Humorkritik | März 2018

März 2018

Lachen ist ein Heilmittel, dessen stillende Kraft man nicht sattsam ermißt.
Jeremias Gotthelf

Russischer Arsch

Mit »The Death Of Stalin« startet am 29. März Armando Iannuccis neuer Kinofilm, der zweite, den er als alleiniger Regisseur verantwortet. Seine Protagonisten sind dabei durchweg historische Figuren, nämlich die Männer, die nach dem Tod Josef Stalins um dessen politischen Nachlaß ringen (u.a. Michael Palin als Molotow); der Film hält sich vage an die historischen Tatsachen und entwickelt sich dann doch zur typischen Iannucci-Politsatire, bekannt (und von mir gelobt) spätestens seit »The Thick of It« (Mai 2010) – diesmal eben im Kreml. Viel Witz liegt in den Dialogen, hier besonders in den Betonungen; wenn der versoffene Sohn Stalins auf der Beerdigung eine Rede halten will, Stalins Nachfolger Malenkow spontan »No problem« antwortet, dann aber von Chruschtschow belehrt wird und nun erklärt, er habe »No! Problem!« gemeint (was sich leider kaum übersetzen läßt, in der deutschen Fassung heißt es: »Als ich sagte, kein Problem, meinte ich eigentlich ein Problem«, was kein bißchen mehr lustig ist). Oder: Der Folterknecht und Staatssicherheitsbehördenchef Beria erklärt, er habe gegen »euch alle« schmutzige Informationen in der Hand, woraufhin die vier anderen darüber streiten, wen er mit »euch alle« gemeint habe: Malenkow behauptet, während Berias Tirade etwas abseits gestanden zu sein, weshalb er nicht gemeint gewesen sein könne, da Beria bei »euch alle« das »euch« betont habe, indes meint Chruschtschow, Beria habe »alle« betont und also alle inklusive Malenkow gemeint, bis Malenkow schließlich erklärt: »Ihr alle könnt meinen russischen Arsch lecken.«

Dabei schafft es Iannucci, diese überforderten, lächerlichen, ja lustigen, aber sehr machtbewußten, brutalen Karrieristen als, nun ja: Sympathieträger zu charakterisieren. Insbesondere der »Reformer« Chruschtschow (Steve Buscemi) ist als cleverer und stets galanter Scherzkeks Identifikationsfigur. Und trotzdem zündet der Witz in »The Death Of Stalin« nicht ganz so wie gewohnt. Das mag daran liegen, daß der Film zum Teil ins Klamottige driftet, das Albern-Absurde bei historischen Figuren aber weniger gut funktioniert als bei (halb-)fiktiven, und vielleicht auch daran, daß das konkrete Ziel der Satire so tot ist wie sonst kaum etwas: der sowjetische Kommunismus.

Wobei – sagte ich »tot«? In Rußland selbst fanden nämlich einige Kulturschaffende und Politiker den Film gar nicht zum Lachen. Sie warfen ihm vor, er wolle »die kommunistische Partei verunglimpfen«, sei handwerklich »unprofessionell« oder »blasphemisch« gegenüber »nationalen russischen Symbolen«, woraufhin das Kultusministerium die bereits erteilte Lizenz wieder zurücknahm und den Film damit faktisch der Zensur unterwarf. Allerdings wies der britische »Independent« darauf hin, daß, nach einiger Kritik an der Entscheidung, die unter anderem offenbar aus dem Kreml selbst gestreut worden war, dies »nicht die letzte Episode« bzw. »nicht der letzte U-Turn« in der Geschichte gewesen sein müsse – und so wird die Filmsatire um Macht und Deutungshoheit der (post-)stalinistischen Sowjetunion doch sehr hübsch in der realen Gegenwart des Jahres 2018 weitergespielt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt