Humorkritik | Februar 2018

Februar 2018

Ewig weiterleben; – ich räume ein, es hat ein bißchen was Komisches, aber es gibt wenig ernste Sachen, die nicht auch eine komische Seite hätten.
Theodor Fontane, »Der Stechlin«

Lieblingskrimis

Seit zwölf Jahren erscheinen im Berliner Alexander Verlag die Kriminalromane von Ross Thomas, neu übersetzt und in voller Länge; das ist verdienstvoll, denn die meisten von ihnen sind zwar schon vor Jahrzehnten bei Ullstein erschienen, dort allerdings zum Teil um die Hälfte gekürzt.

Ross Thomas schrieb seine Romane von 1966 bis 1994, und so gut wie alle sind um so viel besser als übliche Thriller, daß sich kaum ein Autor zum Vergleich anbietet. Ich würde sagen, er ist eine Mischung aus Jonathan Latimer, was den Witz, und John le Carré, was den Plot angeht. Im gerade erschienenen achtzehnten von insgesamt fünfundzwanzig Krimis, »Der Mordida-Mann« (mit welchem spanischen Wort ein Spezialist für Bestechungen gemeint ist), ist Thomas in Höchstform und fast besser als Latimer und le Carré zusammen. Beim Plotten kommt ihm zugute, daß er als ehemaliger Wahlkampfberater und Gewerkschaftssprecher weiß, woher der Hase weht bzw. wie der Wind läuft. Daß er abenteuerliche Lebensläufe aus dem Ärmel zu schütteln vermag, verdankt er wohl seiner Tätigkeit als Drehbuchautor, ebenso sein Geschick für Dialoge. Irgendwann stellt einer fest:

»Aber ich weiß nicht, worum es überhaupt geht, oder?«
»Es ist simpel«, sagte Dunjee, »wir suchen jemand.«
»Und wenn wir ihn finden?«
»Dann verdienen Sie eine Menge Geld.«
»Und wenn nicht?«
»Dann verdienen Sie nicht so viel.«

Bei Ross Thomas geht es eigentlich immer um Geld, man fragt sich nur, warum auch so manch reicher Mann bei der Jagd mitmischt:

»Geld.«
»Er hat genug. Mehr als genug.«
»Was ist genug?«

Das feine Gefühl für Machtspielchen, das sich aus den unterschiedlichen Positionen und Wissensständen der Personen ergibt, lädt fast jeden Dialog mit Bedeutung auf, Tempo entsteht durch die sprunghafte Dramaturgie und die extrem enge Verzahnung der Szenen. Vor allem ist es aber seine ironische Grundhaltung, die Ross Thomas so wohltuend von den meisten Kollegen abhebt, die heute auf den Bestsellerlisten ermitteln lassen – um Realismus ist er nicht bemüht, obszöne Beschreibungen von Grausamkeiten erspart er uns, Psychologie ist für ihn allenfalls eine Art Trickkiste. Ganz ernst nimmt er seine Geschichten nämlich nie, und von uns verlangt er das schon gar nicht. Ich glaube, es ist dieser Verzicht, der seine Romane so amüsant und letztlich sogar glaubwürdig macht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg