Humorkritik | Juli 2018

Juli 2018

Ich glaube nicht, dass es Kunst sein kann, wenn Verachtung das Mittel ist. Das gilt auch für Klamauk. Deutschsprachiger Humor war immer ein Mittel der Verächtlichmachung.
Marlene Streeruwitz

Dann schon lieber sterben

»B12 – Gestorben wird im nächsten Leben« (ab 19. Juli in bayrischen Kinos) ist nicht nur ein Film mit einem hübsch paradoxen Titel, sondern auch einer, über den es in der Presseinformation verlockend heißt, es gehe um »eine Imbissbude neben einem baufälligen alten Gasthof«, in der Themen wie »Liebe, Tod, Freundschaft oder die Qualität eines Saukopfs« verhandelt würden. Der Besitzer sei ein gewisser Lenz, ein »ewig grantelnder Kerl«, und insgesamt laufe in dieser Raststätte an der B12 Richtung München so einiges »aus dem Ruder«, worum sich eben nun diese »Dokumentarfilm-Komödie« kümmere – wer sollte da nicht neugierig werden?

Ich wurde; leider. Denn dass dieser Dokumentarfilm (Regie: Christian Lerch) zur Komödie taugt, möchte ich bezweifeln. Zwar sitzen Lenz und seine Kumpane tatsächlich den lieben langen Tag in der Imbissbude und reden, zwar versucht Lenz’ Sohn, gegen den Willen des Alten das Haus zu renovieren (wobei versehentlich die Fenster verkehrt herum eingebaut werden), und zwar ist Lenz wirklich dauerhaft schlecht gelaunt – aber das ist alles nicht im geringsten komisch. Es gehört schon eine Menge Zynismus dazu, nicht zu erkennen, dass der neunzigjährige Mann in diesem Film wirklich verzweifelt und vereinsamt ist. Regelmäßig bricht er in Tränen aus, und auf einer Autofahrt schafft er es nicht mehr, sich alleine anzuschnallen.

Einmal fasst Lenz junior seine Lebensphilosophie so zusammen: Am wichtigsten sei die Gesundheit, »dass mo alle Glieder hot, des is, glaub i, des wichtigste«, dann »kimmt an zweiter Stelle in meinen Augen glei des Geld«, und dann »kommt halt des nächste, richtige Partnerin oder Familie – des hat bei mir aber no net so hing’haut«. Und so geht es ohne Unterlass weiter, entweder wird’s banal oder man schweigt sich an; der alte Lenz erträgt es leidend, in einem Zustand, in dem man »sterben und von der ganzen G’schicht nix mehr wissen« will. Nur einmal fangen die alten Augen noch zu funkeln an: als der Sohn erzählt, wie ihn der Vater als Zwölfjährigen mit in den Puff genommen habe.

Ansonsten schaut man hier einer traurigen, auf den Hund gekommenen Männerrunde dabei zu, wie sie sich gemeinsam und gegenseitig langweilt – zu Tode. Vielleicht ist aber auch die spätkapitalistische Welt, wie sie in all ihrer Freud- und Lieblosigkeit hier abgebildet wird, einfach nicht lustig.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick