Humorkritik | November 2017

November 2017

Das Lachen verlangt Arglosigkeit, die meisten Menschen lachen aber am häufigsten boshaft.
Fjodor Dostojewski

Über Lachen und Strafen

Wie ich kürzlich bei einer Fahrt mit der Frankfurter Buslinie 36 erfuhr, gibt es durchaus noch Orte, an denen sich der sogenannte Poststrukturalismus Beliebtheit erfreut; zu diesen zählt nicht zuletzt die Frankfurter Buslinie 36. Eine Frage, die man sich dort vermutlich zu selten stellt, ist, worum es sich bei den Vertretern dieser ominösen, vorwiegend französischen Bewegung handelt. Sind, bzw. waren Derrida und Co. begnadete Theoretiker, abgefeimte Scharlatane, widerwärtige Faschisten oder – und hier wird’s humorkritisch – vielleicht doch eine Gruppe von außergewöhnlich radikalen Satirikern, deren Ziel darin bestand, den Universitäts- und Kulturbetrieb auf ebenso listige wie monumentale Weise zu verspotten? Für letzteres spricht bei näherer Betrachtung einiges.

Beim besten Willen nicht zu leugnen ist zum Beispiel, daß Roland Barthes, der 1967 den »Tod des Autors« verkündet, Schelm genug ist, sich in den darauffolgenden Jahren nicht u.a. für diese »Einsicht« als berühmter Autor feiern zu lassen. Mit einem ganz ähnlichen Gag Barthes’ Pointe vorweg nimmt ein Jahr zuvor Michel Foucault, indem er eine Wette auf den Tod des Subjekts anbietet – und zwar in einem hemmungslos subjektiven Buch. Noch viel dreister als in »Die Ordnung der Dinge« treibt es der unangefochtene Anführer der radikalen Komikertruppe in seinen späteren Werken, welche vorgeblich eine Analytik der Macht entfalten, sich realiter jedoch wie eine Theorieparodie im Geiste von Meister Yoda lesen. Dort, wo Foucault aufhören möchte, »die Wirkungen der Macht immer negativ zu beschreiben, als ob sie nur ›ausschließen‹, ›unterdrücken‹, ›verdrängen‹, ›zensieren‹, ›abstrahieren‹, ›maskieren‹(!) ›verschleiern‹ würde«, denkt der informierte Leser (ich) nämlich beinahe zwangsläufig an den maskierten Darth Vader und dessen Hinweis, »wie stark die dunkle Seite der Macht sein kann«.

Echte Experten würden hier natürlich einwenden, dieser Star-Wars-Effekt trete nur auf, wenn man Foucault in deutscher Übersetzung lese. Daran, daß der Poststrukturalismus auf mich wie ein überdimensioniertes komisches Kunstwerk wirkt, ändert dieser sachkundige Hinweis allerdings nichts. Denn wie schreiben Schelm Deleuze und Fex Guattari so schön: »Seid der rosarote Panther, und liebt euch wie Wespe und Orchidee, Katze und Pavian.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick