Humorkritik | Juni 2018

Juni 2018

Gravitätischer Ernst ist recht eigentlich das Wesen des Betrugs und der Heuchelei. Er läßt uns nicht nur andere Dinge mißverstehen, sondern ist fast stets in Gefahr, sich selbst zu verfehlen.
Anthony Ashley-Cooper, 3. Earl of Shaftesbury

Auf Wiedersehen

Alljährlich werden in Deutschland Filmpreise vergeben, die außer den Nominierten eigentlich nur einen interessieren: den alten Humorkritiker, der als Mitglied der Deutschen Filmakademie regelmäßig enttäuscht wird. Dieses Jahr ist typisch. Der große Sieger hieß »3 Tage in Quiberon«, die breit erzählte Nacherzählung eines Interviews, das eine ebenso breite deutsche Schauspielerin (Romy Schneider) vor 37 Jahren einer deutschen Illustrierten (»Stern«) gegeben hat. In edlem Schwarzweiß wird eine banale Klatschgeschichte zur Künstlertragödie stilisiert, die am Ende in ein Familienidyll mündet. Nach Aussage der ebenfalls ausgezeichneten Regisseurin (Emily Atef) soll das den Zuschauern (nach drei Wochen ungefähr 120 000) irgendwie Hoffnung machen.

Die hatte ich allerdings nach knapp zwanzig Minuten aufgegeben, und zwar in dem Moment, als mir klar wurde: Mehr als eine Schauspielerin (Marie Bäumer), die versucht, einer anderen Schauspielerin ähnlich zu sehen, und zwei Schauspieler (Charly Hübner und Robert Gwisdek), die versuchen, sich wie »Stern«-Journalisten zu benehmen, gibt’s nicht – von der fotogenen Bretagne einmal abgesehen.

Kein Grund, sich zu ärgern? Doch. Denn die einzige Komödie (»Casting«), die überhaupt in einer Hauptkategorie (Bestes Drehbuch) nominiert war, ging leer aus. Obwohl das Buch von Nicolas Wackerbarth und Hannes Held wirklich clever ist: Mit minimalem Aufwand macht Wackerbarth als Regisseur daraus einen kleinen unterhaltsamen Film, dessen Ökonomie mir gefallen hat. Denn über all das, was in Quiberon mit tierischem Ernst zelebriert wird, macht sich »Casting« lustig: die Eitelkeit von Schauspielern, Regisseuren, Redakteuren und fast allen, die beim Film etwas anderes zu tun haben, als Kabel zu tragen. Dieses selbstgefällige Posieren als Gewäsch zu entlarven ist an sich nicht schwierig; ganz beiläufig noch eine Geschichte zu entwickeln, die fast rührend wirkt, ohne unrealistisch zu werden, wäre zumindest einen Preis wert gewesen.

Doch die Mentzsche Stimme reicht offenbar nicht aus, die Vertreter der Verklärung zum Schweigen zu bringen. Weshalb ich jetzt auf diesem Wege meinen Austritt aus der Akademie androhe, was ich – falls ich’s nicht vergesse – in die Tat umzusetzen gedenke. Und dann sollen die ewigen Ernstnehmer sehen, wo sie bleiben. Vermutlich unter sich.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt