Humorkritik | Februar 2017
Februar 2017
»And don’t even think of writing something stupid like ›what a lucky break a Trump presidency is for comedians, the jokes write themselves‹. No, no, no. Shut up! Jokes don’t write themselves. Jews write jokes. And they are scared shitless.«
Samantha Bee
Sentimentale Ausbruchsreise
Bei den alten Griechen bildeten Komödie und Tragödie zwei strikt getrennte Baustellen. Auf riesenhohen Schuhen, den Kothurnen, haben die hochtrabenden Tragöden deklamiert; nichts dergleichen gab’s bei den Komödianten. Im Wien der Mozartzeit erklangen komische und ernste Oper in verschiedenen Häusern, auf deutsch die eine, die andere auf italienisch. Solche Trennung kennt das heutige Kino nicht mehr. Zum Glück, wie der beachtliche italienischen Film »Die Überglücklichen« (Regie: Paolo Virzi) beweist: Gerade die Mischung macht’s hier.
Jedenfalls wäre sein vogelwildes Protagonistinnen-Pärchen – die aristokratische, manische Beatrice (Valeria Bruni Tedeschi) einerseits, die depressive und proletarische Donatella (Micaela Ramazzotti) zum anderen – kaum zu ertragen ohne die wenigen sentimentalen Momente. Der nicht eben originelle Plot, daß zwei von völlig verschiedenem Charakter sich anfreunden und gemeinsam aus der Klapse fliehen, wird hier sehr nüchtern und realistisch ausgeführt. Denn siehe, die Ausbrecherinnen erweisen sich nicht als genial und lebensfit, vielmehr offenbaren sie echte Mängel an Sozialkompetenz. Siehe, das Psychiatriepersonal kommt nicht dumm und sadistisch daher, sondern großteils vernünftig und herzlich. Das alles ergibt, bei gehobenem Low-Budget-Aufwand, eine Wundertüte von fast fellinihafter Prälle, ja Prallheit. Ein hocherfreulicher Film, in dem mir allerdings jede Nebenfigur sympathischer erschien als das Hauptduo – ich bezweifle, dieses Phänomen vorher schon einmal erlebt zu haben. Nacherlebenswert!