Humorkritik | Mai 2017
Mai 2017
»Das war wieder The Joy of Grief, die Wonne der Tränen, die ihm von Kindheit auf in vollem Maße zuteil ward, wenn er auch alle übrigen Freuden des Lebens entbehren mußte. Dies ging so weit, daß er selbst bei komischen Stücken, wenn sie nur einige rührende Szenen enthielten, als z.B. bei der Jagd, mehr weinte als lachte …«
Karl Philipp Moritz, »Anton Reiser«
Es war einmal lustig
Die Hauptrolle im halb komischen, halb traurigen Film »Es war einmal in Deutschland« von Regisseur Sam Gabarski ist mit einem alten Bekannten besetzt: Es ist der Witz in seiner Rolle, Leid erträglich zu machen. Eine Gruppe von Juden, die meisten von ihnen nur knapp der Vernichtung entronnen, betreibt kurz nach dem Krieg in Frankfurt am Main ein Hausierergeschäft. Mit allerlei Lügen und Gaunereien schwatzen sie ihren Kunden überteuerte Wäschepakete auf, um genügend Geld für die Auswanderung nach Amerika zu verdienen. Hauptfigur David Berman (Moritz Bleibtreu) muß sich zwischendurch immer wieder von den Amerikanern verhören lassen; ihm wird Kollaboration mit den Nazis vorgeworfen. In dieser Seitenhandlung erzählt Berman seine Vorgeschichte, die damit beginnt, daß er dem KZ-Kommandanten einen Witz erzählen muß, mit dem er zuvor seine Mithäftlinge zum Lachen gebracht hat.
Dieser Witz geht so: »Ein Mann muß im Zug zur Toilette. Als er dort ankommt, ist die Tür verschlossen. Er hämmert gegen die Tür: ›Aufmachen, ich habe Durchfall!‹ Da ertönt von drinnen eine Stimme: ›Sie Glücklicher!‹« Der KZ-Kommandant lacht, läßt Berman auf der Weihnachtsfeier auftreten und verschafft ihm auch sonst so manches Privileg – so hat der Humor Berman nicht nur metaphorisch, sondern tatsächlich beim Überleben geholfen. Für die prominente Rolle, die dem Witz in der Handlung als Lebensretter und Leidbegleiter zukommt, wirken die Pointen des Films jedoch seltsam matt. Nur selten gelingt es, durch den Kontrast von Komik und erlittener Qual eine bedrückende Atmosphäre zu erzeugen; ebenso selten triumphiert der Witz in den eindeutig komischen Situationen und geht über den durchschnittlichen deutschen Fernsehkomödienhumor hinaus. Das liegt auch am dauergrinsend überpräsenten Moritz Bleibtreu, der es fein versteht, durch sein Overacting weder die Witze besonders komisch noch die Erinnerungsszenen besonders erschütternd wirken zu lassen. Als familienfreundlicher Running Gag taucht dafür immer wieder ein Hund mit drei Beinen auf, der ständig von zu Hause ausbüxt.
Ich habe den Film mit einem ernsten und einem trockenen Auge gesehen.