem Nachkrieg, sondern wie eine Persiflage auf den unnützen Warenüberfluss: »Dasselbe ist meine Glossenfibel, / dasselbe mein Wigwamweg, / dasselbe ist mein Prankengespinst / dasselbe ist mein Bindemittel.«
Der Computer kann nur Synonyme bereitstellen, aber damit es einigermaßen sinnvoll und komisch wird, muss sein menschlicher Auftraggeber die albernsten aussuchen. Und auch amüsieren können sich darüber ausschließlich – Menschen.