Humorkritik | Februar 2018
Februar 2018
Ewig weiterleben; – ich räume ein, es hat ein bißchen was Komisches, aber es gibt wenig ernste Sachen, die nicht auch eine komische Seite hätten.
Theodor Fontane, »Der Stechlin«
Irrelevante Spastis
»Mein Name ist Martin, und ich hab Probleme mit Drogen, Egozentrismus und den Frauen anderer Männer. Und Konzerte fallen auch schon mal aus, weil ich zu viel sauf. Ich bin lächerlich und bemitleidenswert und, wie sich in der Therapie gerade schrittweise klärt, narzißtisch und objektfixiert auf deine Mutter«, trällert ein Mann, der mit einer Bierflasche in der Hand eine triste deutsche Mittelstadtstraße entlangschreitet. Soweit die erste Szene im Video zum ersten Song des aktuellen Albums »This is Bochum, not L.A.«. Martin ist nämlich Teil einer Punkkapelle, die sich »Die Shitlers« nennt und angetreten ist, den Punk zu retten: »Nur wegen Shitlers ist Punk wieder interessant.«
Mit viel Freude an der Holzhammerpointe, die meistens darin besteht, die Wörter »Hurensohn«, »behindert« und »Spasti« gleichmäßig über die Argumentation zu verteilen, machen diese Kunstfiguren vor, wie uneigentliches Sprechen Komik produzieren kann. Das funktioniert einerseits, weil man die unter Jungmännern anscheinend ehrenrührigsten aller Invektiven, schwul und Hurensohn (»Ich bin ein schwuler Hurensohn, du bist ein schwuler Hurensohn«, »Wir sind Hurensöhne, und damit mein ich nicht nur uns, sondern auch euch«), so inflationär benutzt, daß die Begriffe jede Bedeutung verlieren, und andererseits, weil sich die Shitlers in einer Szene bewegen, die sich zwar um Emanzipation von Unterdrückungsstrukturen bemüht, diese aber auch selbst reproduziert. Derartige Szenekonventionen wären, so jedenfalls das Shitlers-Prinzip, zu dekonstruieren.
In »+1« etwa geht es um DJs und Gästelisten-Surfer. Es wird erzählt, wie man einmal einen Backstage-Abend mit den Toten Hosen verbracht hat; andernorts hingegen wurde man abgewiesen, und dabei kommt es seitens der Gastsängerin Luise Fuckface zu folgendem allerliebst gesungenem Monolog: »Ich bin ein ernstzunehmender DJ und nicht nur so ’ne Famewhore / ich spiele nur das Beste von der ultimativen Chartshow / Ich spiel was von Haftbefehl, /weil’s so lustig ist/ daß er so nuschelt/ und nicht richtig Deutsch spricht / Ja, ich bin DJ und ich steh auf jeder Liste / obwohl ich so scheiße bin, daß ich doppelt zahlen müßte / Hab ich schon gesagt, daß ich DJ bin? / Du und deine Spasti-Freunde, ihr kommt hier nicht rin / Minus 1, minus 1 / du und dein Freund, ihr kommt beide nicht rein / ihr seid minus 1, minus 1 / du bist ein Hurensohn, deshalb kommst du nicht rein.«
Im Grunde ist jedes Lied, jede Note, jede Zeile Parodie. Ein »weißhaariger Autonomer«, der eigenen Erzählungen zufolge in seiner Jugend gegen »die Bullen und das Schweinesystem« gekämpft hat, wird von den Shitlers gefragt, »ob er denn wirklich geglaubt habe, daß das klappt mit der Revolution, oder wenigstens mit einer autonomen Parallelgesellschaft«, um ihm schließlich zu eröffnen: »Uwe, du bist ein Guder, aber ich glaube, du wurdest teilweise verarscht.« Schließlich werden in »Politische Lieder« endgültig die heiligen Kühe der linken Szene umgeschubst: »Oury Jalloh, das war Mord, fick die Polizei, Ehegattensplitting abschaffen, Schlüsselindustrien verstaatlichen«. Und: »Kommunismus wäre zu kraß, aber demokratischer Sozialismus geht.« Denn es gilt: »Politische Texte sind schwer«. Man stelle sich das Ganze zu hektisch hingerotztem Dreiakkordegerumpel vor, weitgehend ohne Rücksicht auf korrekten Gesang, auf Versmaß oder Reim.
Die Shitlers sind eine Meta-Band, die nichts anderes will, als die Szene, der sie selbst angehört und über die sie nicht hinaus kann, als irrelevant zu entlarven. Heraus kommt dabei aber ein derart großartiger Unsinn, wie man ihn solchen Hurensöhnen und Spastis gar nicht zugetraut hätte.