Humorkritik | März 2018

März 2018

Lachen ist ein Heilmittel, dessen stillende Kraft man nicht sattsam ermißt.
Jeremias Gotthelf

Unter Hypornose

Nicht erst seit dem Fall resp. Sturz Harvey Weinsteins bzw. der sog. »Me-Too-Debatte« weiß man, daß es in Hollywood sexistisch und patriarchalisch zugeht, zudem dumm oberflächlich um Geld, Macht, Karriere und all solche unerwachsenen Nebensächlichkeiten. Das stand nämlich schon in Büchern wie Budd Schulbergs (sehr zu empfehlendem) »Was treibt Sammy an?«, in Klassikern wie F. Scott Fitzgeralds »Die Liebe des letzten Tycoon« oder Kenneth Angers »Hollywood Babylon« und auch in diversen Produkten der euphemistisch so genannten »Regenbogenpresse«. Und nun steht es auch in »The Writer’s Cut« (Kiepenheuer & Witsch), einem schmalen Roman von Eric Idle, der, wie uns sicherheitshalber ein Aufkleber auf dem Buchcover erinnert, »weltweit bekannt als Mitglied von Monty Python« war und hoffentlich immer noch ist.

Es geht darin um Stanley Hay, einen hollywood-typisch arbeitsscheuen, geld- und frauengeilen Drehbuchschreiber und mediokren Renommisten, der gegenüber seinem Agenten angibt, just an einem »Reality-Roman« zu arbeiten, einem »Roman über einen Hollywoodautor, der einen Roman über einen Hollywoodautor schreibt, der einen Roman über Hollywood schreibt«, und zwar »mit jeder Menge Sexszenen, logisch«, weil »Sex einen heutzutage von überall her anspringt«: »Wir sind wie unter Hypornose«. Ein Verlag kauft das noch gar nicht existierende Manuskript, die Filmrechte werden verhandelt, allerlei Semi- und echte Prominenz buhlt um eine Rolle in Film und Bett Stanleys, welcher durch Talkshows gereicht und reich wird. Idles liebster Spaß dabei: das manische Wortspiel, das allerdings ebenso über Bande erfolgt wie die rücksichtslos-rüde Darstellung allen Personals – zuvörderst des weiblichen – als primär auf Beischlaf versessen (»Die Frauen sind zum Anbeißen und willig obendrein«); ist es doch stets Stanley, der hier als Ich-Erzähler ein Bekenntnis ablegt, wobei er sich selbst als notorischen Lügner anklagt, was dann irgendwie noch eine weitere Meta-Ebene ausmacht.

Gelernt ist gelernt: der souverän durchgehaltene Spannungsbogen, das Tempo, die Pointendichte – alles ist gut, wie man heute gern sagt. Daß aber nicht alles sehr gut ist, liegt zum einen daran, daß die Qualität der auf die Leserschaft einprasselnden Kalauer (exemplarisch der einer zum Kellnern gezwungenen Schauspielerin, die sagt, sie mache eine »Tellernovela«) doch ein bißchen zu wünschen übrigläßt (an der Übersetzung liegt es nicht, wie man anhand der zweisprachigen Ausgabe überprüfen kann); zum anderen und vor allem erfahre ich leider nichts Neues. Denn daß es in Hollywood sexistisch und patriarchalisch zugeht, zudem dumm oberflächlich um Geld, Macht, Karriere und all solche unerwachsenen Nebensächlichkeiten, daß es um die Usancen im Medien- und Literaturbetrieb nicht so gut steht, all das habe ich halt schon öfter gelesen. Und Hays Moral von der unmoralischen Geschicht’: »Offensichtlich zählt tatsächlich nur das Äußere« ist mir ein wenig zu schlicht. Cut.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg